Das Buch der Geister

Allan Kardec

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VI
Die Wesen, die sich in dieser Weise mitteilen, bezeichnen sich, wie wir bereits erwähnt haben, mit dem Namen ,,Geister“ oder ,,Genien“, sowie insbesondere als Wesen, die zum Teil wenigstens als Menschen auf der Erde gelebt haben. Sie bilden die geistige Welt, wie wir während unseres Lebens die körperliche Welt bilden.


Wir fassen hier in aller Kürze die charakteristischen Punkte der von ihnen mitgeteilten Lehre zusammen, um mit größerer Leichtigkeit auf gewisse Einwendungen antworten zu können.


»Gott ist ewig, unwandelbar, immateriell, einzig, allmächtig, allgerecht und allgütig.«


»Er hat das Universum erschaffen, welches alle belebten und unbelebten Wesen, materielle wie immaterielle, umfasst.«


»Die materiellen Wesen bilden die sichtbare Welt, die Körperwelt, die immateriellen Wesen die unsichtbare Welt, die Geisterwelt.«


»Die geistige Welt ist die normale, ursprüngliche, ewige Welt, die vor Allem gewesen ist und Alles überdauern wird.«


»Die Körperwelt ist nur sekundär; sie könnte aufhören zu existieren, ja brauchte nie existiert zu haben, ohne die Wesenheit der geistigen Welt zu verändern.«


»Die Geister legen auf Zeit eine vergängliche, materielle Hülle an, deren Zerstörung – das, was man gewöhnlich Tod nennt – sie wieder in Freiheit setzt.«


»Unter den verschiedenen Arten körperlicher Wesen ist nach göttlicher Bestimmung die Ordnung „Mensch“ zur Einverleibung solcher Geister bestimmt, die bis zu einer gewissen Stufe der Entwicklung gelangt sind. Dies verleiht dem Menschen die moralische und intellektuelle Überlegenheit über die übrigen Ordnungen.«


»Die Seele ist ein einverleibter Geist; wobei der Körper nur die Hülle ist.«


Es gibt im Menschen drei Bestandteile, er besteht aus:
1. dem Körper oder dem materiellen Wesen, das den Tieren entspricht und durch das gleiche Lebensprinzip belebt wird;
2. der Seele oder dem immateriellen Wesen, dem in den Körper einverleibten Geist;
3. dem Band, welches Seele und Körper eint, dem zwischen Materie und Geist vermittelnden Prinzip.
Demnach hat der Mensch zwei Naturen: seinem Körper nach nimmt er an der Natur der Tiere teil, deren Instinkte er besitzt; mittels seiner Seele nimmt er an der Natur der Geister teil.»


»Das Band oder der Perispirit, welches Körper und Geist vereint, ist eine Art halbmaterieller Hülle. Der Tod ist die Zerstörung der gröbsten Hülle, der Geist bewahrt aber die zweite, die für ihn einen ätherischen Körper bildet, welcher zwar für uns im normalen Zustand unsichtbar ist, den er jedoch gelegentlich sichtbar, ja selbst fühlbar machen kann, wie dies bei dem Phänomen der Geistererscheinungen zu beobachten ist.«


»Der Geist ist also keineswegs ein bloß abstraktes, unbestimmtes, reinweg nur gedachtes Wesen: nein, er ist ein wirkliches, fest bestimmtes Wesen, das in gewissen Fällen durch See – , Gehör – und Tastsinn erfassbar wird.«


»Die Geister gehören verschiedenen Klassen an und sind weder an Macht, noch an Intelligenz, noch an Wissen, noch an Moral einander gleich. Die Geister erster Ordnung sind die höheren Geister, die sich von den anderen durch ihre Vollkommenheit, ihre Kenntnisse, ihrer Nähe zur Gott, durch die Reinheit ihrer Empfindungen und ihre Liebe zu Guten auszeichnen: es sind dies die Engel oder reinen Geister. Die anderen Klassen entfernen sich immer mehr von dieser Vollkommenheit; die auf den unteren Rangstufen stehenden Geister haben die meisten der menschlichen Laster: Hass, Neid, Eifersucht, Stolz u.s.w.. Sie gefallen sich im Bösen. Auch gibt es unter ihnen solche, die weder besonders gut, noch besonders schlecht sind. Mehr Störenfriede und neckische Unruhestifter, als eigentlich boshaft, ist Schelmerei und Leichtfertigkeit ihr Naturerbteil: dies sind als die flatter – haften oder leichtsinnigen Geister bezeichnet.«


»Die Geister gehören nicht für alle Zeit zu derselben Ordnung. Sie erheben sich nach und nach und steigen auf der geistigen Leiter immer mehr empor. Diese Besserung findet durch die Inkarnation statt: für die Einen als Sühne, für die Anderen als Mission auferlegt. Das materielle Leben ist eine Prüfung, welche die Geister zu wiederholten Malen zu bestehen haben, bis sie zum höchsten Grad der Vollkommenheit gelangt sind. Es ist dies für sie eine Art Siebtuch oder Läuterungsapparat, aus dem sie mehr oder minder geläutert hervorgehen.«



»Beim Verlassen des Körpers kehrt die Seele in die Welt der Geister zurück, von der sie ausgegangen ist, um nach Ablauf längerer oder kürzerer Zeit, während welcher sie sich im Zustand eines „Wandelgeistes“ befindet, eine neue materielle Existenz zu beginnen.«


»Da der Geist durch mehrere Inkarnationen hindurch gehen muss, so ergibt sich, dass wir alle mehrere Existenzen hinter uns haben und dass wir noch andere, mehr oder weniger vollkommene haben werden, sei es hier auf Erden, sei es auf anderen Welten.«


»Die Inkarnation der Geister findet stets in der Ordnung „Mensch“ statt. Es wäre irrtümlich zu glauben, dass die Seele oder der Geist sich in ein Tier inkarnieren könne.«


»Die verschiedenen materiellen Existenzen des Geistes sind immer vorwärts schreitende, nie rückwärts schreitende; aber die Geschwindigkeit des Fortschritts hängt von den Anstrengungen ab, welche wir machen, um die Vollkommenheit zu ergelangen.«


»Die Eigenschaften der Seele sind die des Geistes, der in uns inkarniert ist; so ist der tugendhafte Mensch die Inkarnation oder Verkörperung eines guten Geistes, der bösartige Mensch die eines unreinen Geistes.«


»Die Seele hatte ihre Individualität vor ihrer Inkarnation: sie behält sie nach der Trennung vom Körper.«


»Bei ihrer Rückkehr in die geistige Welt findet die Seele alle die wieder, welche sie auf Erden gekannt hat, und alle ihre früheren Existenzen stellen sich nach und nach mit der Erinnerung an ihre guten und schlechten Taten wieder im Gedächtnis ein.«


»Der inkarnierte Geist steht unter dem Einfluss der Materie: der Mensch, welcher diesen Einfluss durch Erhebung und Läuterung der Seele überwindet, nähert sich den guten Geistern, zu denen er einmal gehören wird. Wer sich durch schlechte Leidenschaften beherrschen lässt und alle Freuden in der Befriedigung grober Begierden sucht, nähert sich dagegen den unreinen Geistern, weil er der animalischen Natur das Übergewicht einräumt.«


»Die inkarnierten Geister bewohnen die verschiedenen Himmels–körper im Universum.«


»Die nicht inkarnierten Geister, „die Wandelgeister“, bewohnen keine bestimmte und begrenzte Gegend im Weltraum; sie finden sich überall im Raum, an unserer Seite uns betrachtend und unaufhörlich umdrängend. Es ist dies eine ganze, unsichtbare Bevölkerung, die um uns herum lebt und webt.«


»Die Geister üben auf die moralische Welt, ja selbst auf die physische Welt einen unablässigen Einfluss aus; sie wirken auf den Stoff wie auf den Gedanken und bilden eine besondere Naturkraft, welche seltsame Naturerscheinungen darstellt, die ihre rationelle Lösung erst jetzt im Spiritismus finden.«


»Die Beziehungen der Geister zu den Menschen sind konstant. Die guten Geister regen uns zum Guten an, halten uns in den Prüfungen des Lebens aufrecht und helfen diese mit Mut und Entsagung zu ertragen. Die üblen Geister regen uns zum Bösen an: es gewährt ihnen Genuss, uns erliegen zu sehen und uns ihrem eigenen Wesen zu assimilieren.«


»Die Kommunikation der Geister zu den Menschen sind verborgene oder offen zu Tage liegende. Die Verborgenen zeigen sich in dem guten oder schlechten Einfluss, den sie auf uns ohne unser Wissen üben. Es ist Sache unseres Urteils, die guten oder schlechten Eingebungen zu unterscheiden. Die offen zu Tage liegenden Kommunikationen werden durch Schrift, Wort oder sonstige materielle Kundgebungen erlangt, meist durch Vermittlung der Medien, die ihnen als Instrument dienen.«


»Die Geistermanifestationen sind spontane oder hervorgerufene. Im Allgemeinen kann man alle Geister anrufen: sowohl die, welche dunkle Gestalten belebten, wie auch Geister der berühmtesten Persönlichkeiten, in welcher Epoche sie auch gelebt haben mögen; die Geister unserer Eltern und Freunde, wie unserer Feinde: wir können von ihnen auf schriftlichem oder mündlichem Weg Rat, Belehrung über ihre Lage im Jenseits, über ihre Gedanken, die sie über uns haben, sowie Enthüllungen erlangen, soweit sie solche uns machen dürfen.«


»Die Geister werden nach dem Maß der Sympathie, welche sie dem Kreis der Anrufenden entgegenbringen, angezogen. Höhere Geister suchen mit Vorliebe seriöse Vereinigungen auf, wo Liebe zur Tugend und der aufrichtige Wunsch nach Belehrung und moralischer Besserung herrscht. Ihre Gegenwart verdrängt die niederen Geister, die bei frivolen, von bloßer Neugier geleiteten Personen freien Zugang finden und hier in voller Aktionsfreiheit ihr Wesen treiben, sowie überall dort, wo schlechte Instinkte vorherrschen. Weit entfernt davon, gute Ratschläge und nützliche Winke zu erhalten, darf man in diesem Fall nur auf Nichtigkeiten, Lügen, schlechte Witze und Mystifizierungen rechnen, da sie vielfach renommierte Namen nennen um das Falsche besser einflössen zu können.«


»Die Unterscheidung zwischen guten und bösen Geistern ist keineswegs schwierig. Die Sprache des höheren Geistes ist unter allen Umständen würdig, edel und trägt die Signatur höchster Moral, die frei von jeder niederen Leidenschaft ist. Ihre Ratschläge atmen reinste Weisheit und bezwecken stets unsere Besserung und das Wohl der Menschheit. Die Ausdrucksweise der niederen Geister ist hingegen inkonsequent, oft alltäglich, nicht selten auch ungeschliffen. Wenn sie auch hin und wieder Gutes und Wahres sagen, so sagen sie noch häufiger Falsches und Abgeschmacktes aus Bosheit oder Unkenntnis. Sie treiben mit der Leichtgläubigkeit ihr Spiel und vergnügen sich auf Kosten derer, die sie fragen, indem sie der Eitelkeit schmeicheln und trügerische Hoffnungen erwecken. Mit einem Wort – seriöse Mitteilungen in des Wortes bester Bedeutung erhält man nur in seriösen Kreisen, in solchen, wo die Mitglieder untereinander durch eine innige, geistige Gemeinschaft die Gedanken auf das Gute richten.«


»Die Moral der höheren Geister findet sich im Gebot Christi zusammengefasst: „Wir sollen gegen die anderen so handeln, wie wir wünschen, dass die anderen gegen uns handeln.“ Das heisst, Gutes zu tun und nicht das Böse. In diesem Prinzip findet der Mensch eine allgemeingültige Richtschnur für sein Verhalten bis in die geringsten Details.«


»Weiter lehren die höheren Geister, dass Egoismus, Stolz, Sinn – lichkeit, diejenigen Leidenschaften sind, die uns zumeist an den Stoff binden und so der tierischen Natur nähern. Der Mensch, der schon hier auf Erden durch Verachtung weltlicher Nichtigkeiten und durch Nächsenliebe sich von der Materie frei macht, nähert sich der geistigen Natur. Deshalb soll jeder von uns mit seinen Fähigkeiten, sowie mit seinen Mitteln, die Gott zu seiner Prüfung in seine Hände gelegt hat, nützlich machen. Sie unterweisen uns, dass der Starke und Mächtige die Stütze und der Schutz des Schwachen sein soll denn der, welcher Kraft und Mut missbraucht, um Seinesgleichen zu unterdrücken, übertritt das göttliche Gesetz.Weiter lehren sie, dass, da in der geistigen Welt nichts verborgen bleiben kann, der Heuchler, samt allen seinen schimpflichen Handlungen entlarvt sein wird, dass die unvermeidliche, endlose Gegenwart derer, gegen welche wir uns vergangen haben, eine der unser wartenden Strafen ist und dass je nach der niederen und höheren Stellung der Geister gewisse Strafen und Belohnungen zugemessen werden, die auf Erden unbekannt sind.«


»Endlich aber lehren sie uns, dass es keine Fehltritte gibt, die nicht wieder gutzumachen wären, die nicht gesühnt werden könnten. Das Mittel hierzu findet der Mensch in den verschiedenen Existenzen, die ihm je nach seinem Wunsch und seiner Anstrengung das Fortschreiten auf der Straße der Vollkommenheit ermöglichen seinem letzten Endziel.«


Das ist eine kurze Zusammenfassung der spiritistischen Lehre, wie dieselbe sich aus der von höheren Geistern erteilten Unterweisung ergibt. Sehen wir uns jetzt einmal die Einwände an, die gegen sie erhoben werden.