Das Buch der Geister

Allan Kardec

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886. Was ist der wahre Sinn des Wortes: `Nächstenliebe´, wie Jesus es verstand?
„Wohlwollen gegen jedermann, Nachsicht gegen die Unvollkommenheiten anderer, Verzeihung der Beleidigungen.“


Nächstenliebe ist die Ergänzung des Gesetzes der Gerechtigkeit; denn seinen Nächsten lieben heißt, ihm alles Gute erweisen, das in unserer Macht liegt und das wir uns selbst getan wünschten. Das ist der Sinn der Worte Jesus: Liebet einander wie Brüder.


Die Ausübung der Nächstenliebe bleibt nach Jesus nicht auf die Almosen beschränkt: Sie umfasst alle unsere Beziehungen zu unse – resgleichen, mögen sie unter uns, neben uns oder über uns stehen. Sie gebietet uns Nachsicht, weil wir derselben selbst bedürfen; sie verbietet uns, die Unglücklichen zu demütigen was im Gegensatz zu dem steht, was nur zu oft geschieht. Kommt ein Reicher daher, so hat man gegen ihn tausend Rücksichten, tausend Zuvorkommenheiten; kommt dagegen ein Armer, so meint man, sich mit ihm nicht zu genieren zu brauchen. Aber gerade je mehr seine Lage zu beklagen ist, desto mehr soll man im Gegenteil sich hüten, sein Unglück durch Demütigungen zu vermehren. Der wahrhaft und wirklich gute Mensch sucht den tiefer als er Stehenden in dessen eigenen Augen aufzurichten und zu erhöhen, indem er die Kluft zwischen ihnen beiden verkleinert.