Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Die Skepsis bezüglich der spiritistischen Lehre hat, wenn sie nicht das Resultat einer interessierten systematischen Gegnerschaft ist, nahezu immer seine Quelle in einer unvollständigen Kenntnis der Tatsachen, was indessen gewisse Leute nicht hindert, über eine Frage mit edler Dreistigkeit zu entscheiden, als ob sie dieselbe vollständig kennen. Man kann viel Geist haben, kann selbst sehr gebildet sein und doch im Urteilsvermögen Mängel haben, nun aber ist das erste Zeichen eines fehlerhaften Urteils, für unfehlbar zu halten. So sehen denn auch viele Leute in spiritistischen Manifestationen nur einen Gegenstand der Neugierde; wir hoffen, dass sie nach Lesung des gegenwärtigen Buches in diesem sonderbaren Phänomen etwas anderes finden werden, als einen simplen Zeitvertreib.


Die spiritistische Wissenschaft umfasst zwei Partien: einen experimentellen Teil über die Manifestationen überhaupt und einen zweiten philosophischen, über die intelligenten Manifestationen. Wer sich nur mit dem ersten Aspekt befasst, befände sich in der Lage dessen, der die Physik nur aus Experimenten kennen würde, ohne in den Grund der Wissenschaft eingedrungen zu sein. Die eigentliche spiritistische Lehre liegt in der von den Geistern gegebenen Unterweisung, und die Kenntnisse, welche diese Lehre vermittelt, sind allzu wichtig als dass sie anders als in ernstem und unablässigem, in stillem und gesammeltem Studium gewonnen werden könnten; denn so allein kann man eine unendliche Menge von Tatsachen und Schattierungen beobachten, die dem oberflächlichen Beobachter entgehen und das Material bieten, sich eine Meinung zu bilden.


Hätte dieses Buch kein weiteres Resultat, als dass es die ernste Seite der Frage vorlegte und in diesem Sinn weitere Studien veranlasste, so wäre dies schon viel, und wir würden uns glückwünschen können, zur Vollendung dieses Werkes gewählt worden zu sein, aus dem wir uns übrigens keineswegs ein persönliches Verdienst machen wollen, da die Prinzipien, die es umfasst, durchaus nicht unsere geistige Schöpfung sind. Das Verdienst kommt einzig den Geistern zu, die es diktierten. Wir hoffen aber, dass es noch ein Resultat hat, nämlich das: nach Aufklärung verlangende Menschen zu leiten, ihnen in und mit diesen Studien ein großes, erhabenes Ziel vorzuhalten. Das Ziel des individuellen und sozialen Fortschritts, und die zur Erreichung dieses Zieles einzuschlagenden Wege zu zeigen.


Schließen wir mit einer letzten Betrachtung! Die Astronomen haben, wenn sie ihren Blick in den Weltraum richteten, bei der Verteilung der Himmelskörper nicht gerechtfertigte, den Gesetzen des Universums widersprechende Lücken entdeckt; sie haben daraus die Mutmaßung geschöpft, dass diese Lücken von Himmelskörpern ausgefüllt sein müssten, die ihren Blicken bis dahin entgangen waren; andererseits haben sie gewisse Wirkungen beobachtet, deren Ursache ihnen unbekannt war, und haben sich gesagt, „da muss noch eine Welt sein, denn diese Lücke ist unmöglich, und diese Wirkungen müssen eine Ursache haben.“ Indem sie demnach von der Wirkung auf die Ursache schlossen, haben sie die Elemente derselben berechnen können, und später haben die Tatsachen ihr Vorhersehen gerechtfertigt.


Dehnen wir diese Erwägung auf eine andere Vorstellungsreihe aus. Beobachtet man die Reihe der Wesen, so findet man, dass sie eine ununterbrochen zusammenhängende Kette vom rohen Stoff bis zum intelligentesten Menschen herauf bilden. Doch welche unermessliche Lücke zwischen den Menschen und Gott, dem Alpha und Omega aller Dinge! Ist es logisch anzunehmen, dass beim Menschen die Ringe dieser Kette stehen bleiben, dass er ohne Übergangsglied den Zwischenraum durchmisst, der ihn von dem Unendlichen trennt? Die Vernunft sagt uns, dass es zwischen den Menschen und Gott andere Staffeln geben muss, wie sie den Astronomen gesagt hat, dass es zwischen den bekannten Welten noch unbekannte Welten geben müsste. Welche Philosophie hat diese Lücke ausgefüllt? Der Spiritismus zeigt sie uns gefüllt mit Wesen aller Rangklassen der unsichtbaren Welt. Diese Wesen sind keine anderen als die Geister der Menschen, auf den verschiedenen, zur Vollkommenheit führenden Stufen. Alles bindet und verkettet sich, vom Alpha bis zum Omega. Ihr, die ihr die Existenz der Geister leugnet, füllt doch die Lücke aus, und ihr, die ihr darüber lacht, vermesst euch nur zu lachen über Gottes Werke und seine Allmacht!


Allan Kardec