Das Buch der Geister

Allan Kardec

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EINLEITUNG IN DAS STUDIUM DER SPIRITISTISCHEN LEHRE

I

Zur Bezeichnung neuer Dinge bedarf man neuer Worte. Es ist dies ein Gebot der Klarheit, will man der Verirrung entgehen, die mit der Vieldeutigkeit der gleichen Ausdrücke verbunden ist. Die Worte spirituell, Spiritualist, Spiritualismus haben bereits eine klar definierte Bedeutung; wollte man ihnen noch eine neue beilegen, um sie für die “Geisterkunde“ verwendbar zu machen, so würde man die schon ohnehin so zahlreichen Ursachen zu Mehrdeutigkeiten noch um eine vermehren. Tatsächlich ist Spiritualismus der Gegensatz zum Materialismus; jeder, der der Ansicht ist, dass in ihm noch etwas anderes steckt, als bloße Materie, ist Spiritualist; aber daraus folgt noch nicht, dass er an die Existenz der Geister, beziehungsweise ihre Kommunikation mit der sichtbaren Welt glaubt. Um letztgenannten Glauben zu bezeichnen, bedienen wir uns der Ausdrücke Spiritist und Spiritismus, deren Form an die Etymologie und die ureigene Bedeutung sofort gemahnt, die eben aus diesem Grund den Vorteil allgemeiner Verständlichkeit bieten und andererseits dem Wort Spiritualismus seine eigentümliche Bedeutung belassen. Wir halten fest, dass die spiritistische Lehre oder der Spiritismus die Beziehungen der materiellen Welt zu den Geistern oder den Wesen der unsichtbaren Welt zur Basis hat. Die Adepten des Spiritismus nennen wir Spiritisten, oder allenfalls auch Spirite.

Im engeren Sinn enthält das “Buch der Geister“ die spiritistsche Lehre; im Allgemeinen aber fußt es auf der spiritualistischen Lehre, die es in einer bestimmten Erscheinungsform zur Darstellung bringt. Aus diesem Grund führt es sich auf dem Titelblatt als “spiritualistische Philosophie“ ein.

II

Noch gibt es einen weiteren Ausdruck, über den ein vorgängiges Verständnis erforderlich ist: ist er doch ein Tragpfeiler jeder moralischen Lehre und das Subjekt zahlreicher Unstimmigkeiten: wir meinen das Wort „Seele“. Die Meinungsverschiedenheit in Betreff des Wesens der Seele rührt von der besonderen Auslegung her, die jeder von diesem Wort macht. Eine vollkommene Sprache, in welcher eine jede Vorstellung durch einen vollständig deckenden Ausdruck wiedergäbe, würde gar manche Erörterung überflüssig machen; gäbe es für jegliches Ding ein Wort, so würde jedermann verstanden werden. Nach den einen ist die Seele das Prinzip des materiellen organischen Lebens; sie hat keine Eigenexistenz und hört mit dem Leben auf: das ist der reine Materialismus. In diesem Sinn kann man z.B. von einem zersprungenen Instrument, das keinen Ton mehr von sich gibt, sagen, es habe keine Seele. Nach dieser Ansicht wäre die Seele eine Wirkung und keine Ursache. Andere betrachten die Seele als das Intelligenzprinzip, als ein Universalagens, von dem ein jeder seinen Anteil absorbiert. Nach dieser Ansicht gibt es für das gesamte Universum nur eine einzige Seele, welche unter die verschiedenen Lebewesen gewissermaßen funkenwerfend sich verteilt; mit dem Tod kehrt jeder Funke zur gemeinsamen Quelle zurück, wo er sich im Universum verliert, gerade wie Flüsse und Ströme zum Meer zurückkehren, von dem sie ausgegangen sind. Diese Ansicht weicht von der vorigen insofern ab, als es nach dieser Hypothese in uns mehr als Materie gibt und nach dem Tod etwas übrig bleibt; tatsächlich ist es doch fast so, als wenn nichts übrig bliebe; denn ohne Individualität haben wir ja auch kein Selbstbewusstsein mehr. Nach dieser Ansicht wäre die Universalseele Gott und ein jedes Wesen ein Teil der Gottheit. Es ist dies eine Variante des Pantheismus.

Endlich ist nach Ansicht anderer, die Seele eine moralische Existenz, von der Materie unterschiedenes und unabhängiges Wesen, das nach dem Tod seine Individualität bewahrt. Diese Akzeptierung ist ohne Frage die generellste, weil sich die Idee von einem derartigen Wesen, welches den Körper überlebt, schon instinktiv und unabhängig von jeder Unterweisung bei allen Völkern vorzufinden ist, gleichgültig, auf welcher Bildungsstufe sie stehen. Diese Lehre, nach welcher die Seele Ursache und nicht Wirkung ist, ist die der Spiritualisten.

Ohne auf das Verdienstlichste dieser Ansichten hier weiter einzugehen, müssen wir unter ausschließlicher Berücksichtigung der linguistischen Seite des Gegenstandes bemerken, dass diese drei Anwendungen des Wortes Seele drei verschiedene Begriffe bezeichnen, die eigentlich je eine eigene Bezeichnung beanspruchen. Demnach hat das Wort eine dreifache Bedeutung und jeder hat von seinem Standpunkt aus mit der Definition, die er gibt, vollständig Recht. Der Irrtum liegt auf Seiten der Sprache, die hier für drei Begriffe nur ein Wort hat. Um jede Zweideutigkeit zu vermeiden, müsste man die Anwendung des Wortes Seele auf einen von diesen drei Begriffen beschränken; die Wahl ist gleichgültig, das Wesentliche ist, dass man sich versteht; es ist dies eine Sache der Übereinkunft. Wir halten es für das Logischste, das Wort in seiner gewöhnlichsten Bedeutung zu nehmen. Wir verstehen also unter Seele das immaterielle, individuelle Wesen, welches in uns wohnt und unseren Körper überlebt. Ja selbst wenn dieses Wesen nicht vorhanden, wenn es nur ein Produkt der Einbildungskraft wäre, so müsste man zu seiner Bezeichnung einen bestimmten Ausdruck haben.

In Ermangelung eines besonderen Wortes für einen jeden der beiden anderen Punkte nennen wir: Vitalprinzip oder Lebensprinzip, das Prinzip des materiellen und organischen Lebens, unabhängig seines Ursprungs, jenes Prinzip, welches allen lebenden Wesen von den Pflanzen bis zum Menschen herauf gemeinsam ist. Da in diesem Sinn Leben auch ohne Denkbefähigung vorhanden sein kann, so ist das Vitalprinzip etwas ganz Unabhängiges und nur für sich bestehendes. Das Wort Vitalität würde nicht genau dieselbe Vorstellung wiedergeben. Den einen gilt das Vitalprinzip für eine Eigenschaft der Materie, eine Wirkung, die hervorgebracht wird, wenn sich die Materie in bestimmten gegebenen Umständen befindet. Nach anderen und diese Idee ist die verbreitetere, beruht es auf einem speziellen, universell verbreiteten Fluidum, von welchem ein jedes Wesen während seines Lebens einen Teil in sich aufnimmt und sich assimiliert, so wie träge Körper Licht absorbieren. Dies wäre dann das Lebensfluid, welches nach Meinung einiger identisch sein soll mit dem belebten elektrischen Fluidum, das auch als magnetisches Fluidum, Nervenfluidum bezeichnet wird.

Wie dem auch sein mag, es ist eine unbestreitbare Tatsache weil das auf Beobachtung beruhend zeigt, dass die organischen Wesen in sich eine tiefinnerliche Kraft besitzen, welche, so lange sie vorhanden ist, das Lebensphänomen hervorbringt, dass das materielle Leben allen organischen Wesen gemeinsam und unabhängig von der Intelligenz und dem Denken ist; dass Intelligenz und Denken Fähigkeiten sind, die gewissen organischen Arten zukommen; und unter den mit Intelligenz und Denkfähigkeit begabten Arten, gibt es eine, die einen besonderen Sinn für Moral besitzt, die ihr eine unbestreitbare Überlegenheit über die anderen verleiht, es ist die Spezies „Mensch“.

Es ist begreiflich, dass bei Annahme einer mehrfachen Bedeutung die Seele weder den Materialismus noch den Pantheismus ausschließt. Der Spiritualist selbst kann sehr wohl „Seele“ nach einer der beiden ersten Definitionen auffassen, unbeschadet des besonderen immateriellen Wesens, dem er dann irgend einen Namen geben müsste. So ist denn dieses Wort keinesfalls der Repräsentant einer bestimmten Ansicht: vielmehr ist es ein Proteus, den jeder nach seiner Weise sich zurecht legt. Hier liegt die Quelle so vieler endloser Streitigkeiten.

Ebenso würde man Verwirrung vermeiden, wenn man bei der Anwendung des Wortes Seele in den drei genannten Fällen, wenigstens ein unterscheidendes Adjektivum hinzufügte, welches den Gesichtspunkt, unter dem man es ins Auge fasst oder die Anwendung, die man von ihm macht, speziell andeuten würde. Es wäre dann ein generelles Wort, das zugleich das Prinzip des materiellen Lebens, der Intelligenz und des moralischen Sinns bezeichnete und das man durch ein Attribut unterschiede, wie man z. B. die Gase unterscheidet, indem man die Worte Hydrogen- , Oxygen- oder Azot- hinzufügt. Demnach könnte man sagen – und es wäre dies vielleicht das Beste – Vitalseele, für das Prinzip des materiellen Lebens, Intellektseele für das Intelligenzprinzip und Geistseele für das Prinzip unserer Individualität nach dem Tod. Es ist dies alles, wie man sieht, eine Wortfrage, freilich eine für die Verständigung sehr wichtige Frage. Danach wäre die Vitalseele allen organischen Wesen gemeinsam: Pflanzen, Tieren, Menschen; die Intellektseele wäre Tieren und Menschen eigen, Geistseele würde nur den Menschen zu kommen.

Wir glaubten auf diese Erläuterungen ein um so größeres Gewicht legen zu müssen, als die spiritistische Lehre naturgemäß auf der Existenz eines in uns befindlichen, von der Materie unabhängigen und den Körper überlebenden Wesens beruht. Da das Wort Seele im Verlaufe dieses Werkes häufig genug vorkommem wird, war es von Wichtigkeit, den Sinn, welchen wir ihm unterlegen, genau zu definieren, um jedes Missverständnis zu vermeiden. Nun kommen wir zum Hauptgegenstand dieser vorläufigen Belehrung.

III

Die spiritistische Lehre hat wie jede neue Erscheinung ihre unbedingten Anhänger wie Gegner. Wir wollen den Versuch machen, auf einige Einwände der letzteren zu antworten, indem wir den Wert der von ihnen dargebrachten Argumente untersuchen, ohne damit den Anspruch zu erheben, jedermann zu überzeugen: denn es gibt Leute, welche glauben, dass das Licht für sie allein geschaffen wurde.Wir richten unsere Worte an Menschen von Treu und Glauben, an Menschen ohne vorgefasste oder unbedingt fest gehaltene Ideen, welche von dem aufrichtigen Wunsch beseelt sind, sich aufzuklären: wir werden ihnen aufzeigen, dass die meisten der Einwände, die der Lehre entgegengestellt werden, von einer unvollkommenen Beobachtung der Tatsachen und von einem leichtfertig und überstürzt gefällten Urteil herrühren.

Vergegenwärtigen wir uns zuerst in aller Kürze die Reihenfolge der Erscheinungen, die dieser Lehre ihr Dasein gegeben haben.

Die erste beobachtete Tatsache war die, dass verschiedene Gegenstände in Bewegung gesetzt wurden. Der gewöhnliche Sprachgebrauch bezeichnet dieses Phänomen bekanntlich als Tischrücken. Diese Erscheinung, welche zuerst in Amerika beobachtet worden zu sein scheint oder richtiger gesagt, sich dort neuerdings wieder gezeigt hat, denn die Geschichte beweist, dass sie bis in das graueste Altertum zurückreicht. Sie war begleitet von merkwürdigen Umständen, wie z. B. ungewöhnlichen Geräuschen und Klopftönen ohne eine bekannte erkennbare Ursache. Von dort verbreitete sie sich rasch nach Europa und in anderen Welteilen; die Sache begegnete anfänglich großem Unglauben, aber der Umstand, dass die Vorkommnisse sich vervielfältigten, ließ bald an derer Tatsächlichkeit nicht weiter zweifeln.

Wäre dieses Phänomen auf die Bewegung materieller Körper beschränkt geblieben, so ließe es sich durch eine rein physische Ursache erklären. Wir sind weit davon entfernt, alle geheimen Wirkungskräfte der Natur oder alle Eigenschaften der uns bekannten Wirkungskräfte zu kennen. Übrigens vermehrt die Elektrizität täglich ins Unendliche die Hilfsmittel, die sie dem Menschen bietet und scheint die Wissenschaft in ein neues Licht stellen zu wollen. Es wäre also keineswegs unmöglich gewesen, dass die durch gewisse Umstände modifizierte Elektrizität oder sonst irgendeine Wirkungskraft die Ursache dieser Bewegung wäre. Indem die Vereinigung mehrerer Personen die Wirkungskraft zu mehren schien, fand diese Theorie auch darin eine Stütze: konnte man doch dieses Ensemble als eine Art von galvanischer Säule auffassen, deren Kraft zur Zahl der Elemente im Verhältnis steht.

Die Kreisbewegung bot nichts Absonderliches: sie liegt in der Natur. Alle Gestirne bewegen sich im Kreis; möglich also, dass wir hier im Kleinen einen Reflex der Allgemeinbewegung des Universums haben, oder richtiger gesagt, eine bis dahin unbekannte Ursache könnte ja gelegentlich und unter gegebenen Umständen im Kleinen einen Strom von der Art dessen hervorbringen, welche die Welten bewegt.

Freilich war die Bewegung nicht immer kreisförmig; oft war sie eine ruckartige, ungeordnete, der Gegenstand wurde heftig erschüttert, umgeworfen, nach irgend welcher Richtung gedrängt, ja sogar gegen alle Gesetze der Statik vom Erdboden erhoben und im Raum freischwebend erhalten. Doch findet sich auch in diesen Tatsachen nichts, das sich nicht durch die Einwirkung irgendeines unsichtbaren physischen Agens erklären ließe. Sehen wir nicht, wie die Elektrizität Gebäude umwirft, Bäume entwurzelt, die schwersten Körper fortschleudert, sie anzieht oder abstößt?

Die auffallenden Geräusche, die Klopfgeräusche konnten ja, vorausgesetzt, dass sie nicht etwa eine der gewöhnlichen Wirkungen der Ausdehnung der Materie oder sonst einer anderen zufälligen Ursache waren, ganz wohl durch Anhäufung des verborgenen Fluids hervorgebracht sein. Bringt die Elektrizität nicht die heftigsten Geräusche hervor?

Bis dahin beweg sich alles, wie man sieht, im Bereich rein physischer und physiologischer Tatsachen. Ohne dass man aus diesem Ideenkreis hervorzutreten brauchte, gab es da Stoff zu ernsten Studien, welche recht wohl die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt verdienen. Warum ist dies nicht geschehen? Es ist peinlich, es sagen zu müssen: es liegt dies an Ursachen, die neben tausend ähnlichen Tatsachen einen Beweis für die Leichtfertigkeit des menschlichen Geistes erbringen. In erster Linie möchte wohl die Banalität des bei den ersten Experimenten benutzten Gegenstandes, der Tische, zur Erklärung herbeizuziehen sein. Hat nicht ein Wort bei den gewichtigsten Dingen oft den entscheidendsten Einfluss? Ohne dass man sich weiter darum bekümmerte, dass doch jeder Gegenstand in Bewegung versetzt werden konnte, drängte sich immer der Gedanke an die Tische auf, weil es der bequemste Gegenstand ist. Setzt man sich doch naturgemäßer um einen Tisch, und nicht um irgend welches andere Möbelstück. Nun sind aber gerade die höher veranlagten Menschen manchmal so kindisch, dass es gar nicht undenkbar wäre, dass gewisse ausgewählte Geister es unter ihrer Würde gehalten haben, sich mit dem zu beschäftigen, was man gemeinhin Tischrücken nennt. Ja es ist wahrscheinlich, dass, wenn das von Galvani beobachtete Phänomen zuerst von gewöhnlichen Leuten beobachtet und außerdem mit einem burlesken Namen bezeichnet worden wäre, die ganze Geschichte unter die Kategorie des groben Volksaberglaubens verwiesen worden wäre. Wir möchten doch einmal den Gelehrten sehen, der nicht einen schweren Abbruch an seiner Würde zu erfahren geglaubt hätte, wenn er sich mit dem Froschtanz hätte beschäftigen sollen.

Indessen haben sich doch einige Personen gefunden, die mit etwas mehr Bescheidenheit einräumten, dass möglicherweise die Natur ihnen gegenüber noch nicht ihr letztes Wort gesprochen hat und die darum zur Beruhigung ihres Gewissens sich die Sache näher ansehen wollten. Da hat es sich denn gezeigt, dass das Phänomen nicht immer ihrer Erwartung entsprochen hat. Daraus nun, dass es sich nicht beständig nach ihrem Willen und ihrem Experimentationsmodus einstellte, hat man auf das Nichtvorhandensein geschlossen. Doch trotz ihres negativen Verdiktes fahren die Tische fort, sich zu drehen und so können auch wir mit Galilei sagen: „Und sie bewegen sich doch!“ Doch wir gehen noch weiter. Die Tatsachen haben sich in solcher Weise vervielfältigt, dass sie heutzutage eingebürgert sind und es sich nur darum handelt, eine rationelle Erklärung derselben zu finden.

Kann man etwas gegen die Tatsächlichkeit des Phänomens daraus einbringen, auch wenn es sich immer identischer Weise nach dem Willen und den Ansprüchen des Beobachters zeigt? Sind denn nicht auch die elektrischen und chemischen Phänomene gewissen Bedingungen untergeordnet und muss man sie leugnen, weil sie sich nicht außerhalb dieser Bedingungen einstellen? Ist denn dabei etwas Verwunderliches, wenn das Phänomen der Bewegung von Gegenständen durch das menschliche Fluidum auch seine Daseinsbedingungen hat und nicht mehr eintritt, wenn der Beobachter sich auf seinen Gesichtspunkt versteift, sie nach den Anwandlungen seiner Laune dirigieren, sie den Gesetzen bekannter Phänomene unterwerfen will, wenn er nicht begreifen mag, dass es für neue Tatsachen auch neue Gesetze geben muss? Um nun diese Gesetze kennen zu lerrnen, gilt es, die Umstände zu studieren, unter denen die Tatsachen eintreten, und dieses Studium kann nur die Frucht einer anhaltenden, angestrengten, oft langwierigen Beobachtung sein.

Aber, wenden manche ein, es liegt doch oft augenscheinlicher Betrug vor. Zunächst fragen wir solche Leute, ob sie denn auch ihrer Sache ganz sicher sind, dass Betrug vorliegt und ob sie diesen nicht als Wirkungen von etwas ansehen, das sie nicht nachvollziehen können, nach dem Beispiel jenes Bauern, der einen gelehrten Professor der Physik, welcher seine Experimente anstellte, für einen geschickten Taschenspieler hielt. Nehmen wir selbst an, es wäre dies vielleicht das eine und andere Mal vorgekommen, wäre dies ein Grund, die Tatsache selbst zu leugnen? Darf man die Physik leugnen, weil es Zauberkünstler gibt, die sich mit dem Titel „Physiker“ schmücken? Übrigens muss man den Charakter der Personen und ihr etwaiges Interesse an einer beabsichtigten Täuschung berücksichtigen. Es wäre dies also ein Scherz? Man kann sich ja wohl einen Augenblick amüsieren, aber ein ins Unbestimmte verlängerter Scherz müsste doch ebenso langweilig für den Mystifikator wie für den Mystifizierten sein. Übrigens läge in einer Mystifikation, welche sich über die ganze Erde von einem Ende zum andern verbreitet und unter den ernstesten, ehrenwertesten und aufgeklärtesten Personen stattfindet, mindestens etwas ebenso Außerordentliches, wie das Phänomen selbst.

IV

Hätten die uns beschäftigenden Phänomene sich auf die Bewegung von Gegenständen beschränkt, so wären sie, wie gesagt, im Bereich des physischen Wissens geblieben. Dem ist aber nicht so. Sie sollten uns die Spur von sonderbarer Art Tatsachen enthüllen. Man glaubte die Entdeckung zu machen – wir wissen nicht, wer zuerst den Gedanken ausgesprochen hat – , dass der den Gegenständen gegebene Impuls nicht bloß das Produkt einer blinden mechanischen Kraft wäre, sondern, dass bei dieser Bewegung eine intelligente Ursache im Spiele sein müsste. Nachdem sich dieser neue Weg geöffnet hatte,sah man sich auf ein ganz neues Beobachtungsfeld versetzt, es war das ein von vielen Geheimnissen hinweggezogener Schleier. Gibt es in der Tat eine intelligente Kraft? Dies ist die Frage. Wenn diese Kraft existiert, was ist es für eine, welches ist ihr Wesen, ihr Ursprung? Steht sie über der Menschheit? Das sind die anderen Fragen, die aus der ersten fließen.

Die ersten intelligenten Manifestationen fanden mittels der Tische statt indem sich diese hoben und durch Aufstoßen mit einem Fuß eine bestimmte Anzahl Schläge gaben und so auf eine gestellte Frage je nach Übereinkunft mit ja oder nein antworteten. Allerdings lag darin für Skeptiker nichts Überzeugendes: denn dies alles konnte eine Wirkung des Zufalls sein. Später erhielt man durch die Buchstaben des Alphabets vollständigere Antworten: indem der bewegliche Gegenstand durch eine bestimmte Anzahl von Stößen auf einen bestimmten Buchstaben innerhalb des Alphabets hinwies, gelang es, Worte und Sätze als Antwort auf gestellte Fragen herauszubringen. Die Richtigkeit dieser Antworten, ihre korrekte Beziehung zur Frage erregten Erstaunen. Das geheimnisvolle Wesen, welches in solcher Weise antwortete, erklärte auf Befragen in Betreff seiner Natur, dass es ein Geist oder Genius wäre, gab sich einen Namen und lieferte mannigfache Auskünfte über sich. Dieser Umstand verdient ganz besondere Beachtung. Niemand hätte sich vorstellen können, das Phänomen mit Hilfe der Geister erklären zu können; das Phänomen selbst enthüllt das Wort. Gar oft werden in den exakten Wissenschaften als Erklärungsbasis Hypothesen aufgestellt: hier ist dies keineswegs der Fall.

Dieses Korrespondenzmittel war lang und unbequem. Der Geist – man beachte auch diesen Umstand sorgfältig – gab ein anderes an. Es war eines dieser unsichtbaren Wesen, welches den Rat gab, an ein Körbchen oder sonst einen Gegenstand, einen Bleistift anzubringen. Dieses Körbchen wurde auf einen Bogen Papier gestellt und durch die gleiche verborgene Macht, welche die Tische dreht, in Bewegung gesetzt; nur zeichnet der Bleistift anstatt einer regelmäßigen Bewegung von selbst Charaktere, die ihrerseits Worte, Sätze, ja ganze Abhandlungen von mehreren Seiten ergaben über die höchsten Fragen der Philosophie, der Moral, Metaphysik, Psychologie usw. und zwar mit eben solcher Geschwindigkeit, als würde mit der Hand geschrieben.

Dieser Rat wurde gleichzeitig in Amerika, in Frankreich und in verschiedenen anderen Ländern gegeben. Wir lassen hier den Wortlaut folgen, in welchem der Rat in Paris, den 10. Juni 1853, einem der feuereifrigsten Adepten der Lehre, der sich schon mehrere Jahre lang (seit 1849) mit dem Anrufen von Geistern beschäftigt hatte, erteilt wurde: „Gehe in das Zimmer nebenan und nimm das kleine Körbchen; befestige daran einen Bleistift; stelle es auf das Papier; lege die Finger an den Rand.“ Einige Augenblicke darauf geriet das Körbchen in Bewegung und der Bleistift schrieb ganz leserlich folgenden Satz: „Was ich dir hier sage, das verbiete ich dir, weiter zu sagen; das nächste Mal, wo ich wieder schreiben werde, werde ich besser schreiben.“

Da der Gegenstand, an welcher man den Bleistift befestigt, nur ein Instrument ist, sind seine natürliche Beschaffenheit und Gestalt völlig gleichgültig. Man hat die handlichste Lage zu gewinnen gesucht. So z.B. bedienen sich manche eines kleinen Brettchens.

Korb wie Brettchen können nur unter dem Einfluss gewisser Personen in Bewegung gesetzt werden, die in dieser Beziehung mit einer speziellen Fähigkeit ausgestattet sind und die man als Medien, d. h. Mittel, Vermittler zwischen den Geistern und den Menschen bezeichnet. Die Bedingungen, die diese spezielle Fähigkeit auslösen, beruhen auf physiologischen und moralischen Ursachen, die bis jetzt nur unvollkommen bekannt sind. Denn man findet Medien jedes Alters, jedes Geschlechtes und auf allen intellektuellen Entwicklungsformen. Übrigens kann die Fähigkeit durch Übung weiter entwickelt werden.

V

Im Laufe der Zeit hat man festgestellt, dass Körbchen wie Brettchen tatsächlich nur eine Verlängerung der Hand bildeten. Da nahm das Medium den Bleistift direkt in die Hand und begann unter einem unwillkürlichen fast fieberhaften Impuls zu schreiben. Auf diese Weise erfolgten die Mitteilungen geschwinder, leichter und vollständiger. Heutzutage ist diese Methode die verbreitetste, um so mehr, als die Zahl der mit dieser mediumistischen Fähigkeit begabten Personen eine sehr beträchtliche ist und sich alle Tage mehrt. Die Erfahrung führte zur Konstatierung mehrerer anderer Varietäten der mediumistischen Befähigung. Es ergab sich, dass Mitteilungen der gleichen Art auch mittels Wort, Gehör, Sehen, Berühren usw. ja selbst durch direkte Schrift der Geister, d. h. ohne Zutun der Hand des Mediums oder eines Bleistiftes erfolgen können.

Nach der Feststellung dieser Tatsachen blieb noch ein wesentlicher Punkt zu klären, nämlich die Frage nach der Rolle des Mediums bei diesen Antworten und dem Anteil, den es möglicherweise auf mechanischem und moralischem Weg daran nimmt. Zwei hochwichtige Umstände, die einem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen dürften, können zur Lösung der Frage führen. Der erste Punkt ist die Art und Weise, wie sich das Körbchen unter dem Einfluss des Mediums bewegt, nämlich durch das bloße Auflegen der Finger auf den Rand. Nähere Untersuchung ergibt hierbei die Unmöglichkeit irgendwelcher Leitung oder Führung. Offenkundig zeigt sich namentlich diese Unmöglichkeit, wenn zwei oder drei Personen sich zugleich an das gleiche Körbchen setzen; es müsste dann eine wahrhaft phänomenale Übereinstimmung der Bewegung stattfinden, sowie eine Übereinstimmung der Gedanken, um sich bezüglich der auf die gestellte Frage zu gebenden Antwort zu verständigen. Eine andere, nicht weniger merkwürdige Tatsache vermehrt die Schwierigkeit; es ist dies die gründliche Änderung der Schrift je nach dem sich kundgebenden Geist. So oft der gleiche Geist wiederkommt, findet sich auch seine Schrift wieder ein. Das Medium müsste also darin geübt sein, seine eigene Schrift in zwanzig verschiedenen Weisen zu ändern und müsste sich vor allem auch der erinnern, die diesem oder jenem Geist angehört.

Der zweite Umstand bezieht sich direkt auf die Beschaffenheit der Antworten, welche in der Regel, namentlich, wenn es sich um abstrakte oder wissenschaftliche Fragen handelt, notorisch über die Kenntnisse und manchmal sogar über die intellektuelle Fassungskraft des Mediums hinausgehen. Übrigens hat letzteres von dem, was unter seinem Einfluss geschrieben wird, gewöhnlich kein Bewusstsein. Oft versteht oder begreift es die gestellte Frage gar nicht, die ja möglicherweise auch in einer dem Medium fremden Sprache formuliert ist oder nur innerlich gedacht wird. Oft tritt auch der Fall ein, dass das Körbchen aus eigenem Antrieb ohne vorausgegangene Frage über irgendein beliebiges, ganz unerwartetes Thema schreibt.

In gewissen Fällen tragen diese Antworten einen solchen Stempel von Weisheit, Tiefe und Angemessenheit, enthüllen so hohe, so erhabene Gedanken, dass sie nur von einer höheren Intelligenz, die von sehr reiner Moral durchdrungen ist, ausgehen können; andere Male sind sie so leichtfertig, frivol, ja sogar trivial, dass die Vernunft sich gegen die Annahme sträubt, dass sie aus der gleichen Quelle hervorgehen. Diese Verschiedenheit der Sprache kann nur in der Verschiedenheit der sich kundgebenden Intelligenzen ihre Erklärung finden. Stehen diese Intelligenzen in der Menschheit oder außerhalb derselben? Dieser Punkt ist aufzuklären: Das gegenwärtige Buch gibt eine vollständige Erklärung dafür, wie sie von den Geistern selbst gegeben wurde.

Wir haben es hier also mit offenkundigen Wirkungen zu tun, die außerhalb unseres gewohnten Beobachtungskreises liegen, Wirkungen, die keineswegs in geheimnisvoller Weise, sondern bei hellem Tageslicht und für jedermann zugänglich und nachweislich vor sich gehen und keineswegs das Privileg eines einzigen Individuums sind, sondern von Tausenden Tag für Tag wiederholt werden. Natürlicherweise haben diese Wirkungen eine Ursache, und mit dem Augenblick, wo sie uns die Tätigkeit einer Intelligenz und eines Willens enthüllen, verlassen sie das Gebiet des rein physischen Geschehens.

Man hat in dieser Beziehung mehrere Theorien aufgestellt; wir werden sie sofort untersuchen und prüfen, ob sie alle beobachteten Tatsachen begründen und erklären. Nehmen wir vorläufig einmal die Existenz von Wesen an, die einer anderen Kategorie angehören als die Menschen, wie die sich offenbarenden Wesen selbst bezeugen und sehen wir, was sie uns mitzuteilen wissen.

VI

Die Wesen, die sich in dieser Weise mitteilen, bezeichnen sich, wie wir bereits erwähnt haben, mit dem Namen „Geister“ oder „Genien“, sowie insbesondere als Wesen, die zum Teil wenigstens als Menschen auf der Erde gelebt haben. Sie bilden die geistige Welt, wie wir während unseres Lebens die körperliche Welt bilden.

Wir fassen hier in aller Kürze die charakteristischen Punkte der von ihnen mitgeteilten Lehre zusammen, um mit größerer Leichtigkeit auf gewisse Einwendungen antworten zu können.

»Gott ist ewig, unwandelbar, immateriell, einzig, allmächtig, allgerecht und allgütig.«

»Er hat das Universum erschaffen, welches alle belebten und unbelebten Wesen, materielle wie immaterielle, umfasst.«

»Die materiellen Wesen bilden die sichtbare Welt, die Körperwelt, die immateriellen Wesen die unsichtbare Welt, die Geisterwelt.«

»Die geistige Welt ist die normale, ursprüngliche, ewige Welt, die vor Allem gewesen ist und Alles überdauern wird.«

»Die Körperwelt ist nur sekundär; sie könnte aufhören zu existieren, ja brauchte nie existiert zu haben, ohne die Wesenheit der geistigen Welt zu verändern.«

»Die Geister legen auf Zeit eine vergängliche, materielle Hülle an, deren Zerstörung – das, was man gewöhnlich Tod nennt – sie wieder in Freiheit setzt.«

»Unter den verschiedenen Arten körperlicher Wesen ist nach göttlicher Bestimmung die Ordnung „Mensch“ zur Einverleibung solcher Geister bestimmt, die bis zu einer gewissen Stufe der Entwicklung gelangt sind. Dies verleiht dem Menschen die moralische und intellektuelle Überlegenheit über die übrigen Ordnungen.«

»Die Seele ist ein einverleibter Geist; wobei der Körper nur die Hülle ist.«

»Es gibt im Menschen drei Bestandteile, er besteht aus:

1. dem Körper oder dem materiellen Wesen, das den Tieren entspricht und durch das gleiche Lebensprinzip belebt wird;

2. der Seele oder dem immateriellen Wesen, dem in den Körper einverleibten Geist;

3. dem Band, welches Seele und Körper eint, dem zwischen Materie und Geist vermittelnden Prinzip.

Demnach hat der Mensch zwei Naturen: seinem Körper nach nimmt er an der Natur der Tiere teil, deren Instinkte er besitzt; mittels seiner Seele nimmt er an der Natur der Geister teil.«

»Das Band oder der Perispirit, welches Körper und Geist vereint, ist eine Art halbmaterieller Hülle. Der Tod ist die Zerstörung der gröbsten Hülle, der Geist bewahrt aber die zweite, die für ihn einen ätherischen Körper bildet, welcher zwar für uns im normalen Zustand unsichtbar ist, den er jedoch gelegentlich sichtbar, ja selbst fühlbar machen kann, wie dies bei dem Phänomen der Geistererscheinungen zu beobachten ist.«

»Der Geist ist also keineswegs ein bloß abstraktes, unbestimmtes, reinweg nur gedachtes Wesen: nein, er ist ein wirkliches, fest bestimmtes Wesen, das in gewissen Fällen durch See-, Gehör- und Tastsinn erfassbar wird.«

»Die Geister gehören verschiedenen Klassen an und sind weder an Macht, noch an Intelligenz, noch an Wissen, noch an Moral einander gleich. Die Geister erster Ordnung sind die höheren Geister, die sich von den anderen durch ihre Vollkommenheit, ihre Kenntnisse, ihrer Nähe zur Gott, durch die Reinheit ihrer Empfindungen und ihre Liebe zu Guten auszeichnen: es sind dies die Engel oder reinen Geister. Die anderen Klassen entfernen sich immer mehr von dieser Vollkommenheit; die auf den unteren Rangstufen stehenden Geister haben die meisten der menschlichen Laster: Hass, Neid, Eifersucht, Stolz u.s.w.. Sie gefallen sich im Bösen. Auch gibt es unter ihnen solche, die weder besonders gut, noch besonders schlecht sind. Mehr Störenfriede und neckische Unruhestifter, als eigentlich boshaft, ist Schelmerei und Leichtfertigkeit ihr Naturerbteil: dies sind als die flatterhaften oder leichtsinnigen Geister bezeichnet.«

»Die Geister gehören nicht für alle Zeit zu derselben Ordnung. Sie erheben sich nach und nach und steigen auf der geistigen Leiter immer mehr empor. Diese Besserung findet durch die Inkarnation statt: für die Einen als Sühne, für die Anderen als Mission auferlegt. Das materielle Leben ist eine Prüfung, welche die Geister zu wiederholten Malen zu bestehen haben, bis sie zum höchsten Grad der Vollkommenheit gelangt sind. Es ist dies für sie eine Art Siebtuch oder Läuterungsapparat, aus dem sie mehr oder minder geläutert hervorgehen.«

»Beim Verlassen des Körpers kehrt die Seele in die Welt der Geister zurück, von der sie ausgegangen ist, um nach Ablauf längerer oder kürzerer Zeit, während welcher sie sich im Zustand eines „Wandelgeistes“ befindet, eine neue materielle Existenz zu beginnen.«

»Da der Geist durch mehrere Inkarnationen hindurch gehen muss, so ergibt sich, dass wir alle mehrere Existenzen hinter uns haben und dass wir noch andere, mehr oder weniger vollkommene haben werden, sei es hier auf Erden, sei es auf anderen Welten.«

»Die Inkarnation der Geister findet stets in der Ordnung „Mensch“ statt. Es wäre irrtümlich zu glauben, dass die Seele oder der Geist sich in ein Tier inkarnieren könne.«

»Die verschiedenen materiellen Existenzen des Geistes sind immer vorwärts schreitende, nie rückwärts schreitende; aber die Geschwindigkeit des Fortschritts hängt von den Anstrengungen ab, welche wir machen, um die Vollkommenheit zu ergelangen.«

»Die Eigenschaften der Seele sind die des Geistes, der in uns inkarniert ist; so ist der tugendhafte Mensch die Inkarnation oder Verkörperung eines guten Geistes, der bösartige Mensch die eines unreinen Geistes.«

»Die Seele hatte ihre Individualität vor ihrer Inkarnation: sie behält sie nach der Trennung vom Körper.«

»Bei ihrer Rückkehr in die geistige Welt findet die Seele alle die wieder, welche sie auf Erden gekannt hat, und alle ihre früheren Existenzen stellen sich nach und nach mit der Erinnerung an ihre guten und schlechten Taten wieder im Gedächtnis ein.«

»Der inkarnierte Geist steht unter dem Einfluss der Materie: der Mensch, welcher diesen Einfluss durch Erhebung und Läuterung der Seele überwindet, nähert sich den guten Geistern, zu denen er einmal gehören wird. Wer sich durch schlechte Leidenschaften beherrschen lässt und alle Freuden in der Befriedigung grober Begierden sucht, nähert sich dagegen den unreinen Geistern, weil er der animalischen Natur das Übergewicht einräumt.«

»Die inkarnierten Geister bewohnen die verschiedenen Himmelskörper im Universum.«

»Die nicht inkarnierten Geister, „die Wandelgeister“, bewohnen keine bestimmte und begrenzte Gegend im Weltraum; sie finden sich überall im Raum, an unserer Seite uns betrachtend und unaufhörlich umdrängend. Es ist dies eine ganze, unsichtbare Bevölkerung, die um uns herum lebt und webt.«

»Die Geister üben auf die moralische Welt, ja selbst auf die physische Welt einen unablässigen Einfluss aus; sie wirken auf den Stoff wie auf den Gedanken und bilden eine besondere Naturkraft, welche seltsame Naturerscheinungen darstellt, die ihre rationelle Lösung erst jetzt im Spiritismus finden.«

»Die Beziehungen der Geister zu den Menschen sind konstant. Die guten Geister regen uns zum Guten an, halten uns in den Prüfungen des Lebens aufrecht und helfen diese mit Mut und Entsagung zu ertragen. Die üblen Geister regen uns zum Bösen an: es gewährt ihnen Genuss, uns erliegen zu sehen und uns ihrem eigenen Wesen zu assimilieren.«

»Die Kommunikation der Geister zu den Menschen sind verborgene oder offen zu Tage liegende. Die Verborgenen zeigen sich in dem guten oder schlechten Einfluss, den sie auf uns ohne unser Wissen üben. Es ist Sache unseres Urteils, die guten oder schlechten Eingebungen zu unterscheiden. Die offen zu Tage liegenden Kommunikationen werden durch Schrift, Wort oder sonstige materielle Kundgebungen erlangt, meist durch Vermittlung der Medien, die ihnen als Instrument dienen.«

»Die Geistermanifestationen sind spontane oder hervorgerufene. Im Allgemeinen kann man alle Geister anrufen: sowohl die, welche dunkle Gestalten belebten, wie auch Geister der berühmtesten Persönlichkeiten, in welcher Epoche sie auch gelebt haben mögen; die Geister unserer Eltern und Freunde, wie unserer Feinde: wir können von ihnen auf schriftlichem oder mündlichem Weg Rat, Belehrung über ihre Lage im Jenseits, über ihre Gedanken, die sie über uns haben, sowie Enthüllungen erlangen, soweit sie solche uns machen dürfen.«

»Die Geister werden nach dem Maß der Sympathie, welche sie dem Kreis der Anrufenden entgegenbringen, angezogen. Höhere Geister suchen mit Vorliebe seriöse Vereinigungen auf, wo Liebe zur Tugend und der aufrichtige Wunsch nach Belehrung und moralischer Besserung herrscht. Ihre Gegenwart verdrängt die niederen Geister, die bei frivolen, von bloßer Neugier geleiteten Personen freien Zugang finden und hier in voller Aktionsfreiheit ihr Wesen treiben, sowie überall dort, wo schlechte Instinkte vorherrschen. Weit entfernt davon, gute Ratschläge und nützliche Winke zu erhalten, darf man in diesem Fall nur auf Nichtigkeiten, Lügen, schlechte Witze und Mystifizierungen rechnen, da sie vielfach renommierte Namen nennen um das Falsche besser einflössen zu können.«

»Die Unterscheidung zwischen guten und bösen Geistern ist keineswegs schwierig. Die Sprache des höheren Geistes ist unter allen Umständen würdig, edel und trägt die Signatur höchster Moral, die frei von jeder niederen Leidenschaft ist. Ihre Ratschläge atmen reinste Weisheit und bezwecken stets unsere Besserung und das Wohl der Menschheit. Die Ausdrucksweise der niederen Geister ist hingegen inkonsequent, oft alltäglich, nicht selten auch ungeschliffen. Wenn sie auch hin und wieder Gutes und Wahres sagen, so sagen sie noch häufiger Falsches und Abgeschmacktes aus Bosheit oder Unkenntnis. Sie treiben mit der Leichtgläubigkeit ihr Spiel und vergnügen sich auf Kosten derer, die sie fragen, indem sie der Eitelkeit schmeicheln und trügerische Hoffnungen erwecken. Mit einem Wort – seriöse Mitteilungen in des Wortes bester Bedeutung erhält man nur in seriösen Kreisen, in solchen, wo die Mitglieder untereinander durch eine innige, geistige Gemeinschaft die Gedanken auf das Gute richten.«

»Die Moral der höheren Geister findet sich im Gebot Christi zusammengefasst: „Wir sollen gegen die anderen so handeln, wie wir wünschen, dass die anderen gegen uns handeln.“ Das heisst, Gutes zu tun und nicht das Böse. In diesem Prinzip findet der Mensch eine allgemeingültige Richtschnur für sein Verhalten bis in die geringsten Details.«

»Weiter lehren die höheren Geister, dass Egoismus, Stolz, Sinnlichkeit, diejenigen Leidenschaften sind, die uns zumeist an den Stoff binden und so der tierischen Natur nähern. Der Mensch, der schon hier auf Erden durch Verachtung weltlicher Nichtigkeiten und durch Nächsenliebe sich von der Materie frei macht, nähert sich der geistigen Natur. Deshalb soll jeder von uns mit seinen Fähigkeiten, sowie mit seinen Mitteln, die Gott zu seiner Prüfung in seine Hände gelegt hat, nützlich machen. Sie unterweisen uns, dass der Starke und Mächtige die Stütze und der Schutz des Schwachen sein soll denn der, welcher Kraft und Mut missbraucht, um Seinesgleichen zu unterdrücken, übertritt das göttliche Gesetz.Weiter lehren sie, dass, da in der geistigen Welt nichts verborgen bleiben kann, der Heuchler, samt allen seinen schimpflichen Handlungen entlarvt sein wird, dass die unvermeidliche, endlose Gegenwart derer, gegen welche wir uns vergangen haben, eine der unser wartenden Strafen ist und dass je nach der niederen und höheren Stellung der Geister gewisse Strafen und Belohnungen zugemessen werden, die auf Erden unbekannt sind.«

»Endlich aber lehren sie uns, dass es keine Fehltritte gibt, die nicht wieder gutzumachen wären, die nicht gesühnt werden könnten. Das Mittel hierzu findet der Mensch in den verschiedenen Existenzen, die ihm je nach seinem Wunsch und seiner Anstrengung das Fortschreiten auf der Straße der Vollkommenheit ermöglichen seinem letzten Endziel.«

Das ist eine kurze Zusammenfassung der spiritistischen Lehre, wie dieselbe sich aus der von höheren Geistern erteilten Unterweisung ergibt. Sehen wir uns jetzt einmal die Einwände an, die gegen sie erhoben werden.

VII

In den Augen vieler Leute ist die Opposition der gelehrten Körperschaften wenn nicht ein Beweis, so doch ein starker Vorbehalt gegen den Spiritismus. Wir gehören nicht zu denen, welche Zeter schreien über die Gelehrten und ihnen am liebsten den Garaus machen würden; ganz im Gegenteil achten wir sie hoch und würden uns geehrt fühlen, zu ihnen gezählt zu werden; indessen kann doch unter allen Umständen ihr Urteil kein unwiderrufliches sein.

Sobald die Wissenschaft aus der äußerlichen Beobachtung der Tatsachen heraustritt, sobald es sich darum handelt, diese Tatsachen zu würdigen und zu erklären, ist das Feld für die Vermutung weit geöffnet; da bringt denn ein jeder sein Systemchen mit, dem er Geltung verschaffen möchte und das er daher mit aller Leidenschaft aufrecht erhält. Sehen wir nicht täglich die widersprüchlichsten Ansichten der Reihe nach verherrlicht und dann wieder aufgegeben, bald als törichte Irrtümer zurückgewiesen, dann wieder als unbestreitbare Wahrheiten proklamiert? Die Tatsachen sind das wahre Kriterium für unser Urteil, sie sind der unwiderlegliche Beweis; wo Tatsachen fehlen, da ist der Zweifel die Meinung des Weisen.

Bei bekannten Dingen allerdings, erhebt die Ansicht der Gelehrten einen gerechten Anspruch auf Glaubwürdigkeit, weil sie tatsächlich mehr und besser wissen als das große Publikum; allein wo neue Prinzipien in Frage kommen, unbekannte Dinge der Erörterung harren, ist ihre Art und Weise zu sehen nur eine hypothetische, weil sie ebenso wenig als andere, von Vorurteilen frei sind. Ja, ich gehe so weit zu behaupten, dass der Gelehrte vielleicht mehr Vorurteile hat als ein anderer, weil eine natürliche Neigung ihn veranlasst, alles seinem eigenen Gesichtspunkt unterzuordnen, indem er sich ganz und gar heimisch fühlt; der Mathematiker erkennt nur in einer algebraischen Demonstration einen wirklichen Beweis, der Chemiker führt alles auf die Ursache der Elemente zurück. Jeder Mensch, der in irgend einem Fach ganz besonders zu Hause ist, klammert sich daran mit all seinem Denken; man führe ihn einmal auf ein anderes Gebiet, und er wird nicht selten dummes Zeug schwatzen, weil er eben alles in den selben Topf werfen will. Es ist dies einfach eine Folge menschlicher Schwäche. So wende ich mich denn gern und vertrauensvoll wegen einer Analyse an einen Chemiker, wegen der elektrischen Kraft an einen Physiker, wegen einer bewegenden Kraft an einen Mechaniker; allein dieselben Leute werden mir, ohne dass dies irgendwie der Achtung Eintrag tut, auf welche sie um ihr spezifisches Wissen willen Anspruch haben – aber sie erlauben mir in Sachen des Spiritismus ihrem negativen Urteil nicht in gleichem Mass Rechnung zu tragen, ebenso wenig als für mich das Urteil eines Architekten über eine musikalische Frage maßgebend ist.

Die gewöhnlichen Wissenschaften beruhen auf den Eigenschaften des Stoffes, den man nach Belieben experimentell behandeln kann; die spiritistischen Phänomene beruhen auf der Wirkung von Intelligenzen, die ihren freien Willen haben und uns immer beweisen, dass sie nicht zur Befriedigung unserer Launen zu haben sind. Die Beobachtungen können daher nicht in derselben Weise angestellt werden; sie verlangen besondere Bedingungen und einen anderen Ausgangspunkt; wollte man sie unseren gewöhnlichen Experimentiermethoden unterwerfen, so würde man genötigt sein, Analogien anzunehmen, die gar nicht bestehen.

Die klassische Wissenschaft ist als solche bei der Entscheidung über die Frage des Spiritismus inkompetent: sie hat sich damit nicht zu beschäftigen und ihr Urteil – gleichgültig, ob dasselbe günstig oder ungünstig lautet – kann von keiner Wichtigkeit sein. Der Spiritismus ist das Resultat einer persönlichen Überzeugung, welche die Gelehrten ganz abgesehen von ihrer Eigenschaft als Gelehrte haben können; wollte man dagegen die Frage der Wissenschaft ganz überweisen, so könnte man ebenso gut die Frage, ob die Seele existiert, in einer Versammlung durch eine Mehrheit von Physikern oder Chemikern entscheiden lassen; in der Tat beruht ja der Spiritismus ganz und gar auf der Existenz der Seele und ihrem Zustand nach dem Tod; nun ist es aber doch im höchsten Grad unlogisch zu denken, ein Mensch müsse ein großer Psychologe sein, weil er ein großer Mathematiker oder ein großer Anatom ist. Der Anatom zerschneidet den menschlichen Körper und sucht nach der Seele, und weil er sie unter seinem Messer nicht findet, wie er etwa einen Nerv findet und weil er sie nicht wie ein Gas sich verflüchtigen sieht, so schließt er auf ihre Nichtexistenz, weil er einen exklusiv materiellen Gesichtspunkt einnimmt; folgt denn aber daraus, dass er der allgemeinen Annahme gegenüber recht hat? Nein! Hieraus ergibt sich, dass der Spiritismus gar nicht vor das Forum der klassischen Wissenschaft gehört. Wenn die spiritistischen Lehren im Volk verbreitet sind, wenn sie von den Massen angenommen sein werden – und diese Zeit dürfte bei der Geschwindigkeit, mit der sie sich verbreiten, nicht mehr allzu fern sein – so wird es damit ebenso stehen, wie mit allen neuen Anschauungen, die anfänglich auf Widerstand stießen. Die Gelehrten werden sich dem Offensichtlichen fügen; sie werden persönlich durch die Macht der Tatsachen dahin geführt werden. Bis jetzt ist es noch nicht an der Zeit, die Wissenschaftler von ihren Spezialarbeiten abzulenken und zur Beschäftigung mit etwas Unbekanntem zu drängen, das weder zu ihren Attributen noch zu ihrem Programm gehört. Inzwischen vergessen die, welche ohne vorgängiges, gründliches Studium des Gegenstandes ein negatives Urteil fällen und jeden, der nicht Ihrer Ansicht ist, verhöhnen, einen Punkt, nämlich den, dass bei der Mehrzahl der großen, die Menschheit ehrenden Entdeckungen schon Ähnliches vorgekommen ist; sie setzen sich der Gefahr aus, dass ihre Namen die Liste der berüchtigten Verfolger neuer Ideen vermehren und neben den Mitgliedern der gelehrten Versammlung prangen, die im Jahre 1752 mit schallendem Gelächter den Bericht Franklins über Blitzableiter begrüßten und eine Aufnahme desselben in die Register der Eingänge verweigerte: sie laufen Gefahr, dem zu gleichen, der Frankreich um die Ehre betrogen hat, bei Anwendung der Dampfkraft zu Navigationszwecken die Initiative ergriffen zu haben und das System Fultons für eine unrealistische Träumerei erklärte. Und doch waren dies alles Fragen, die vor das Forum der Gelehrten gehörten. Wenn also jene Körperschaften, welche die Elite der Gelehrtenwelt zu den ihrigen zählten, nur Spott und Hohn für Ideen gehabt haben, die sie nicht begriffen, Ideen, welche einige Jahre später die Wissenschaft, Sitten und Industrie durchgreifend verändern sollten, wie darf man hoffen, dass eine, ihren Arbeiten fremde Frage, mehr Gunst erhalten soll?

Irrtümer Einzelner, die um der Irrenden selbst willen bedauerlich sind, können natürlich anderweitige Verdienste nicht schmälern; allein bedarf es denn eines offiziellen Examenzeugnisses, um gesunden Menschenverstand zu haben und gibt es denn nur Dumme und Schwachköpfe außerhalb der akademischen Lehrstühle? Man werfe doch einmal die Augen auf die Anhänger der spiritistischen Lehre und frage sich, ob man hier wirklich nur Ignoranten begegnet und ob die gewaltige Anzahl hochverdienter Menschen, die sich zu ihr bekennen, es erlaubt, die Lehre als Ausgeburt bornierten Aberglaubens zu qualifizieren. Ihr Charakter und Wissen verdienen es doch wohl, dass man sich sagt: „Wenn solche Menschen die Sache bestätigen, so muss doch wohl etwas Wahres daran sein.“

Noch einmal wiederholen wir, dass, wenn die uns beschäftigenden Tatsachen innerhalb der mechanischen Körperbewegung geblieben wären, die Untersuchung über die physische Ursache des Phänomens der Wissenschaft zufallen müsste; jedoch sobald es sich um eine Kundgebung außerhalb der Gesetze der Menschheit handelt, tritt die Untersuchung aus dem Rahmen der materiellen Wissenschaft heraus, denn sie kann dann weder ziffernmäßig noch auf mechanischem Weg zum Ausdruck gelangen. Sobald sich eine neue Tatsache vor uns erhebt, die keiner der bekannten Wissenschaften zugewiesen werden kann, muss der Gelehrte zu ihrem Studium von seiner Wissenschaft ganz absehen, er muss sich sagen, dass dies für ihn ein ganz neues Studium ist, an das er mit vorgefassten Ideen nicht herangehen darf.

Der Mensch, der seine Vernunft für unfehlbar hält, steht nahe am Irrtum, stützen sich doch sogar solche, welche die grundfalschesten Vorstellungen haben, auf ihre Vernunft: auf diesem Boden stehend weisen sie alles ab, was ihnen unmöglich erscheint; was man Vernunft nennt, ist oft nur halbverhüllter Hochmut, und wer sich für unfehlbar hält, will sich Gott gleichsetzen. Wir wenden uns also an solche Leute, welche klug genug sind, an dem zu zweifeln, was sie nicht gesehen haben und die von der Vergangenheit auf die Zukunft schließend, sich von dem Wahnglauben fern halten, als wäre der Mensch auf dem Höhepunkte der Entwicklung angelangt, als habe Mutter Natur für ihn die letzte Seite ihres Buches bereits umgewendet.

VIII

Fügen wir gleich hinzu, dass das Studium einer Lehre, wie es die spiritistische ist, die uns mit einem Mal mitten in eine Reihe so neuer und großer Dinge hinein drängt, mit Erfolg nur von ernsten, festen, vorurteilsfreien Leuten vorgenommen werden kann, die von dem festen aufrichtigen Wunsch geleitet sind, zu einem Resultat zu gelangen. Wir können diese Qualifikation nicht solchen zugestehen, die a priori, leichtfertig ohne vorgängige experimentelle Arbeiten urteilen oder solchen, die ihren Studien weder Ordnung, noch Regelmäßigkeit, noch die nötige innere Sammlung widmen. Noch weniger aber, dürfen wir sie bei gewissen Leuten annehmen, die, um ja den Nimbus des Geistreichen nicht zu verlieren, alle Kräfte aufbieten, um Dingen, eine burleske Seite abzugewinnen, die in voller Wahrheit bestehen oder von Personen als solches gelten, deren Wissen, Charakter und Überzeugung die Achtung eines jeden beanspruchen, der auf der Pflege eines guten gesellschaftlichen Tones noch einigen Wert legt. Mögen also immerhin solche, welche die Tatsachen des Spiritismus mit ihrer persönlichen Würde nicht vereinbaren zu können glauben, von der Sache fern bleiben! Keinem Menschen kommt es bei, ihrem Glauben Gewalt anzutun: nun denn, so mögen sie auch den Glauben anderer achten.

Ein wirklich ernsthaftes Studium charakterisiert sich durch Ordnung und Beharrlichkeit. Ist es denn zu verwundern, dass man auf an und für sich ernste Fragen keine Antwort erhält, wenn diese nur so aufs Geratewohl wie aus der Pistole geschossen inmitten einer Menge alberner Fragen hingeworfen werden?

Übrigens ist eine Frage ja oft verwickelt und verlangt zur vollen Klarstellung vorausgehende oder ergänzende Fragen. Jedermann, der sich ein Wissen zu Eigen machen will, muss ein methodisches Studium mitbringen, er muss mit dem Anfang beginnen und der Verkettung und Entwicklung der Ideen folgen. Wer aufs Geratewohl an einen Gelehrten eine Frage über eine Wissenschaft richtet, von der er keine Silbe weiß, wird schwerlich durch die Antwort eine erhebliche Förderung erfahren. Wird der Gelehrte trotz des besten Willens im Stand sein, ihm eine befriedigende Antwort zu geben? Seine herausgerissene Antwort wird notgedrungen unvollständig und oft aus diesem Grund sogar unverständlich sein, ja kann sogar den Anschein des absurden und Widerspruchsvollen haben. Ganz dasselbe ist der Fall bei unseren Beziehungen zu den Geistern. Will man sich in ihrer Schule unterrichten, so muss man unter ihrer Leitung einen richtigen Kursus durchnehmen; aber man muss, gerade wie unter Menschen, seine Lehrer wählen und dann mit hingebendem Fleiß arbeiten.

Wir haben bereits gesagt, dass höhere Geister nur in ernsthafte Vereinigungen gehen, namentlich in solche, in denen eine vollkommene Gedankengemeinschaft herrscht und die Teilnehmer nach dem Guten streben. Leichtfertigkeit und müßige Fragen entfernen sie, wie auch unter den Menschen hierdurch vernünftige Leute sich abgestoßen fühlen; dann bleibt das Feld dem Schwarm der Lügengeister und leichtfertigen Geister geöffnet, die immer auf die Gelegenheit warten über uns zu spotten und sich auf unsere Kosten zu belustigen. Was wird nun in einer solchen Vereinigung aus einer ernsthaften Frage? Sie wird beantwortet, aber von wem? Es ist dies gerade so, als ob man inmitten einer Schar lustiger Gesellen Fragen von der Art aufwerfen wollte. „Was ist die Seele? Was ist der Tod?“ und ähnliche Dinge. Will man ernsthafte Antworten, so sei man selbst ernst in des Wortes voller und ganzer Bedeutung. Man versetze sich in die verlangten Bedingungen. So erst wird man Großes erlangen. Man sei tätig, rührig und beharrlich im Arbeiten: sonst lassen höhere Geister den Lernenden im Stich; gerade wie es unter Menschen ein Lehrer mit seinen nachlässigen Schülern macht.

IX

Die Bewegung der Gegenstände ist eine feststehende Tatsache: die Frage ist nur die, ob man in dieser Bewegung eine intelligente Manifestation oder nicht zu erblicken hat und im Falle der Bejahung, welches die Quelle dieser Manifestation ist.

Wir sprechen nicht von einer intelligenten Bewegung gewisser Gegenstände, weder von den Wortmitteilungen, noch von solchen Mitteilungen, die direkt durch das Medium geschrieben werden; derartige Kundgebungen, welche übrigens für alle, welche gesehen und gründlich überlegt haben, über alle Zweifel erhaben sind, scheinen beim ersten Anblick doch mit dem individuellen Willen des Mediums in einem gewissen Zusammenhang zu stehen und brauchen daher nicht notwendig einen Neuling zu überzeugen. Wir wollen also nur von der Schrift sprechen, welche mit Hilfe irgend eines beliebigen, mit einem Bleistift in Verbindung gesetzten Gegenstandes erlangt wird, wie z.B. eines Körbchens, Brettchens u.s.w.. Die Art und Weise, in welcher die Finger des Mediums auf den Gegenstand gelegt werden, ist eine solche, dass die vollendetste Geschicklichkeit unvermögend sein würde, beim Zeichnen der Schriftcharaktere etwas von dem eigenen hinzu zu tun. Nehmen wir aber auch an, das Medium könne durch eine wunderbare Fertigkeit das schärfste Forscherauge täuschen, wie soll man die Beschaffenheit der Antworten sich erklären, die ganz außerhalb der Vorstellungen und Kenntnisse des Mediums liegen? Und dabei wolle man beachten, dass es sich dabei nicht um einsilbige Antworten handelt, sondern oft um mehrere Seiten, die mit erstaunlicher Geschwindigkeit, sei es frei, sei es über einen bestimmten Gegenstand, niedergeschrieben werden; unter der Hand eines Mediums, das von schöner Literatur nichts versteht, entstehen manchmal Gedichte von tadelloser Erhabenheit und Reinheit, welche die besten Dichter unter den Menschen gern als ihre Geisteskinder erkennen würden. Was diese Tatsachen aber noch seltsamer erscheinen lässt, ist der Umstand, dass sie überall vorkommen und dass die Medien sich ins Unendliche mehren. Sind diese Tatsachen wirklich oder nicht? Hierauf haben wir nur Eins zu antworten: Man sehe und beobachte! An Gelegenheit wird es nicht fehlen: vor allem aber, beobachte oft, lange und unter den verlangten Bedingungen.

Was antworten nun die Gegner der offensichtlichen Gewissheit gegenüber? Ihr seid, heißt es, die Opfer des Scharlatanismus oder der Spielball einer Illusion. Zuerst sei bemerkt, dass das Wort Scharlatanismus da aus dem Spiel bleiben muss, wo es nichts zu verdienen gibt: die Scharlatane treiben ihr Geschäft eben nicht gratis. Es könnte sich also höchstens um eine Mystifikation handeln. Allein durch welches wundersame Zusammentreffen hätten sich die Mystifizierenden von einem Ende der Welt bis zum andern verständigt, um übereinstimmend zu handeln, die gleichen Manifestationen hervorzubringen und über die gleichen Gegenstände in den verschiedenen Sprachen, wenn nicht den Worten, so doch dem Sinn nach identische Antworten zu geben? Wie sollten sich ernste, würdige, hochachtbare und gelehrte Männer zu derartigen Manövern hergeben, und zu welchem Zweck sollten sie es? Wie könnte man bei Kindern die nötige Geduld und Geschicklichkeit finden? Denn wenn die Medien nicht passive Werkzeuge sind, müssten sie eine mit einem gewissen Alter und gewissen sozialen Stellungen unverträgliche Geschicklichkeit besitzen.

Weiter fügt man hinzu, dass, wenn wirklich ein Betrug nicht vorliegen sollte, man ja das Opfer einer Selbsttäuschung sein könnte. Jeder gute Logiker wird einräumen, dass die Qualität der Zeugen von einem gewissen Gewicht ist. Nun wende man dieses auf den vorliegenden Fall an und frage sich, ob die spiritistische Lehre, die heute bereits ihre Anhänger nach Millionen zählt, diese etwa aus der Zahl der Unwissenden rekrutiert? Die Phänomene, auf welche sie sich stützt, sind so außerordentlich, dass wir den Zweifel begreiflich finden; was man aber nicht gutheißen kann, ist, dass gewisse Ungläubige auf das Monopol des gesunden Menschenverstandes Anspruch erheben und ohne Rücksicht auf gesellschaftlichen Anstand oder den moralischen Wert ihrer Gegner, alle als Schwachköpfe bezeichnen, die nicht ihrer Ansicht sind. In den Augen jedes einsichtigen Menschen wird die Ansicht aufgeklärter Leute, die etwas lange gesehen, studiert und überlegt haben, immer wenn nicht ein Beweis, so doch wenigstens eine gewisse Vermutung zu Gunsten des betreffenden Gegenstandes haben: ist derselbe doch im Stand gewesen, die Aufmerksamkeit ernster Menschen zu fesseln, die kein Interesse an der Verbreitung eines Irrtums, noch Zeit für nichtige Dinge haben.

X

Indessen gibt es unter diesen Einwäden auch einige, die auf den ersten Anblick wenigstens plausibel erscheinen, insofern sie sich auf Beobachtung stützen und von angesehenen Persönlichkeiten ausgehen.

Einer dieser Einwände stützt sich auf die Ausdrucksweise gewisser Geister, welche der erhabenen Würde nicht angemessen erscheint, die man bei übernatürlichen Wesen zuschreibt. Hält man sich indessen an die kurze Zusammenfassung der Lehre, wie wir sie vorhin gegeben haben, so wird sofort klar, dass die Geister selbst gar kein Hehl daraus machen, dass sie weder an Kenntnissen, noch an moralischen Eigenschaften einander gleich sind und dass man nicht alles, was sie sagen, buchstäblich nehmen darf. Es ist Sache Einsichtiger, auch hier zwischen Gut und Schlecht zu unterscheiden. Allerdings haben die, welche aus dieser Tatsache den Schluss ziehen, dass wir es hierbei nur mit boshaften Wesen zu tun haben, deren einzige Beschäftigung es sei, uns in die Irre zu leiten, keine Kenntnis von Mitteilungen, die in solchen Vereinigungen erfolgen, wo sich nur höhere Geister mitteilen; sonst würde ihr Urteil hierüber anders lauten. Es ist unangenehm, dass der Zufall ihnen hierbei einen Streich gespielt und ihnen nur die schlimme Seite der Geisterwelt gezeigt hat; denn wir wollen gern von der Annahme absehen, dass eine sympathische Neigung statt der guten Geister zur ihnen jene Lügengeister oder jene anzieht, die sich durch eine empörende grobe Ausdrucksweise auszeichnen. Höchstens ließe sich daraus schließen, dass sie nicht genügend feste moralische Grundsätze haben, um das Böse von sich fern zu halten und dass die bösen Geister, die Gefallen daran finden ihre Neugierde in dieser Hinsicht zu stillen, Vorteil ziehen und sich in ihre Gesellschaft einschleichen, während die Guten sich entfernen.

Wollte man aufgrund dieser Tatsachen über die Geisterfrage ein Urteil fällen, so wäre dies ebenso wenig logisch, als wenn man über den Charakter eines Volkes nach dem urteilen wollte, was in der Versammlung einiger bezechter Gesellen oder übelberufener Leute, in die sich kluge und verständige Menschen nie begeben, gesprochen und getrieben wird. Solche Menschen sind in der Lage eines Fremden, der durch die unsauberste Vorstadt einer großen Hauptstadt seinen Einzug hält und sämtliche Bewohner nach den Sitten und der Sprechweise dieses berüchtigten Viertels beurteilen wollte. Auch in der Welt der Geister gibt es eine gute und eine schlechte Gesellschaft. Möchten doch solche Leute recht ordentlich das studieren, was unter der Geisterelite vor sich geht, und sie werden bald überzeugt sein, dass die himmlische Gemeinde noch andere Elemente enthält, als die Hefe des Volkes. Aber, wenden sie ein, kommt denn jene Geisterelite in unsere Mitte? Hierauf erteilen wir ihnen folgende Antwort: „Bleibt nicht in der Vorstadt, seht, beobachtet und urteilt dann; die Tatsachen liegen für jedermann vor, es müssten denn solche sein, auf welche Jesus Worte Anwendung finden: „Sie haben Augen und sehen nicht; sie haben Ohren und hören nicht.“

Eine Variante dieser Ansicht besteht darin, dass man in den spiritistischen Mitteilungen und in allen materiellen Tatsachen, zu denen sie Anlass geben, nur die Intervention einer diabolischen Macht, einen neuen Proteus erblickt, der alle möglichen Gestalten annimmt, um uns besser zu täuschen. Wir halten sie einer ernsteren Kritik für unwert und wollen uns dabei nicht weiter aufhalten; was wir soeben gesagt haben, enthält auch die Widerlegung dieser Ansicht. Nur das Eine wollen wir hinzufügen, dass, wenn dem so wäre, man auch einräumen müsste, dass der Teufel manchmal recht weise, vernünftig und namentlich recht moralisch ist, oder dass es auch gute Teufel gibt.

Wie kann man in der Tat nur glauben, dass Gott es nur dem Geist des Bösen gestattet, sich mitzuteilen, um uns in die Irre zu leiten, ohne uns als Gegengewicht die Ratschläge der guten Geister zu geben? Wenn er es nicht kann, so ist dies ein Unvermögen; wenn er es kann und es nicht tut, so ist dies unverträglich mit seiner Güte; die eine wie die andere Unterstellung wäre eine Gotteslästerung. Man wolle beachten, dass die Anerkennung der Mitteilung böser Geister die Anerkennung des Prinzips der Manifestationen überhaupt in sich begreift. Nun aber können sie mit dem Augenblick, wo sie existieren, nur mit der Erlaubnis Gottes existieren; wie kann man glauben, dass er mit Ausschluss des Guten nur das Böse gestattet? Dies wäre geradezu Frevel und eine derartige Lehre würde den einfachsten Begriffen des gesunden Menschenverstandes und der Religion widerstreben.

XI

Kurios ist es, so lautet ein weiterer Einwand, dass immer nur von Geistern bekannter Persönlichkeiten die Rede ist. Die Frage liegt nahe, wie es kommt, dass nur sie sich mitteilen. Dies ist ein Irrtum, der, wie so viele andere, von oberflächlicher Beobachtung herrührt. Unter den Geistern, die aus eigenem Antrieb kommen, gibt es mehr Unbekannte als Berühmte: sie zeichnen unter irgendwelchem Namen, oft unter einem allegorischen oder charakteristischen Namen. Bezüglich solcher, die man ruft, wenn es nicht etwa ein Verwandter oder Freund ist, wendet man sich natürlich eher an bekannte, als unbekannte; der Name berühmter Personen macht einen bedeutenderen Eindruck, und darum fallen sie mehr auf.

Außerdem findet man es merkwürdig, dass die Geister hervorragender Menschen so ganz vertraulich zu uns kommen und sich bisweilen mit Dingen befassen, die im Vergleich zu ihren irdischen Taten unbedeutend sind. Niemand wird sich hierüber wundern, der es weiß, dass Macht und Ansehen, welche solche Menschen hier auf Erden genossen haben, ihnen keinerlei Anspruch auf einen höheren Rang in der Welt der Geister gewährt; in dieser Beziehung bestätigen die Geister die Worte des Evangeliums: Die Großen sollen erniedrigt werden und die Kleinen sollen erhöht werden, worunter man eben den Rang zu verstehen hat, den ein jeder von uns unter ihnen einnehmen wird. Auf diese Weise kann einer, der der Erste auf der Erde gewesen ist, sich in der geistigen Welt an letzte Stelle versetzt sehen; der, vor welchem wir zu seinen Lebzeiten das Haupt neigten, kann demnach wie der ärmste Handwerker zu uns kommen; denn da er die Erde verließ, so hat er auch seine ganze Größe zurückgelassen und der mächtigste Monarch steht vielleicht dort unter dem letzten seiner Soldaten.

XII

Eine durch die Beobachtung erwiesene, von den Geistern übrigens selbst bestätigte Tatsache ist die, dass niedere Geister sich oft bekannte und hochgeehrte Namen anmaßen. Wer kann uns denn versichern, dass die, welche z. B. Sokrates, Julius Cäsar, Karl der Große, Fénélon, Napoleon, Washington u. s. w. gewesen sein wollen, wirklich diese Persönlichkeiten belebt haben? Dieser Zweifel regt sich bei manchen begeisterten Anhängern der spiritistischen Lehre; sie lassen die Intervention und Manifestationen von Geistern wohl gelten, aber sie fragen sich, wie man ihre Identität kontrollieren kann. Und in der Tat ist diese Kontrolle sehr schwer zu üben: doch wenn man dabei auch nicht so authentisch wie bei einem bürgerlichen Akt verfahren kann, so lassen sich wenigstens nach bestimmten Indizien Mutmaßungen aufstellen.

Wenn sich der Geist jemandes, der uns persönlich bekannt ist, mitteilt, z. B. ein Verwandter oder ein Freund, so tritt namentlich, wenn der Tod vor Kurzem erfolgt ist, gewöhnlich der Fall ein, dass seine Sprache vollständig dem Charakter entspricht, den wir an ihm kannten; dies ist schon ein Identitätsindiz. Allein der Zweifel ist nahezu aufgehoben, wenn dieser Geist von Privatverhältnissen spricht, an Familienumstände erinnert, die nur dem anderen bekannt sind. Ein Sohn wird sich doch in der Sprechweise seines Vaters und seiner Mutter, es werden sich Eltern nicht in der Sprechweise ihres Kindes täuschen. Bei derartigen intimen Anrufen kommen oft ergreifende Dinge vor, die wohl im Stand sind, den Ungläubigsten zu überzeugen. Der verhärtetste Skeptiker wird oft von Enthüllungen entsetzt, die ihm unerwartet gemacht werden.

Es tritt nun aber noch ein anderweiter charakteristischer Umstand hinzu um die Identität zu stützen. Wir haben bereits bemerkt, dass die Schrift des Mediums in der Regel mit dem gerufenen Geist wechselt und dass diese Schrift genau dann wiederkehrt, wenn derselbe Geist sich wieder einfindet; was die vor Kurzem verstorbenen Personen anbelangt, so ist zu wiederholten Malen konstatiert worden, dass diese Schrift mit der Schrift der betreffenden Person bei Lebzeiten eine auffallende Ähnlichkeit zeigt; es sind Unterschriften von vollkommener Übereinstimmung vorgekommen. Übrigens sind wir weit davon entfernt, diese Tatsache als feststehende Regel zu bezeichnen; wir erwähnen sie nur als etwas Merkwürdiges.

Nur Geister, die bis zu einem gewissen Punkt der Läuterung gelangt sind, haben sich von jedem körperlichen Einfluss frei gemacht; sind sie jedoch nicht vollständig dematerialisiert – es ist dies der Ausdruck, dessen sie sich selbst bedienen – , so bewahren sie die meisten Vorstellungen, Neigungen, ja selbst Wunderlichkeiten, die sie auf Erden hatten. Auch dieses ist ein Mittel, sie wiederzuerkennen; aber man findet solche Mittel auch weiter noch in einer ganzen Menge Einzelheiten, die sich allein durch aufmerksame und anhaltende Beobachtung gewinnen lassen. Da kann man Schriftsteller beobachten, die ihre eigenen Werke und Lehren erörtern und gewisse Partien billigen oder verurteilen; andere Geister rufen, unbekannte oder wenig bekannte Umstände ihres Lebens beziehentlich ihres Todes oder sonstige Dinge in Erinnerung, welche allenfalls als moralische Identitätsbeweise gelten können, die einzigen, welche man ja in abstractis anrufen kann.

Kann demnach die Identität des gerufenen Geistes in gewissen Fällen vielleicht bis zu einem gewissen Punkt festgestellt werden, so liegt kein Grund vor, warum sie nicht auch in anderen festgestellt werden könnte, und wenn man bei Personen, deren Tod in ältere Zeit zurückgeht, nicht dieselben Kontrollmittel hat, so kann man sich doch wenigstens an Sprache und Charakter halten: denn der Geist eines tugendhaften Menschen wird nicht wie der eines schlechten oder liederlichen sprechen. Was die Geister anbelangt, welche sich mit hochachtbaren Namen aufputzen, so verraten sie sich bald durch Sprache und Maximen; einer, der sich für Fénélon z. B. ausgäbe und auch nur gelegentlich einmal die gesunde Vernunft und die Moral verletzte, würde sich schon dadurch als gewöhnlicher Betrüger bloßstellen. Sind dagegen die von ihm zum Ausdruck gebrachten Gedanken immer rein, widerspruchslos und der hohen Würde eines Fénélon durchaus entsprechend, so liegt kein Grund vor, an der Identität zu zweifeln; sonst müsste man annehmen, es könne ein Geist, der nur das Gute predigt, wissentlich und ohne allen Nutzen sich zur Lüge herabwürdigen.

Die Erfahrung lehrt, dass Geister derselben Stufe, desselben Charakters und derselben Gefühle sich zu Gruppen und Familien vereinigen; nun ist aber die Zahl der Geister unberechenbar und wir kennen sie lange nicht alle; die Mehrzahl von ihnen sind für uns sogar namenlos.

Ein Geist der Kategorie Fénélons kann daher an seiner Stelle und an seinem Platz kommen, oder er kann sogar von ihm ganz direkt und in seinem Auftrag geschickt werden. Er findet sich dann unter seinem Namen ein, weil er mit ihm identisch ist und ihn ersetzen kann, und weil wir einen Namen brauchen, um unseren Vorstellungen einen festen Halt zu geben. Was kommt es schließlich darauf an, ob ein Geist wirklich der Geist Fénélons ist oder nicht? Wenn er nur Gutes sagt und so spricht, wie Fénélon selbst gesprochen haben würde, so ist es ein guter Geist; der Name, unter welchem er sich zu erkennen gibt, ist gleichgültig und oft nur ein Mittel, um unseren Ideen einen Halt zu geben. Anders läge freilich die Sache beim Rufen innig mit uns verbundener Geister, allein gerade in diesem Fall kann, wie erwähnt, die Identität durch gewissermaßen offen zu Tage liegende Beweismittel festgestellt werden.

Übrigens muss man zugeben, dass diese Substitution der Geister den Anlass zu einer ganzen Menge von Missgriffen geben kann: es können Irrtümer und oft Foppereien hieraus entstehen: es ist dies unleugbar eine Schwierigkeit des praktischen Spiritismus; aber wir haben auch nie behauptet, dass diese Wissenschaft etwas Leichtes wäre oder man sie spielend erlernen könnte, ebensowenig als irgend eine andere Wissenschaft. Wir können es gar nicht oft genug wiederholen: sie verlangt ein ausdauerndes und oft sehr langwieriges Studium; da man die Tatsachen nicht hervorrufen kann, so muss man warten, bis sie sich von selbst einstellen, und dabei werden sie oft unter Umständen hervorgerufen, an welche man am wenigsten denkt. Für den aufmerksamen, geduldigen Beobachter sind die Tatsachen in Fülle vor handen, weil er tausend charakteristische Nuancen entdeckt, die für ihn wahre Lichtblicke sind. Ebenso ist es in den gewöhnlichen Wissenschaften; während der oberflächliche Mensch in einer Blume nur die elegante Form sieht, entdeckt der Gelehrte an ihr wahre Schätze für sein Nachdenken.

XIII

Obige Bemerkungen geben uns den Anlass, noch einige Worte über eine andere Schwierigkeit zu sagen, wir meinen die im sprachlichen Ausdruck der Geister bestehende Divergenz.

Da die Geister bezüglich ihrer Kenntnisse und ihrer Moral so überaus verschieden sind, so ist es offensichtlich, dass dieselbe Frage von ihnen in entgegengesetztem Sinn gelöst werden kann, je nach dem Rang, den sie einnehmen, genau als würde sie unter Menschen erst einem Gelehrten, dann einem Unwissenden oder einem Spaßvogel vorgelegt. Das Wesentliche ist, den zu kennen, an welchen man sich wendet.

Aber, wie kommt es, fügt man hinzu, dass Geister, welche anerkanntermaßen zu den höheren gehören, nicht immer ein und derselben Meinung sind? Zuerst müssen wir bemerken, dass ganz unabhängig von der soeben angedeuteten Ursache es noch andere Ursachen gibt, die einen unverkennbaren Einfluss auf das Wesen der Antworten üben, vollständig abgesehen von der Qualität der Geister. Es ist dies ein hochwichtiger Punkt, zu dessen Erklärung eingehenderes Studium erforderlich ist: aus diesem Grund sagen wir ja auch, dass spiritistische Studien eine anhaltende Aufmerksamkeit, eine gründliche Beobachtung, und überdies, wie ja alle menschlichen Wissenschaften, Ordnung und Beharrlichkeit verlangen. Jahre sind nötig, um einen mittelmäßigen Arzt, und drei Viertel eines Menschenlebens, um einen gelehrten Arzt zu machen: und hier will man die Wissenschaft des Unendlichen in einigen Stunden sich erwerben! Man täusche sich doch nicht: das Studium des Spiritismus ist ein unermessliches Feld; es berührt sich mit allen Fragen der Metaphysik und der sozialen Ordnung; es ist dies eine ganz neue Welt, die sich vor uns öffnet, und da staunt man noch, dass Zeit, viel Zeit erforderlich ist?

Übrigens ist der Widerspruch nicht immer so tatsächlich begründet, wie es den Anschein hat. Sehen wir nicht alle Tage, dass Menschen, welche die gleiche Wissenschaft vertreten, in der Definition irgendeiner Sache voneinander abweichen, sei es, dass sie verschiedene Ausdrücke anwenden, sei es, dass sie dieselbe unter anderem Gesichtspunkt betrachten, wenn auch der Grundgedanke immer derselbe ist? Man zähle nur einmal, wenn es möglich ist, die Zahl der Definitionen von „Grammatik“. Fügen wir noch bei, dass die Form der Antwort oft von der Form der Frage abhängt. Es wäre also kindisch, wollte man da einen Widerspruch finden, wo es sich meistens nur um eine Wortdifferenz handelt. Die höheren Geister haften keineswegs an der Form; für sie ist der Kern des Gedankens alles.

Nehmen wir z.B. die Definition von „Seele“. Da dieses Wort keine bestimmt festgesetzte Bedeutung hat, so können natürlich die Geister ebenso gut wie wir in der von ihnen gegebenen Definition differieren: der eine sagt vielleicht, Seele sei das Prinzip des Lebens, ein anderer, sie sei der Leben entfachende Funke, der dritte bezeichnet sie als etwas Innerliches, der vierte als etwas Äußerliches usw. und von seinem Standpunkt aus wird ein jeder Recht haben. Man könnte sogar annehmen, dass manche von den Geistern materialistischen Theorien huldigen und doch ist dem nicht so. Ebenso steht es mit der Definition des Begriffes „Gott“; er ist „das Prinzip aller Dinge, der Schöpfer des Universum, höchste Intelligenz, das Unendliche, der große Geist“ u.s.w. und in der Tat ist dies ja alles richtig. Führen wir endlich die Rangordnung der Geister an. Sie bilden eine ununterbrochene Kette von der untersten bis zur höchsten Stufe; eine Klassifizierung ist also ganz willkürlich; man kann sie in drei Klassen aufteilen, ebenso gut aber auch in fünf, zehn, zwanzig, ganz nach Belieben, ohne dass man sich darum eines Irrtums schuldig macht; alle menschlichen Wissenschaften bieten hierzu Analogien; jeder Gelehrte hat sein System; die Systeme wechseln, aber die Wissenschaft bleibt unwandelbar. Man lerne Botanik nach den Systemen Linné’s, Jussieus oder Tourneforts; es ist und bleibt immer Botanik, was man treibt. Hören wir also auf, Dingen, die lediglich auf Übereinkunft beruhen, mehr Wichtigkeit beizumessen, als sie verdienen, und halten wir uns an das wahrhaft Wesentliche: dabei wird Nachdenken in dem, was als Unsinn erscheinen mag, bald eine Analogie uns finden lassen, die uns beim ersten Hinblick entgangen war.

XIV

Wir würden über den Einwand mancher Skeptiker, der sich auf die von manchen Geistern begangenen Fehler in der Orthographie bezieht, ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen, wenn derselbe nicht den Anlass zu einer wichtigen Bemerkung gäbe. Ihre Orthographie ist allerdings, wie man einräumen muss, nicht immer tadellos; es würde aber einen Mangel an Überlegung bezeichnen, wollte man diese Tatsache zum Gegenstand einer ernstgemeinten Kritik machen und den Schluss ziehen, die Geister müssten, da sie ja alles wissen, auch die Orthographie beherrschen. Da könnten wir zuerst die zahlreichen orthographischen Verstöße entgegenhalten, die mehr als ein irdischer Gelehrter begeht, ohne dass dies irgendwie seinen Verdienst schmälert. Es drängt sich uns hier noch eine weit wichtigere Frage auf. Für Geister, namentlich für höhere Geister, ist die Idee alles, die Form nichts. Befreit von der Materie, wie sie sind, ist ihr gegenseitiges Sprechen blitzschnell wie der Gedanke: ihnen teilt sich eben der Gedanke selbst ohne Vermittlung mit; es muss ihnen also übel zu Mute sein, wenn sie, um sich uns mitzuteilen, genötigt sind, sich der langen, umständlichen Formen der menschlichen Sprechweise zu bedienen und dabei das Unzureichende und Unvollkommene dieser Sprache zum Ausdruck aller ihrer Ideen bringen. Dies sagen sie selbst; und so ist es denn merkwürdig, die Mittel zu sehen, die sie nicht selten in Anwendung bringen, um diesen Nachteil wenigstens abzuschwächen. Ganz dasselbe würde mit uns der Fall sein, wenn wir uns in einer Sprache ausdrücken müssten, die in Worten und Wendungen weitschweifiger, dagegen in ihren Ausdrücken ärmer wäre, als die, deren wir uns für gewöhnlich bedienen. Dasselbe Unbehagen empfindet der geniale Mensch, wenn er über die Langsamkeit seiner Feder ungeduldig ist, die stets hinter seinem Gedanken zurückbleibt. Hiernach ist es begreiflich, dass die Geister auf die Kinderei der Orthographie wenig Wert legen, wenn es sich namentlich um ernste und wichtige Belehrungen handelt; ist es nicht schon merkwürdig genug, dass sie sich unterschiedslos in allen Sprachen ausdrücken und alle verstehen? Indessen darf man hieraus nicht schließen, dass die herkömmliche sprachliche Korrektheit ihnen unbekannt ist; sie beobachten sie, wenn es nötig ist; Gedichte z. B. die von ihnen diktiert werden, nehmen es oft mit der Kritik des heikelsten Puristen mutig auf, trotz der Unwissenheit des Mediums.

XV

Ferner gibt es Leute, die überall Gefahr wittern, namentlich bei allem, was ihnen nicht bekannt ist; so sind sie auch rasch bei der Hand, daraus eine ungünstige Folgerung für den Spiritismus abzuleiten, dass einzelne Personen, die sich diesen Studien widmeten, den Verstand dabei verloren haben. Wie können nur vernünftige Menschen in diesen Tatsachen einen ernsten Einwand erblicken? Ist es nicht ebenso mit allen geistigen Beschäftigungen ausschließlicher Art bei einem schwachen Gehirn? Kennen wir denn die Zahl der Narren und Verrückten, welche durch mathematische, medizinische, musikalische, philosophische und andere Studien ihren Verstand verloren haben? Darf man deshalb diese Studien verbannen? Was beweist das? Durch körperliche Arbeiten erlahmen Arme und Beine, die Instrumente materieller Betätigung. Durch geistige Arbeit ermüdet das Gehirn, das Instrument unserer Gedanken. Aber wenn das Instrument zerbrochen ist, so ist es darum nicht der Geist: er ist unversehrt, und wenn er von der Materie befreit ist, so genießt er darum nicht weniger den Vollbestand seiner Fähigkeiten. Er ist in seiner Art, so lange er noch Mensch ist, ein Märtyrer der Arbeit.

Alle großen ausschließlichen Beschäftigungen des Geistes können Wahnsinn verursachen: Wissenschaften, Künste, ja selbst die Religion ist davon betroffen. Der Wahnsinn hat zur Grundursache eine organische Veranlagung des Gehirns, die es gewissen Eindrücken mehr oder weniger zugänglich macht. Ist eine Veranlagung zum Wahnsinn vorhanden, so wird dieselbe den Charakter der Beschäftigung annehmen, der man hauptsächlich nachgeht: diese wird dann zur fixen Idee. Die Idee kann bei einem, der sich mit Geistern beschäftigt hat, auf diese Bezug haben, wie sie Bezug haben kann auf Gott, auf Engel, auf den Teufel, auf die Lebenslage, auf Macht, auf eine Kunst oder Wissenschaft, auf die Mutterschaft, auf ein politisches oder soziales System. Man darf wohl annehmen, dass der religiös-Wahnsinnige ein spiritistisch-Wahnsinniger geworden wäre, wenn Spiritismus seine vorherrschende Beschäftigung gewesen wäre, gerade wie der spiritistisch-Wahnsinnige je nach Umständen unter anderer Form hätte wahnsinnig werden können.

Meine Behauptung geht also dahin, dass der Spiritismus in dieser Beziehung kein besonderes Privileg hat; aber ich gehe weiter und behaupte, dass er, richtig verstanden, ein Schutzmittel gegen den Wahnsinn ist.

Zu den zahlreichen Ursachen der Gehirnüberreizung muss man Täuschung, Unglücksfälle, widerwärtige Gemütseindrücke rechnen, die zugleich auch die häufigsten Ursachen zum Selbstmord werden. Nun sieht aber der wahre Spiritist die Dinge dieser Welt von einem so erhabenen Standpunkt aus; sie erscheinen ihm so klein, so nichtig gegenüber der seiner wartenden Zukunft; das Leben ist in seinen Augen so kurz, so flüchtig, dass ihm alle Plackereien nur unangenehme Zwischenfälle einer Reise sind. Was bei einem anderen eine heftige Erregung hervorbringen würde, ergreift ihn nicht übermäßig. Übrigens weiß er, dass des Lebens Kümmernisse Prüfungen sind, die zu seinem geistigen Fortschreiten dienen, sofern er sich ihnen unterzieht, ohne zu murren, weil er je nach dem Mut, mit welchem er sie erträgt, dereinst entschädigt wird. So geben ihm seine Überzeugungen eine Entsagung, die ihn vor der Verzweiflung, vor jener unaufhörlichen Ursache des Wahnsinns und des Selbstmordes bewahrt. Zudem kennt er aus der Schau, welches ihm sein Verkehr mit den Geistern zeigt, das Los derer, welche willkürlich ihre Tage kürzen, und dieser Einblick ist recht wohl dazu angetan, ihn zum Nachdenken zu veranlassen. So ist denn auch die Zahl derer, die an diesem verhängnisvollen Abhang noch aufgehalten worden sind, eine beträchtliche. Es ist dies ein Resultat des Spiritismus. Mögen die Ungläubigen darüber lachen soviel sie wollen; ich wünsche ihnen die Tröstungen, die er allen denen verschafft hat, die sich die Mühe genommen hat, seine geheimnisvollen Tiefen zu ergründen.

Zur Zahl der Ursachen des Wahnsinns hat man auch den Schrecken zu rechnen, sowie die Angst vor dem Teufel, die mehr als ein Gehirn aus Rand und Band gebracht hat. Ist denn die Zahl der Opfer bekannt geworden, die dadurch verrückt geworden sind, dass man schwache Geister mit jenem Bild einer Hölle gepeinigt hat, das man durch alle erdenklichen Mittel und durch Beifügung der widerlichsten Einzelheiten nur noch erschrecklicher zu machen pflege? Nun heißt es zwar: der Teufel erschreckt nur kleine Kinder; er ist ein erzieherisches Mittel, um sie artig zu machen. Ja, so wie der Popanz und der Werwolf. Wenn dann die Zeit kommt, wo sie sich nicht mehr vor ihm fürchten, dann sind sie schlimmer als vorher. Und angesichts eines so schönen Resultates bekümmert man sich nicht um die Masse epileptischer Anfälle, deren Ursache auf die Erschütterung eines zartorganisierten Gehirns zurückzuführen ist. Die Religion wäre sehr schwach, wenn ihre Macht nur unter der Voraussetzung der Furcht Bestand hätte; glücklicherweise ist dem nicht so: sie hat andere Mittel, auf die Seelen einzuwirken; der Spiritismus bietet ihr noch wirksamere und ernstere, wenn sie dieselben sich nutzbar zu machen versteht. Er zeigt die Wirklichkeit der Dinge und neutralisiert dadurch die traurigen Folgen übertriebener Furcht.

XVI

Es bleiben uns nur noch zwei Einwände zu betrachten, die einzigen, die eigentlich diesen Namen verdienen, weil sie auf vernünftigen Theorien basieren. Beide nehmen die Tatsächlichkeit aller Phänomene an, sowohl die materiellen als die geistigen, aber sie wollen von einer Einwirkung „der Geister“ nichts wissen.

Nach der ersten dieser Theorien wären alle den Geistern zugeschriebenen Manifestationen nichts anderes als magnetische Wirkungen. Die Medien befänden sich in einem Zustand, den man als wachen Somnambulismus bezeichnen könnte, ein Phänomen, das Jedermann, der den Magnetismus studiert hat, bezeugen kann. In diesem Zustand erhielten die intellektuellen Fähigkeiten eine abnorme Entwicklung; der Kreis intuitiver Wahrnehmungen gehe über die Grenzen unseres gewöhnlichen Erfassens hinaus. Demnach würde das Medium das was es sagt, alle Begriffe, die es übermittelt, selbst bei Dingen, die ihm im gewöhnlichen Zustand fremd sind, aus sich selbst und Kraft seinr Hellsehens schöpfen.

Wir sind es nicht, welche die Macht des Somnambulismus bestreiten, dessen Wunder wir gesehen und dessen Phasen wir sämtlich in einer Reihe von mehr als fünfunddreißig Jahren studiert haben; wir geben zu, dass in der Tat viele spiritistische Manifestationen sich auf diesem Wege erklären lassen; aber eine unablässige aufmerksame Beobachtung weist eine ganze Menge von Tatsachen auf, wo die Intervention des Mediums in einer anderen Weise als der eines ganz passiven Werkzeugs, schlechthin unmöglich ist. Den Anhängern dieser Ansicht rufen wir ebenfalls zu: „Seht und beobachtet, denn ihr habt sicher nicht alles gesehen!“ Sodann halten wir ihnen zwei Erwägungen entgegen, die wir aus ihrer eigenen Lehre ziehen. Woher ist die spiritistische Theorie gekommen? Ist es ein System, das sich einige Menschen ausgedacht haben, um die Tatsachen zu erklären? Keineswegs. Wer also hat es enthüllt? Nun eben jene Medien selbst, deren Hellsehen man so sehr rühmt. Wenn also dieser Hellseher wirklich so beschaffen ist, wie man annimmt, wie wären sie darauf verfallen, Geistern zu zuschreiben, was sie ja aus sich selbst geschöpft hätten? Wie hätten sie diese bestimmten logischen, erhabenen Lehren über jene außerhalb der Menschheit stehenden Intelligenzen geben können? Entweder, oder! Entweder sie sind hellsehend oder sie sind es nicht: wenn sie es sind und man in ihre Wahrhaftigkeit Vertrauen setzt, so kann man, ohne sich zur widersprechen, unmöglich annehmen, dass sie nicht auch hier bei der Wahrheit bleiben. Zweitens, wenn alle Phänomene ihren Grund im Medium hätten, so wären sie bei demselben Individuum identisch, man würde nicht beobachten, wie dieselbe Person z. B. einer diametral entgegengesetzten Ausdrucksweise sich bedient oder nach und nach die widersprechendsten Dinge zum Ausdruck bringt. Dieser Mangel an Einheit in den vom Medium erlangten Manifestationen beweist die Verschiedenheit der Quellen; kann man diese nicht in dem Medium finden, so muss man sie wohl oder übel außerhalb von ihm suchen.

Nach anderer Ansicht, ist das Medium die Quelle der Manifestationen, aber anstatt sie aus sich selbst zu schöpfen, wie die Anhänger der somnambulistischen Theorie behaupten, schöpft es dieselben aus seiner unmittelbaren Umgebung. Das Medium wäre demnach eine Art Spiegel, welcher alle Ideen, Gedanken und Kenntnisse der umgebenden Personen reflektierte: es würde nichts sagen, was nicht wenigstens einige wüssten. Man kann allerdings – es ist dies ein Prinzip der Lehre – nicht in Abrede stellen, dass die Anwesenden auf die Beschaffenheit der Geisteskundgebungen einen Einfluss ausüben; dieser Einfluss ist jedoch ein ganz anderer als den dessen Existenz man voraussetzt und von da, bis zu der Annahme, dass das Medium das Echo der Gedanken sein soll, ist noch ein großer Sprung; denn tausend Tatsachen weisen mit Entschiedenheit auf das Gegenteil hin. Es ist dies aber ein Irrtum, welcher wieder einmal das Gefährliche voreiliger Schlussfolgerungen beweist. Diese Leute können die Existenz einer Erscheinung, von der die gewöhnliche Wissenschaft keine Rechenschaft geben kann, nicht leugnen: das Vorhandensein von Geistern wollen sie nicht zugestehen, und so erklären sie sich die Sache nach ihrer Weise. Wäre ja ihre Theorie recht schön, wenn sie alle Tatsachen umfassen würde; aber dies ist eben nicht der Fall. Wenn man ihnen deutlich aufzeigt, dass gewisse Mitteilungen, die das Medium gibt, den Gedanken, Kenntnissen und Ansichten sämtlicher Anwesenden fremd sind, dass diese Mitteilungen oft freiwillige sind und allen vorgefassten Ideen widersprechen, so halten sie sich bei solchen Lappalien nicht auf. Die Ausstrahlung, heißt es dann, erstreckt sich wohl auch über den uns unmittelbar umgebenden Kreis hinaus; so dass das Medium der Reflex der ganzen Menschheit ist, welches, wenn es seine Inspiration nicht unmittelbar neben sich schöpft, sie von auswärts holt, in der Stadt, in der Umgegend, auf dem ganzen Globus, ja selbst in anderen Sphären.

Ich glaube nicht, dass man in dieser Theorie eine einfachere und wahrscheinlichere Erklärung findet als die, welche der Spiritismus gibt, denn sie setzt eine noch viel wunderbarere Ursache voraus. Die Idee, dass Wesen welche den Raum bevölkern, in fortwährender Berührung mit uns sind, und uns ihre Gedanken mitteilen, bietet nichts, was der Vernunft mehr zu widerläuft, als die Annahme von dieser allgemeinen Ausstrahlung, die von allen Punkten des Universums aus sich im Gehirn eines Individuums konzentrieren soll.

Noch einmal – es ist dies ein hochwichtiger Punkt, auf den wir gar nicht dringend genug bestehen können: die somnambulistische Theorie, sowie die andere, die man als die reflektive bezeichnen könnte, sind die Gedankenschöpfung einiger Menschen; es sind individuelle Ansichten einiger Menschen, die das Faktum erklären wollten, während die Lehre der Geister überhaupt keine menschliche Gedankenschöpfung ist; sie ist von jenen Intelligenzen diktiert worden, die sich manifestieren und zwar zu einer Zeit, als niemand daran dachte und die allgemeine Ansicht sie zurückwies; nun fragen wir, woher die Medien eine Lehre geschöpft haben, an die niemand auf Erden dachte; außerdem fragen wir, durch welches seltsame Zusammentreffen tausende von Medien, die auf allen Punkten des Erdballs zerstreut sind und sich nie gesehen haben, in solchem Einverständnis sein können, um genau dasselbe zu sagen. Wenn das erste Medium, welches in Frankreich erschien, den Einfluss von Ansichten an sich erfahren hat, die in Amerika bereits wohl bekannt waren, was ist dann das für eine Seltsamkeit, dass es 2000 Meilen über das Meer geht, 2000 Meilen fort zu einem an Sitten und Sprache fremden Volk anstatt sie aus seiner Umgebung zu nehmen?

Aber es ist hierbei noch ein anderer Umstand, an den man nicht gedacht hat. Die ersten Manifestationen in Frankreich wie in Amerika haben weder durch Schrift noch durch Wort, sondern durch Klopflaute stattgefunden, welche mit den Buchstaben des Alphabets in Bezug standen und so Worte und Sätze bildeten. Auf diesem Weg haben sich die offenbarenden Intelligenzen als Geister zu erkennen gegeben. Wenn man also in den mündlichen oder schriftlichen Mitteilungen eine Mitteilung des Denkorgans des Mediums annehmen könnte, so wird diese Möglichkeit bei Klopflauten hinfällig, deren Bedeutung im Voraus nicht bekannt sein konnte.

Wir könnten viele Beispiele zitieren, die den Beweis erbringen, dass in der sich manifestierenden Intelligenz eine offensichtliche Individualität, eine absolute Willensunabhängigkeit zu finden ist. Wir verweisen Andersdenkende auf eine aufmerksamere Beobachtung, und wenn sie sich entschließen können, ohne vorgefasste Meinung zu studieren und keine Schlüsse zu ziehen, bevor sie alles gesehen haben, werden sie das Unzulängliche einer Theorie erkennen, die es nicht vermag, von allem Rechenschaft zu geben. Wir wollen uns darauf beschränken, folgende Fragen zu stellen: Warum weigert sich die Intelligenz, die sich kundtut, welche sie auch sein mag, was sie auch wolle, auf gewisse Fragen über vollkommen bekannte Gegenstände zu antworten, wie z. B. über Namen und Alter des Fragenden, über das, was er in der Hand hat, was er den Tag vorher getan hat, seine Absichten für morgen u.s.w.? Wenn das Medium der Spiegel des Gedankens der Anwesenden ist, so wäre die Antwort für dasselbe ja ganz leicht.

Die Gegner drehen das Argument freilich um und fragen ihrerseits, warum Geister, die alles wissen sollten, so einfache Dinge nicht wüssten, nach dem Axiom: „Wer Mehr kann, kann auch Weniger“; daraus schließen sie, dass es keine Geister gibt. Wenn ein Unwissender oder ein Witzbold sich vor einer gelehrten Gesellschaft einfände und z. B. fragte, warum es zur Mittagszeit taghell ist, würde sich wohl jene die Mühe geben ernsthaft zu antworten und wäre es logisch, aus ihrem Stillschweigen oder aus den Scherzreden, zu schließen mit denen sie den Frager etwa abfertigen würde, dass ihre Mitglieder Esel wären? Also eben darum, weil die Geister überlegen sind, verweigern sie Antwort auf müßige und lächerliche Fragen und mögen nicht auf solche Spiele eingehen; sie schweigen darum oder sagen, man solle sich mit ernsteren Dingen beschäftigen.

Schließlich fragen wir noch, warum die Geister zu einem bestimmten Augenblick kommen und gehen und wenn, sobald dieser Augenblick gekommen ist, weder Bitten noch Flehen sie zurückzuholen vermögen. Handelte das Medium nur unter dem mentalen Impuls der Anwesenden, so ist es offensichtlich, dass das Zusammenwirken aller vereinten Willensakte sein Hellsehen anregen müsste. Wenn es also nicht dem Wunsch der Versammlung gehorcht, der durch seinen eigenen Willen noch verstärkt wird, so gehorcht es eben einem Einfluss, der ebenso sehr ihm selbst als der Umgebung fremd ist, und es ist ersichtlich, wie dieser Einfluss gerade hierin seine Unabhängigkeit und Individualität anzeigt.

XVII

Die Skepsis bezüglich der spiritistischen Lehre hat, wenn sie nicht das Resultat einer interessierten systematischen Gegnerschaft ist, nahezu immer seine Quelle in einer unvollständigen Kenntnis der Tatsachen, was indessen gewisse Leute nicht hindert, über eine Frage mit edler Dreistigkeit zu entscheiden, als ob sie dieselbe vollständig kennen. Man kann viel Geist haben, kann selbst sehr gebildet sein und doch im Urteilsvermögen Mängel haben, nun aber ist das erste Zeichen eines fehlerhaften Urteils, für unfehlbar zu halten. So sehen denn auch viele Leute in spiritistischen Manifestationen nur einen Gegenstand der Neugierde; wir hoffen, dass sie nach Lesung des gegenwärtigen Buches in diesem sonderbaren Phänomen etwas anderes finden werden, als einen simplen Zeitvertreib.

Die spiritistische Wissenschaft umfasst zwei Partien: einen experimentellen Teil über die Manifestationen überhaupt und einen zweiten philosophischen, über die intelligenten Manifestationen. Wer sich nur mit dem ersten Aspekt befasst, befände sich in der Lage dessen, der die Physik nur aus Experimenten kennen würde, ohne in den Grund der Wissenschaft eingedrungen zu sein. Die eigentliche spiritistische Lehre liegt in der von den Geistern gegebenen Unterweisung, und die Kenntnisse, welche diese Lehre vermittelt, sind allzu wichtig als dass sie anders als in ernstem und unablässigem, in stillem und gesammeltem Studium gewonnen werden könnten; denn so allein kann man eine unendliche Menge von Tatsachen und Schattierungen beobachten, die dem oberflächlichen Beobachter entgehen und das Material bieten, sich eine Meinung zu bilden.

Hätte dieses Buch kein weiteres Resultat, als dass es die ernste Seite der Frage vorlegte und in diesem Sinn weitere Studien veranlasste, so wäre dies schon viel, und wir würden uns glückwünschen können, zur Vollendung dieses Werkes gewählt worden zu sein, aus dem wir uns übrigens keineswegs ein persönliches Verdienst machen wollen, da die Prinzipien, die es umfasst, durchaus nicht unsere geistige Schöpfung sind. Das Verdienst kommt einzig den Geistern zu, die es diktierten. Wir hoffen aber, dass es noch ein Resultat hat, nämlich das: nach Aufklärung verlangende Menschen zu leiten, ihnen in und mit diesen Studien ein großes, erhabenes Ziel vorzuhalten. Das Ziel des individuellen und sozialen Fortschritts, und die zur Erreichung dieses Zieles einzuschlagenden Wege zu zeigen.

Schließen wir mit einer letzten Betrachtung! Die Astronomen haben, wenn sie ihren Blick in den Weltraum richteten, bei der Verteilung der Himmelskörper nicht gerechtfertigte, den Gesetzen des Universums widersprechende Lücken entdeckt; sie haben daraus die Mutmaßung geschöpft, dass diese Lücken von Himmelskörpern ausgefüllt sein müssten, die ihren Blicken bis dahin entgangen waren; andererseits haben sie gewisse Wirkungen beobachtet, deren Ursache ihnen unbekannt war, und haben sich gesagt, „da muss noch eine Welt sein, denn diese Lücke ist unmöglich, und diese Wirkungen müssen eine Ursache haben.“ Indem sie demnach von der Wirkung auf die Ursache schlossen, haben sie die Elemente derselben berechnen können, und später haben die Tatsachen ihr Vorhersehen gerechtfertigt.

Dehnen wir diese Erwägung auf eine andere Vorstellungsreihe aus. Beobachtet man die Reihe der Wesen, so findet man, dass sie eine ununterbrochen zusammenhängende Kette vom rohen Stoff bis zum intelligentesten Menschen herauf bilden. Doch welche unermessliche Lücke zwischen den Menschen und Gott, dem Alpha und Omega aller Dinge! Ist es logisch anzunehmen, dass beim Menschen die Ringe dieser Kette stehen bleiben, dass er ohne Übergangsglied den Zwischenraum durchmisst, der ihn von dem Unendlichen trennt? Die Vernunft sagt uns, dass es zwischen den Menschen und Gott andere Staffeln geben muss, wie sie den Astronomen gesagt hat, dass es zwischen den bekannten Welten noch unbekannte Welten geben müsste. Welche Philosophie hat diese Lücke ausgefüllt? Der Spiritismus zeigt sie uns gefüllt mit Wesen aller Rangklassen der unsichtbaren Welt. Diese Wesen sind keine anderen als die Geister der Menschen, auf den verschiedenen, zur Vollkommenheit führenden Stufen. Alles bindet und verkettet sich, vom Alpha bis zum Omega. Ihr, die ihr die Existenz der Geister leugnet, füllt doch die Lücke aus, und ihr, die ihr darüber lacht, vermesst euch nur zu lachen über Gottes Werke und seine Allmacht!

Allan Kardec.