DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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Das zukünftige Leben

2. Mit diesen Worten deutet Jesus ganz klar auf das zukünftige Leben hin. Bei allen Gelegenheiten stellt Er das zukünftige Leben als Bestimmung vor, wohin die Menschheit gelangen wird und als etwas, das die hauptsächliche Sorge der Menschen auf der Erde sein soll. Alle seine Maxime berufen sich auf dieses große Prinzip. Ohne das zukünftige Leben hätten nämlich die meisten seiner moralischen Vorschriften keinen Sinn; daher kommt es, dass diejenigen, die an das zukünftige Leben nicht glauben, sich vorstellen, dass Jesus nur über das gegenwärtige Leben spricht und sie verstehen deshalb diese Vorschriften nicht oder halten sie für kindisch.


Diese Glaubenslehre kann als die Achse der Lehre Christi angesehen werden; deswegen steht sie vorne an erster Stelle in diesem Werk, weil sie das Ziel aller Menschen sein soll. Nur sie kann die Anomalie des irdischen Lebens rechtfertigen und in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit Gottes sein.


3. Die Juden hatten nur verschwommene Vorstellungen von dem zukünftigen Leben. Sie glaubten an Engel und hielten sie für privilegierte Wesen der Schöpfung, wussten aber nicht, dass die Menschen eines Tages ebenfalls Engel werden und an deren Glückseligkeit teilnehmen können. Nach ihrer Ansicht wurde die Befolgung der Gesetze Gottes mit irdischem Vermögen, mit der Übermacht ihrer Nation und mit dem Sieg über ihre Feinde belohnt. Öffentliche Katastrophen und Niederlagen waren Strafen für ihren Ungehorsam. Moses konnte einem ignoranten Hirtenvolk, welches vor allem von den Ereignissen dieser Welt überzeugt werden musste, nicht mehr sagen. Später hat Jesus ihnen offenbart, dass es eine andere Welt gibt, in der die Gerechtigkeit Gottes ihren Lauf nimmt. Dies ist die Welt, die Er denen verspricht, die die Gebote Gottes befolgen und wo die Gerechten ihre Belohnung erhalten werden. Diese Welt ist Sein Reich. Dort ist Er in Seiner himmlischen Herrlichkeit und dorthin wird Er zurückkehren, wenn Er die Erde verlässt.


Jesus aber, indem Er Seine Lehre an den Entwicklungsstand der Menschen seiner Zeit anpasste, hielt es nicht für angemessen ihnen das ganze Wissen zu vermitteln, welches sie nur verwirrt hätte ohne sie aufzuklären, weil sie es nicht begreifen konnten. Er beschränkte sich auf eine gewisse Weise darauf, das zukünftige Leben im Prinzip nur als ein Naturgesetz zu offenbaren, dessen Wirkung niemand entfliehen kann. Jeder Christ glaubt also zwangsläufig an das zukünftige Leben, aber die Vorstellung, die viele darüber haben, ist noch verschwommen, unvollständig und deswegen in verschiedenen Punkten falsch. Für eine große Anzahl der Menschen ist dieser Glaube ohne absolute Gewissheit; daher die Zweifel und sogar die Ungläubigkeit.


Der Spiritismus ist gekommen, um die Lehre Christi in diesem Punkt wie in vielen anderen zu vervollständigen, da nun die Menschen reif genug sind, um die Wahrheit zu verstehen. Mit dem Spiritismus hört das zukünftige Leben auf, nur ein einfacher Glaubenssatz und eine einfache Hypothese zu sein. Es ist eine materielle Realität, durch Fakten bewiesen, weil es die Augenzeugen sind, die es in allen seinen Phasen und überraschenden Ereignissen in einer solchen Weise beschreiben, dass es nicht mehr möglich ist daran zu zweifeln, und dass die einfachste Intelligenz es sich unter seinem wahren Aspekt vorstellen kann, wie man sich ein Land nach einer detaillierten Beschreibung vorstellen kann. Nun, die Beschreibung des zukünftigen Lebens ist so ausführlich, die glücklichen oder unglücklichen Daseinsbedingungen derer, die sich dort befinden, sind so rational, dass man sich selbst widerwillig sagen muss, dass es nicht anders sein kann und dies die wahrhaftige Gerechtigkeit Gottes ist.