Das Buch der Geister

Allan Kardec

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100. VORBEMERKUNGEN: Die Einteilung der Geister beruht auf dem Grad ihres Fortschritts, auf den Eigenschaften, die sie schon errungen haben und auf den Unvollkommenheiten, deren sie sich noch entledigen müssen.


Diese Einteilung ist übrigens keine absolute; jede Kategorie bezeichnet ein nur im Großen und Ganzen dargestelltes Bild; aber der Übergang von einer Stufe zur andern ist ein unmerklicher und auf den Grenzen verschwindet der Unterschied, wie im Reich der Natur, wie bei den Farben des Regenbogens oder auch wie in den verschiedenen Perioden des menschlichen Lebens. Man kann also je nach dem Gesichtspunkt, unter dem man die Sache anschaut, eine größere oder kleinere Zahl von Klassen annehmen. Es ist damit wie mit allen wissenschaftlichen Einteilungen; die Systeme können mehr oder weniger vollständig, rationell oder bequem sein; jedenfalls aber ändern sie nichts an der Grundlage der Wissenschaft. Die hierüber befragten Geister konnten somit verschiedene Zahlen der Kategorien aufstellen, ohne dass das etwas für die Zukunft beweise. Man wollte nun aus diesem scheinbaren Widerspruch Kapital schlagen, ohne zu bedenken, dass die Geister auf rein konventionelles kein Gewicht legen. Für sie ist der Gedanke alles, uns überlassen sie die Form, die Wahl der Ausdrücke, die Einteilung, kurz die Systeme. Fügen wir noch hinzu, was man nie aus den Augen verlieren darf, dass es unter den Geistern wie bei den Menschen sehr unwissende gibt, und dass man sich nicht genug vor der Annahme hüten kann, dass alle alles wissen, weil es eben Geister seien. Jede Einteilung erfordert Methode, Analyse und gründliche Kenntnis des Gegenstandes. Nun sind in der Welt der Geister diejenigen, welche beschränkte Kenntnisse haben, gerade so wie hier auf Erden die Unwissenden, nicht fähig ein Ganzes zu umfassen, ein System aufzustellen und sie kennen und begreifen nur unvollkommen irgendwelche Einteilung. Für sie gehört jeder Geist, der ihnen überlegen ist, zur höchsten Ordnung, ohne dass sie die verschiedenen Schattierungen des Wissens, der Fähigkeit, der Moral zu unterscheiden wüssten, gerade so wie bei uns ein roher Mensch es mit den Gebildeten hält. Selbst die, welche des-sen fähig sind, können im Einzelnen, je nach ihrem Standpunkt, verschiedener Meinung sein, besonders, wenn in der Einteilung nichts Entscheidendes liegt. Linnée, Justieu, Tournefort hatten jeder seine eigene Methode, die Botanik hat sich aber deswegen nicht geändert. Sie haben eben weder die Pflanzen, noch deren Kennzeichen erfunden; sie beobachteten nur die Ähnlichkeiten und bildeten demnach ihre Gruppen und Klassen. So sind auch wir vorgegangen. Wir erfanden weder die Geister, noch deren Kennzeichen. Wir sahen und beobachteten, wir beurteilten sie nach ihren Worten und Taten, und ordneten sie dann nach ihren Ähnlichkeiten, nach den Angaben, die sie uns machten.


Die Geister nehmen im Allgemeinen drei Hauptkategorien oder Hauptabteilungen an. In der letzten, unten an der Stufenleiter sind die unvollkommenen Geister, zu erkennen am Übergewicht des Stoffes über den Geist und den Hang zum Bösen. Die der Zweiten sind zu erkennen an dem Übergewicht des Geistes über den Stoff und an der Sehnsucht nach dem Guten: das sind die guten Geister.


Die Erste umschließt die reinen Geister, die, welche die höchste Stufe der Vollkommenheit erreicht haben. Diese Einteilung scheint uns ebenso vernunftgemäß wie klar. Uns blieb nur noch übrig, die Hauptschattierungen des Ganzen durch eine hinreichende Zahl von Unterabteilungen hervortreten zu lassen. Das taten wir unter Beihilfe der Geister selbst, deren wohlwollende Belehrungen uns nie im Stich ließen. Mit Hilfe dieser Übersicht wird es nicht schwer fallen, Rang und Stufe der Geister, mit denen wir in Beziehung treten können, und somit auch den Grad von Achtung und Vertrauen, den sie verdienen, zu bestimmen. Es ist dies gewissermaßen der Schlüssel zur spiritistischen Wissenschaft, der allein uns Rechenschaft geben kann von der Unzuverlässigkeit der Geistermitteilungen, indem er uns über die intellektuellen und moralischen Ungleichheiten der Geister belehrt. Indessen gehört ein Geist nicht immer ausschließlich nur einer Klasse an; da der Fortschritt sich nur allmählich und bald in dieser, bald in jener Richtung vollzieht, so kann einer die Kennzeichen mehrerer Klassen in sich vereinigen, was sich leicht aus Sprache und Handlungen desselben entnehmen lässt.