Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Geist und Materie (Stoff)

21. Ist der Stoff (die Materie) sowie Gott von Ewigkeit her oder ist er von Gott zu irgendeiner Zeit geschaffen worden?
„Das weiß nur Gott allein. Jedoch gibt es etwas, was die Vernunft euch sagen muss, nämlich dass Gott, das Urbild der Liebe, nie untätig gewesen ist. Soweit ihr auch den Anfang seiner Tätigkeit zurückverlegen mögt, könnt ihr ihn euch auch nur eine Sekunde in Untätigkeit vorstellen?“

22. Man definiert allgemein den Stoff als das, was Ausdehnung besitzt, was Eindruck auf unsere Sinne macht, was undurchdringlich ist. Sind diese Definitionen genaau?

„Von eurem Standpunkt aus sind sie es, weil ihr eben nur so redet, wie ihr es versteht. Aber der Stoff existiert auch in Zuständen, die euch unbekannt sind. Er kann z. B. so fein und ätherisch sein, dass er gar keinen Eindruck auf eure Sinne macht; dennoch ist es stets der Stoff, obgleich es für euch keiner ist.“

22a. Was für eine Definition könnt ihr über den Stoff geben?
„Der Stoff ist das Band, das den Geist bindet, ist das Werkzeug, das ihm dient und auf das er zugleich seinen Einfluss ausübt.“
Unter diesem Gesichtspunkt kann man sagen, dass der Stoff das Agens ist, auf welches und mittelst dessen der Geist wirkt.

23. Was ist der Geist?
„Das intelligente Prinzip des Universums.“

23a. Was ist das innerste Wesen des Geistes?
„In eurer Sprache ist der Geist nicht leicht zu zergliedern. Für euch ist er nichts, weil er nicht mit Händen gegriffen werden kann. Für uns aber ist er etwas. Wisst es wohl: Nichts ist das Nichts und das Nichts existiert nicht.“

24. Ist Geist gleichbedeutend mit Intelligenz?
„Die Intelligenz ist eine wesentliche Eigenschaft des Geistes; aber beide fließen in einem gemeinschaftlichen Prinzip ineinander, so dass sie für euch beide eine und dieselbe Sache sind.“

25. Ist der Geist unabhängig vom Stoff, oder ist er nur eine Eigenschaft desselben, sowie die Farben Eigenschafen des Lichtes und der Schall eine Eigenschaft der Luft ist?

„Beide sind voneinander verschieden, aber es bedarf der Vereinigung des Geistes und des Stoffes, um letzteren intelligent zu machen.“

25a. Ist diese Vereinigung ebenso notwendig für die Äußerung des Geistes? (Wir verstehen hier unter Geist das Prinzip der Intelligenz, abgesehen von den mit diesem Namen bezeichneten Individualitäten.)
„Für euch ist sie notwendig, weil ihr nicht so veranlagt seid, dass ihr den Geist ohne den Stoff erkennen könntet; eure Sinne sind nicht dazu geschaffen.“

26. Kann man den Geist ohne Stoff erkennen und den Stoff ohne den Geist?
„Das kann man ohne Zweifel durch das Denken.“

27. So gäbe es also zwei allgemeine Elemente des Universums, den Stoff und den Geist?
„Ja, und über dem allem Gott, der Schöpfer, der Vater aller Dinge; diese drei Dinge sind das Prinzip von allem was existiert, die universelle Dreieinigkeit. Aber zu dem stofflichen Element kommt noch hinzu das universelle Fluidum, das die Vermittlerrolle zwischen Geist und Stoff im engeren Sinn spielt, welcher letztere zu grob ist, als dass der Geist einen Einfluss auf ihn ausüben könnte. Obwohl man es, von einem gewissen Standpunkt aus auch zum Stoff rechnen kann, unterscheidet es sich doch durch seine besonderen Eigenschaften. Wäre es in positiver Weise Stoff, so bestände kein Grund, dass der Geist es nicht ebenfalls wäre. Dieses Fluidum steht in der Mitte zwischen Geist und Stoff; es ist ebenso ein Fluidum, wie der Stoff der Stoff ist, und es vermag mittelst seiner ungezählten Verbindungen mit letzterem und unter dem Einfluss des Geistes die unendliche Mannigfaltigkeit der Dinge hervorzubringen, von der euch nur ein kleiner Teil bekannt ist. Dieses allgemeine oder uranfängliche oder elementare Fluidum ist, als Wirkungsmittel des Geistes, das Prinzip, ohne das der Stoff sich in einem fortwährenden Zustand der Verteilung befände und nie die ihm von der Schwere verliehenen Eigenschaften erlangen würde.“

27a. Ist dies das Fluidum, das wir mit dem Namen Elektrizität bezeichnen?
„Wir sagten, dass es unzähliger Verbindungen fähig ist; das was ihr elektrisches, magnetisches Fluidum nennt, sind Modifikationen des universellen Fluidums, welches eigentlich nur ein vollkommenerer, feinerer Stoff ist, den man als selbständig betrachten darf.“

28. Da der Geist etwas für sich ist, wäre es dann nicht genauer und weniger missverständlich, diese beiden allgemeinen Ele mente mit den Worten „träger Stoff“ und „intelligenter Stoff“ zu bezeichnen?
„Auf Worte kommt es uns wenig an; an euch ist es, eure Sprache so zu gestalten, dass ihr euch versteht. Eure Uneinigkeiten stammen gewöhnlich nur daher, dass ihr eure Worte nicht richtig zu gebrauchen wisst, weil eure Sprache für Dinge, die nicht sinngefällig sind, unzureichend ist.“

Eine Tatsache herrscht hier offenbar durch alle Hypothesen: wir sehen einen Stoff, der nicht intelligent ist, und andererseits ein intelligentes Prinzip, das vom Stoff unabhängig ist. Ursprung und Verbindung dieser beiden bleiben uns unbekannt. Ob sie eine gemeinsame Quelle, notwendige Berührungspunkte haben oder nicht; ob die Intelligenz ein selbständiges Dasein führt, oder ob sie nur eine Eigenschaft, eine Wirkung ist; ja, ob sie wie einige meinen, ein Ausfluss der Gottheit ist, das alles wissen wir nicht. Sie erscheinen uns verschieden und darum nehmen wir an, sie bilden zwei Grundprinzipien des Universums. Überall dem erblicken wir eine alle anderen Intelligenzn beherrschende und leitende Intelligenz, die sich von jenen durch wesentliche Eigenschaften unterscheidet. Diese höchste Intelligenz ist es, welche man Gott nennt.