DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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19. Was soll man über Menschen denken, die, weil sie als Belohnung für ihre Wohltaten nur Undankbarkeit erhalten haben, das Gute nicht mehr tun, aus Angst, den Undankbaren zu begegnen?


Diese Menschen haben in sich mehr Egoismus als Nächstenliebe; denn das Gute zu tun, nur um ein Zeichen der Dankbarkeit zu bekommen, bedeutet, dass man es nicht mit Selbstlosigkeit getan hat, und die selbstlose Wohltat ist die einzige, die Gott gefällt. Dies ist ebenso Hochmut, denn sie finden Gefallen an der Demut des Notleidenden, der kommt, um ihnen seine Dankbarkeit zu Füssen zu legen. Derjenige, der Belohnung für das Gute, das er tut, auf der Erde sucht, wird sie im Himmel nicht mehr erhalten; denn Gott wird denjenigen berücksichtigen, der sie nicht auf der Erde gesucht hat.


Es ist notwendig, stets den Schwachen zu helfen, obwohl man im Voraus weiß, dass diese für das Gute, das man getan hat, nicht dankbar sein werden. Seid euch bewusst, dass, falls derjenige, dem ihr einen Dienst erwiesen habt, die Wohltat vergisst, Gott euch dies mehr anerkennen wird, als wenn ihr bereits durch die Dankbarkeit des Empfängers belohnt worden wäret. Gott erlaubt, dass ihr manchmal mit Undankbarkeit bezahlt werdet, um eure Beharrlichkeit, das Gute zu tun, zu prüfen.


Wisst ihr übrigens, ob diese im Augenblick vergessene Wohltat, nicht später gute Früchte tragen wird? Seid im Gegenteil sicher, dass es ein Samen ist, der mit der Zeit keimen wird. Leider seht ihr stets nur die Gegenwart; ihr arbeitet für euch und nicht für die andern. Die Wohltaten schaffen es schließlich, die verhärteten Herzen zu erweichen; sie können auf Erden verkannt sein, aber wenn der Geist von seinem physischen Körper befreit ist, wird er sich erinnern, und diese Erinnerung wird seine Bestrafung sein. Er wird dann seine Undankbarkeit bereuen; seine Fehler wieder gutmachen wollen, seine Schuld in einer anderen Existenz bezahlen, indem er - sehr oft sogar – ein Leben der Aufopferung gegenüber seinem Wohltäter akzeptiert. Ihr habt somit, ohne es zu ahnen, zu seinem moralischen Fortschritt beigetragen, und später werdet ihr die ganze Wahrheit dieses Grundsatzes erkennen: Eine Wohltat ist niemals vergeblich getan. Aber ihr habt auch für euch gearbeitet, weil ihr das Verdienst haben werdet, Gutes mit Selbstlosigkeit getan zu haben, ohne den Mut wegen der Enttäuschungen verloren zu haben.


Ja! Meine Freunde, wenn ihr alle Bindungen kennen würdet, die euch im gegenwärtigen Leben mit euren vorherigen Existenzen verknüpfen! Wenn ihr die Vielzahl der Beziehungen erfassen könntet, die die Menschen untereinander näher bringen, für ihren gegenseitigen Fortschritt, könntet ihr die Weisheit und die Güte des Schöpfers viel besser bewundern, der es euch erlaubt, ein neues Leben zu beginnen, um IHM näher zu kommen. (Ein Schutzgeist. Sens, 1862)