Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Gerechtigkeit der Reinkarnation


171. Worauf gründet sich der Glaubenssatz der Reinkarnation?
,,Auf Gottes Gerechtigkeit und die Offenbarung. Denn wir wiederholen euch ohne Unterlass: ein guter Vater lässt seinen Kindern stets zur Reue eine Türe offen. Sagt dir denn die Vernunft nicht, es wäre ungerecht, alle die, von denen es nicht selbst abhing, sich zu bessern, für immer der Seligkeit zu berauben? Sind nicht alle Menschen Gottes Kinder? Nur unter den egoistischen Menschen findet man Ungerechtigkeit, unversöhnlichen Hass und schonungslose Züchtigungen.“

Alle Geister streben nach Vollendung und Gott gibt ihnen dazu die Mittel in den Prüfungen ihres Leibeslebens. Aber er behält ihnen in seiner Gerechtigkeit die Vollendung dessen vor, was sie in einer früheren Prüfung nicht Zustande bringen konnten.

Es wäre weder Gottes Gerechtigkeit noch Güte angemessen, diejenigen für ewig mit Strafe zu treffen, welchen Hindernisse ihrer Besserung entgegenstanden, die aus den Verhältnissen ihrer Umgebung entsprangen. Trotz ihres guten Willens. Wäre des Menschen Schicksal nach seinem Tod unwiderruflich besiegelt, so hätte Gott nicht die Handlungen aller in der gleichen Schale gewogen und hätte sie mit Parteilichkeit behandelt. Die Reinkarnationslehre, d.h. die Lehre, welche dem Menschen mehrere sich folgende Existenzen zuschreibt, ist die einzige, welche der Gerechtigkeit Gottes, bezüglich der auf eine niedrige moralische Stufe gestellten Menschen entspricht, welche uns die Zukunft erklärt und unsere Hoffnungen festigt, weil sie uns das Mittel gibt, unsere Irrtümer wieder gut zu machen, durch neue Prüfungen. Die Vernunft weist auf sie hin und die Geister lehren sie uns. Der sich seiner Niedrigkeit bewusste Mensch schöpft aus dieser Lehre eine tröstliche Hoffnung. Glaubt er an Gottes Gerechtigkeit, so darf er nicht hoffen in der Ewigkeit einst denjenigen ebenbürtig zu sein, die besser als er gehandelt hatten. Der Gedanke, dass sein geringerer Wert ihn nicht auf ewig eines höchsten Gutes beraubt und enterbt, dass er es durch neue Anstrengungen erringen kann, hält ihn aufrecht und belebt seinen Mut aufs Neue. Wo ist derjenige, der nicht am Ziel seiner Laufbahn es bedauerte, zu spät erst eine Erfahrung erworben zu haben, von der er jetzt keinen Gebrauch mehr machen kann? Diese verspätete Erfahrung ist nun aber nicht verloren: er wird sie benutzen in einem neuen Leben.