Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Äußerliche Anbetung

653. Bedarf die Anbetung äußerlicher Manifestationen?
„Die wahre Anbetung liegt im Herzen. Bei all eurem Tun denkt stets, dass ein Herr euch sieht.“


653a. Ist die äußerliche Anbetung von Nutzen?
„Ja, wenn sie nicht ein leerer Schein ist. Es ist immer nützlich, ein gutes Beispiel zu geben. Wer dies aber nur aus Heuchelei und Eigenliebe tut und dessen Verhalten seine scheinbare Frömmigkeit Lügen straft, gibt eher ein schlechtes als ein gutes Beispiel und stiftet mehr Übel, als er denkt.“


654. Gibt Gott einer bestimmten Anbetungsweise den Vorzug?
„Gott liebt diejenigen, welche ihn vom Grund ihres Herzens mit Aufrichtigkeit anbeten, indem sie das Gute tun und das Böse lassen. Mehr als jene, die glauben ihn mit Zeremonien zu preisen, die sie für ihresgleichen nicht besser machen. Alle Menschen sind Brüder und Gottes Kinder. Zu sich ruft er alle, die seine Gesetze befolgen, was auch die Form sei, in der sie sie ausdrücken. Wer nur die äußerlichen Gebärden der Frömmigkeit hat, ist ein Heuchler, wer nur eine angenommene Anbetung verrichtet, die seinem Verhalten widerspricht, gibt ein schlechtes Beispiel.


Wer da bekennt Christus anzubeten und hochmütig, neidisch und eifersüchtig ist, wer hart und unversöhnlich ge-gen seinen Nächsten ist oder ehrgeizig sich um die Güter dieser Welt bewirbt, von dem sage ich euch: seine Religion ist auf seinen Lippen und nicht in seinem Herzen. Gott, der alles sieht, wird sprechen: dieser da, der die Wahrheit kennt, ist hundertmal schuldiger des Bösen das er tut, als der unwissende Wilde der Wüste, und am Tag des Gerichts wird er demnach beurteilt werden. Wenn ein Blinder euch im Vorbeigehen umwirft, so entschuldigt ihr ihn; ist es aber ein Sehender, so beklagt ihr euch und ihr habt Recht.


Fragt also nicht, ob eine Form der Anbetung besser sei als die andere, denn das hieße fragen, ob es Gott wohlgefälliger sei, in dieser oder in einer anderen Sprache angebetet zu werden. Noch einmal sage ich euch: die Lobgesänge gelangen zu ihm nur durch die Türe des Herzens.“


655. Verdient es Tadel, eine Religion auszuüben, an die man im Grunde des Herzens nicht glaubt, wenn man es nur tut aus menschlichem Respekt und um Andersdenkende nicht zu ärgern?
„Auf die Absicht kommt es hier, wie in vielen anderen Dingen an. Wer nur den Glauben anderer respektieren will, tut nichts Unrechtes. Er handelt besser als der, welcher jenen ins Lächerliche zöge, denn er würde sonst der Liebe ermangeln. Wer aber nur aus Interesse und Ehrgeiz handelt, ist in Gottes und der Menschen Augen verächtlich. Gott können nicht wohlgefallen alle diejenigen, welche Demut vor ihm heucheln, um sich die Billigung der Menschen zu erwerben.“


656. Ist die gemeinsame Anbetung der individuellen vorzuziehen?
„In Gemeinschaft der Gedanken und Gefühle versammelte Menschen haben mehr Macht, die guten Geister an sich zu ziehen. Ebenso verhält es sich, wenn sie sich zur Anbetung Gottes versammeln. Glaubt aber deswegen nicht, die Anbetung des Einzelnen sei weniger gut, denn jeder kann Gott anbeten, indem er an ihn denkt.“