Das Buch der Geister

Allan Kardec

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Zweites Gesicht

447. Hat die mit dem Namen „zweites Gesicht“ bezeichnete Erscheinung Beziehungen zum Traum und zum Somnambulismus?

„Das alles ist dasselbe: Was du „zweites Gesicht“ nennst, ist wieder der Geist, der freier ist, obschon der Leib nicht schläft. Das zweite Gesicht ist das Gesicht der Seele.“


448. Ist das zweite Gesicht eine bleibende Gabe?
„Ja, die Fähigkeit, aber nicht der Gebrauch desselben. In den weniger materiellen Welten als die eurige, befreien sich die Geister leichter und treten allein durch den Gedanken miteinander in Verbindung, ohne dass jedoch die artikulierte Sprache dabei ausgeschlossen wäre. Auch ist dort für die Mehrzahl das doppelte Gesicht eine andauernde Fähigkeit. Ihr normaler Zustand kann mit dem eurer Hellseherinnen höheren Grades verglichen werden und dies ist auch der Grund, warum sie sich euch leichter mitteilen, als die in gröberen Leibern Inkarnierten.“


449. Entwickelt sich das zweite Gesicht von selbst oder nach dem Willen des damit Begabten?
„Am häufigsten entwickelt es sich von selbst, oft spielt aber auch der Wille eine große Rolle dabei. Denke dir z. B. die sogenannten Wahrsager, von denen einige diese Befähigung besitzen, und du wirst feststellen, dass es ihr Wille ist, der ihnen zu diesem zweiten Gesicht und zu dem, was du Vision nennst, verhilft.“


450. Kann das zweite Gesicht sich durch Übung weiter entwickeln?
„Ja, die Arbeit fördert stets den Fortschritt und der die Dinge verhüllende Schleier wird durchsichtiger.“



450a. Hängt diese Fähigkeit von der physischen Veranlagung ab?
„Gewiss, letztere spielt dabei eine Rolle. Es gibt Veranlagungen, die sich dagegen sträuben.“



451. Woher kommt es, dass das zweite Gesicht in gewissen Familien erblich zu sein scheint?
„Ähnlichkeit der Veranlagung, die sich wie andere physische Eigenschaften vererbt; sowie die Entwicklung der Fähigkeit durch eine Art von Erziehung, die ebenfalls von einem zum anderen weitergegeben wird.“


452. Ist es wahr, dass gewisse Umstände das zweite Gesicht entwickeln?
„Krankheit, Annäherung einer Gefahr, starke Gemütsbewegung, können es entwickeln. Der Leib ist zuweilen in einem eigen – tümlichen Zustand, der dem Geist das zu schauen gestattet, was ihr mit den leiblichen Augen nicht zu sehen vermögt.“ Zeiten großer Krisen und Unglücksfälle, starke Gemütsbewegungen, eigentlich alles, was den moralischen Sinn besonders erregt, bringen zuweilen die Entwicklung des zweiten Gesichts hervor. Es ist dann, als ob die Vorsehung uns gegenüber der Gefahr die Mittel reichen wollte, sie abzuwehren.


453. Sind sich die, mit dem zweiten Gesicht begabten Personen desselben immer bewusst?
,,Nicht immer. Für sie ist es eine, ganz sich von selbst verstehende Sache und viele meinen, wenn einer sich selbst beobachtete, würde er es ebenfalls haben.“


454. Könnte man einer Art von zweitem Gesicht den Scharfsinn gewisser Personen beimessen, die ohne etwas ausserordentliches an sich zu haben, die Dinge mit größerer Schär fe als andere Leute beurteilen?
,,Es ist stets die Seele, die sich freier aus – und einstrahlt und besser urteilt, als unter dem Schleier des Stoffes.“


454a. Kann diese Befähigung in gewissen Fällen eine Voraussicht der Dinge verleihen?

Ja; sie gibt auch Vorahnungen. Denn es gibt verschiedene Grade dieser Befähigung und dieselbe Person kann alle Grade oder auch nur einige davon besitzen.“