Das Buch der Geister

Allan Kardec

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370a. Folglich hinge die Verschiedenartigkeit der Fähigkeiten bei dem Menschen einzig und allein an seinem Zustand als Geist?
„Einzig und allein ist nicht ganz genau. Die Eigenschaften des Geistes, der mehr oder weniger fortgeschritten sein kann, sind das Prinzip; man muss dabei jedoch dem Einfluss des Stoffes Rechnung tragen, der mehr oder weniger die Ausübung der Fähigkeiten beeinträchtigt.“


Wenn der Geist sich inkarniert, bringt er gewisse Veranlagungen mit und wenn man für jede derselben ein entsprechendes Organ im Gehirn annimmt, so wäre die Entwicklung dieser Organe nicht eine Ursache, sondern eine Wirkung jener. Hätten die Fähigkeiten ihr Prinzip in den Organen, so wäre der Mensch eine Maschine ohne freien Willen und ohne Verantwortlichkeit. Man müsste annehmen, dass die größten Genies, Gelehrte, Dichter, Künstler nur deshalb Genies sind, weil der Zufall ihnen besondere Organe gab, woraus dann folgen würde, dass sie ohne diese letztere keine Genies geworden wären und dass der letzte Dummkopf ein Newton, Virgil oder Raphael hätte werden können, wenn er mit gewissen Organen versehen worden wäre, – eine Annahme, die noch viel einfältiger erscheint, wenn man sie auf die moralischen Eigenschaften anwendet. Nach diesem System hätte also der heilige Vinzenz von Paula, wenn er von der Natur mit dem und dem Organ ausgerüstet worden wäre, ein Verbrecher sein können und dem größten Verbrecher würde es nur an einem Organ fehlen, um ein hl. Vinzenz von Paula zu werden. Nehmt nun umgekehrt an, dass die besonderen Organe, wenn sie überhaupt existieren, allmählich entstehen und sich durch die Übung der betreffenden Fähigkeit entwickeln, wie die Muskeln durch die Bewegung, und ihr werdet nichts Vernunftwidriges haben. Machen wir einen um ihrer Wahrheit Willen trivialen Vergleich: An gewissen physiognomischen Kennzeichen erkennt ihr den Trunkenbold. Machen ihn nun diese Kennzeichen zum Trunkenbold oder lässt seine Trunksucht diese Kennzeichen entstehen? Man kann sagen, dass die Organe die Eindrücke der Fähigkeiten aufnehmen.