Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Intelligenz und Instinkt

71. Ist die Intelligenz eine Eigenschaft des Lebensprinzips?
„Nein; denn die Pflanzen leben und denken doch nicht; sie besitzen nur organisches Leben. Intelligenz und Stoff sind von einander unabhängig, da ein Körper auch ohne Intelligenz leben kann. Aber letztere kann sich nur vermittelst materieller Organe manifestieren; es bedarf der Vereinigung mit dem Geist, um den tierischen Stoff intelligent zu machen.“

Die Intelligenz ist eine besondere, gewissen Klassen organischer Wesen eigene Fähigkeit, die ihnen nebst dem Gedanken auch den Willen zu handeln, das Bewusstsein ihres Daseins und ihrer Individualität, sowie die Mittel mit der Außenwelt in Beziehung zu treten und für ihre Bedürfnisse zu sorgen, verleiht. So lassen sich unterscheiden:
1. die unbeseelten, aus Stoff allein gebildeten Wesen ohne Leben und Intelligenz: grobe Materie;
2. die beseelten, nicht denkenden, aus Stoff gebildeten und belebten, aber der Intelligenz entbehrenden Wesen;
3. die beseelten, denkenden, aus Stoff gebildeten, beseelten Wesen, bei denen ein intelligentes Prinzip hinzukommt, das ihnen die Fähigkeit gibt zu denken.


72. Was ist die Quelle der Intelligenz?
„Wir sagten es schon: die universelle Intelligenz.“


72a. Könnte man sagen, dass jedes Wesen einen Teil der Intelligenz aus der universellen Quelle schöpft und in sich verarbeitet, wie es das Prinzip des stofflichen Lebens in sich aufnimmt?
„Das ist nur ein Vergleich, aber kein genauer, da die Intelligenz eine jedem Wesen eigene Fähigkeit ist und dessen moralische Individualität begründet. Übrigens wisst ihr, dass es Dinge gibt, welche zu durchdringen dem Menschen nicht gegeben ist und zu diesen Dingen gehört auch jene Frage.“


73. Ist der Instinkt unabhängig von der Intelligenz?
„Nein; das gerade nicht; denn er ist eine Art von Intelligenz. Er ist eine Intelligenz ohne Vernunft, mit der alle Wesen ihre Bedürfnisse befriedigen.“


74. Kann zwischen Instinkt und Intelligenz eine Grenze gezogen werden, d. h. kann man angeben, wo das eine anfängt und das andere aufhört?

„Nein, denn sie gehen oft ineinander über, hingegen kann man sehr wohl die Handlungen, die dem einen oder dem anderen Gebiet angehören, unterscheiden.“


75. Ist es richtig, dass die Fähigkeiten des Instinktes in dem Maße abnehmen, als die der Intelligenz zu nehmen?
„Nein. Der Instinkt existiert immer, aber der Mensch vernach – lässigt ihn. Auch der Instinkt vermag zum Guten zu führen: Er leitet uns stets und oft sicherer als die Vernunft; er irrt niemals.“


75a. Warum ist die Vernunft nicht immer ein unfehlbarer Führer?
„Sie wäre unfehlbar, wenn sie nicht durch schlechte Erziehung, Hochmut und Egoismus gefälscht würde. Der Instinkt denkt nicht, die Vernunft aber lässt dem Menschen die Wahl und die freie Entscheidung.“

Der Instinkt ist nur ein Ansatz zur Intelligenz, der sich von letzterer im eigentlichen Sinn dadurch unterscheidet, dass seine Äußerungen fast immer unmittelbar sind, während die der Intelligenz das Produkt einer Kombination und eines übelegten Handelns sind.

Der Instinkt ist in seinen Äußerungen verschieden je nach den Gattungen und ihren Bedürfnissen. Bei den Wesen, die Bewusst – sein und Wahrnehmungsvermögen besitzen, verbindet er sich mit der Intelligenz, d. h. mit dem Willen und der Freiheit.