Das Buch der Geister

Allan Kardec

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908. Wie kann man die Grenze bezeichnen, wo die Leidenschaften aufhören, gut oder böse zu sein?
„Die Leidenschaften gleichen einem Pferd, das nützlich ist, wenn es bemeistert wird, und gefährlich, wenn es selbst den Meister spielt. Merkt euch somit, dass eine Leidenschaft von dem Augenblick an gefährlich wird, wo ihr sie nicht mehr beherrschen könnt, und dass dieselbe dann jedenfalls, sei es für euch oder andere, einen Nachteil mit sich führt.“



Die Leidenschaften sind Hebel, die die Kräfte des Menschen verzehnfachen und ihn bei der Erfüllung der Absichten der Vorsehung unterstützen. Lässt sich aber der Mensch statt sie zu lenken, selbst von ihnen lenken, so verfällt er ins Übermaß und in Ausschreitungen und dieselbe Kraft, die in seiner Hand Gutes stiften konnte, wendet sich gegen ihn und vernichtet ihn. Alle Leidenschaften haben ihr Prinzip in einem natürlichen Gefühl oder Bedürfnis. Ihr Prinzip ist also nicht ein Übel, da es auf einer der von der Vorsehung geschaffenen Bedingungen unseres Daseins beruht. Die Leidenschaft im eigentlichen Wortsinn ist die Übertreibung eines Bedürfnisses oder eines Gefühls. Sie liegt im Übermaß und nicht in der Ursache, und dieses Übermaß wird zum Übel, wenn es irgendein Übel zur Folge hat. Jede Leidenschaft, die den Menschen der tierischen Natur nähert, entfernt ihn von der geistigen. Jedes Gefühl, das den Menschen über die tierische Natur erhebt, verkündigt die Oberherrlichkeit des Geistes über den Stoff und nähert ihn der Vollendung.