DAS EVANGELIUM AUS DER SICHT DES SPIRITISMUS

Allan Kardec

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KAPITEL VIII
Selig sind die, die reinen Herzens sind

• Lasst die Kinder zu mir kommen • Sünde durch Gedanken / Ehebruch • Wahre Reinheit / ungewaschene Hände • Skandale: Wenn eure Hand ein Grund für einen Skandal ist, hackt sie ab • Unterweisungen der geistigen Welt: Lasst die Kinder zu mir kommen; Selig sind diejenigen, die die Augen geschlossen haben.

Lasst die Kinder zu mir kommen

1. Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen. (Matthäus, Kap.V; 8)

2. Man brachte die Kinder zu Ihm, damit Er sie berühre; und da Seine Jünger diejenigen, die sie Ihm brachten, mit harten Worten zurückwiesen, ärgerte sich Jesus, als Er das sah und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht, denn das Reich Gottes ist für diejenigen, die den Kindern ähnlich sind. – Wahrlich, ich sage euch, dass jeder, der das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, nicht hineinkommen wird. Und Er umarmte und segnete sie, indem Er ihnen die Hände auflegte. (Markus, Kap. X, 13-16)

3. Die Reinheit des Herzens ist von der Bescheidenheit und der Demut nicht zu trennen. Sie schließt alle Gedanken des Egoismus und des Hochmuts aus. Aus diesem Grund nimmt Jesus die Kinder als Beispiel für diese Reinheit wie auch für die Demut.

Dieser Vergleich könnte ungerecht erscheinen, wenn man bedenkt, dass der Geist eines Kindes sehr alt sein kann und dass er in einer neuen Reinkarnation die Unvollkommenheiten mitbringt, von denen er sich während seiner vorherigen Existenzen nicht befreien konnte. Nur ein Geist, der die Vollkommenheit erreicht hat, könnte uns das Beispiel der wahren Reinheit geben. Aber hinsichtlich des gegenwärtigen Lebens ist der Vergleich richtig, denn das Kind, das die Gelegenheit noch nicht gehabt hat, irgendeine perverse Neigung zu zeigen, gibt uns das Bild der Unschuld und der Arglosigkeit. Deshalb sagt Jesus nicht in einer unumschränkten Art, dass das Reich Gottes für die Kinder ist, sondern für diejenigen, die ihnen ähneln.

4. Da ja der Geist eines Kindes schon gelebt hat, warum zeigt er nicht von Geburt an, wer er ist? Alles ist weise in Gottes Schöpfung. Das Kind bedarf einer zarten Pflege, die nur die mütterliche Zärtlichkeit ihm geben kann; und diese Zärtlichkeit wird durch die Schwäche und die Naivität des Kindes vergrößert. Für eine Mutter ist ihr Kind immer ein Engel, und das muss so sein, um ihre Fürsorge zu gewinnen. Sie würde es nicht mit der gleichen Hingabe pflegen, wenn anstatt des naiven Liebreizes sie in ihm, – unter den kindlichen Gesichtszügen – einen starken Willen und die Ideen eines Erwachsenen fände, und noch weniger, wenn sie seine Vergangenheit kennen würde.

Bei der Aktivität der Intelligenzgrundlage war es übrigens erforderlich, die Schwäche des Körpers zu berücksichtigen, der eine zu große Aktivität des Geistes schlecht ertragen würde; wie man es bei sehr frühreifen Kindern beobachten kann. Deshalb verliert der Geist, wenn er beim Annähern seiner Inkarnation in Verwirrung gerät, nach und nach das Bewusstsein seiner selbst. Für eine bestimmte Zeit befindet er sich in einer Art Schlaf, wobei seine Fähigkeiten latent vorhanden bleiben. Dieser Übergangszustand ist notwendig, um dem Geist einen neuen Ausgangspunkt zu geben und um ihn die Dinge vergessen zu lassen, die seine neue Existenz stören könnten. Seine Vergangenheit jedoch beeinflusst ihn; er wird für das neue Leben geboren, moralisch und intellektuell gestärkt, unterstützt von der aus der Erfahrung gewonnenen Intuition.

Ab der Geburt kommen seine Gedanken stufenweise zurück, in dem Maße, wie sich seine Organe entwickeln. Man kann daher sagen, dass der Geist während der ersten Jahre wirklich ein Kind ist, da die Ideen, die seinen Charakter formen, noch betäubt sind. Während der Zeit, in der seine Instinkte noch schlummern, ist er flexibler und daher empfänglicher für die Eindrücke, die seine Natur verändern können und seine Entwicklung fördern. Das alles vereinfacht die Aufgabe der Eltern.

Der Geist bemäntelt sich für eine Weile mit dem Umhang der Unschuld, und Jesus hat Recht, wenn Er, von der Vergangenheit der Seele abgesehen, die Kinder als Beispiel für die Reinheit und die Harmlosigkeit nimmt.

Sünde durch Gedanken / Ehebruch

5. Ihr habt gehört, was euch einst gesagt wurde: „Du sollst keinen Ehebruch begehen“. Ich aber sage euch, dass derjenige, der eine Frau mit Begierde ansieht, bereits schon in seinem Herzen mit ihr den Ehebruch begangen hat. (Matthäus, Kap. V, 27-28)

6. Das Wort Ehebruch soll hier nicht in seiner ausschließlichen Bedeutung verstanden werden, sondern in einer generellen Bedeutung. Jesus hat es oft im weiteren Sinne benutzt, um das Böse, die Sünde und alle schlechten Gedanken zu beschreiben, wie zum Beispiel in dieser Passage: „Wenn sich jemand in dieser ehebrecherischen und sündigen Generation meinetwegen und wegen meiner Worte schämt, wird sich der Menschensohn auch seinetwegen schämen, wenn Er, von den heiligen Engeln begleitet, in die Herrlichkeit Seines Vaters kommen wird. (Markus, Kap. VIII, 38)

Die echte Reinheit befindet sich nicht nur in den Taten, sondern auch in den Gedanken, denn derjenige, der ein reines Herz besitzt, denkt nicht einmal an das Böse. Das ist es, was Jesus sagen wollte, indem Er die Sünde verdammte, und wenn sie nur in Gedanken begangen wird, weil auch das ein Zeichen der Unreinheit ist.

7. Dieses Prinzip bringt uns natürlich zu der Frage: Erleidet man die Konsequenzen eines bösen Gedankens, der nicht verwirklicht wurde?

Wir müssen hier eine wichtige Unterscheidung machen. In dem Maße, wie sich die Seele – die sich auf dem falschen Weg befindet – in ihrem spirituellen Leben weiter entwickelt, erhellt sie sich und befreit sich nach und nach von ihren Unvollkommenheiten gemäß dem mehr oder weniger guten Willen, den sie aufbringt, aufgrund ihres freien Willens. Jeder böse Gedanke ist daher das Resultat der Unvollkommenheit der Seele. Aber gemäß dem Wunsch, der sie antreibt sich zu reinigen, wird sogar dieser böse Gedanke eine Gelegenheit für ihren Fortschritt sein, weil sie ihn energisch zurückweist. Es ist das Indiz eines Fleckens, den sie zu beseitigen versucht; und sie wird nicht nachgeben, falls sich die Gelegenheit ergibt, einen bösen Wunsch in die Tat umzusetzen. Und nachdem sie widerstanden hat, wird sie sich stärker fühlen und sich über ihren Sieg freuen.

Diejenige aber, die im Gegenteil keine guten Entscheidungen getroffen hat, sucht die Gelegenheit, böse Handlungen zu begehen, und wenn sie das nicht schafft, geschieht das nicht, weil sie das nicht wollte, sondern aus mangelnden Gelegenheiten. Sie ist daher genau so schuldig, als ob sie das begangen hätte.

Kurzum: Bei demjenigen, der nicht einmal einen schlechten Gedanken hat, ist der Fortschritt verwirklicht; bei demjenigen, dem dieser Gedanke kommt, der ihn aber zurückweist, ist der Fortschritt dabei sich zu verwirklichen. Bei demjenigen schließlich, der an das Böse denkt und sich dabei gefällt, ist das Böse noch mit seiner ganzen Kraft vorhanden. Bei dem einen ist die Arbeit beendet. Bei dem andern ist sie noch zu vollenden. Gott, der gerecht ist, berücksichtigt alle diese Abstufungen bei der Verantwortlichkeit des Handelns und der Gedanken der Menschen.

Wahre Reinheit / ungewaschene Hände

8. Die Schriftgelehrten und Pharisäer, die aus Jerusalem kamen, näherten sich Jesus und sagten zu Ihm: – Warum brechen Deine Jünger mit der Tradition der Alten? Denn sie waschen ihre Hände nicht, bevor sie Speisen zu sich nehmen.

Jesus antwortete ihnen: – Warum übertretet ihr selbst das Gebot Gottes eurer Tradition wegen? Denn Gott hat dieses Gebot ausgesprochen: Ehre deinen Vater und deine Mutter; und dieses andere: Dass derjenige, der seinem Vater und seiner Mutter beleidigende Worte sagt, mit dem Tod bestraft werden soll. Ihr andern aber sagt: Derjenige, der seinem Vater und seiner Mutter sagt: Jede Opfergabe, die ich Gott bringe, ist euch nützlich und erfüllt das Gesetz – obgleich er danach weder seinen Vater noch seine Mutter ehrt oder ihnen hilft. So habt ihr das Gebot Gottes durch eure Tradition überflüssig gemacht.

Ihr Heuchler, Jesaja hat wohl über euch prophezeit, als er sagte: – Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, doch ihr Herz ist weit weg von mir; und sie ehren mich vergeblich, indem sie die menschlichen Grundsätze und Anordnungen lehren.

Danach rief Er das Volk herbei und sprach zu ihm: Hört zu und versteht dies hier gut: – Es ist nicht das, was in den Mund hineingeht, das den Menschen verunreinigt, sondern das, was aus dem Mund des Menschen herauskommt ist es, das ihn verunreinigt. – Was aus dem Mund herauskommt, kommt aus dem Herzen, und das ist es, was den Menschen unrein macht; denn es ist aus dem Herzen, woher die bösen Gedanken, die Totschläge, die Ehebrüche, die unsittlichen Verhaltensweisen, die Diebstähle, die falschen Zeugenaussagen, die Lästerungen und die üblen Nachreden kommen. Diese Dinge sind es, die den Menschen verunreinigen; aber essen mit ungewaschenen Händen, das ist es nicht, was den Menschen verunreinigt.

Die Jünger näherten sich Jesus und sagten zu Ihm: Weißt Du, dass die Pharisäer empört waren, als sie hörten, was Du gesagt hast? Er aber antwortete: – Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerissen werden. – Lasst sie; sie sind Blinde, die Blinde führen. Wenn ein Blinder einen anderen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen. (Matthäus, Kap. XV, 1-20)

9. Während Er redete, bat Ihn ein Pharisäer, bei ihm zu Mittag zu essen. Jesus ging hin und setzte sich zu Tisch. Der Pharisäer fing an mit sich selbst zu reden: Warum hat Er nicht die Hände vor dem Essen gewaschen? – Da sprach der Herr zu ihm: – Ihr Pharisäer, ihr reinigt sorgfältig die Außenseite des Bechers und der Schüssel, aber das Innere eures Herzens ist voller Raub und Ungerechtigkeit. Unsinnige, die ihr seid! Hat nicht derjenige, der das Äußere gemacht hat, nicht auch das Innere gemacht? (Lukas, Kap. XI, 37-40)

10. Die Juden hatten die wahren Gebote Gottes vernachlässigt, um sich an die Praktiken der von Menschen festgelegten Vorschriften zu halten, aus denen die strengen Beobachter Gewissensfragen gemacht hatten. Der Hintergrund verschwand schließlich unter der Komplikation der Form. Da es viel einfacher war, die äußeren Handlungen zu beachten, als sich moralisch zu ändern; sich die Hände zu waschen, anstatt sein Herz zu reinigen, so haben die Menschen sich selbst getäuscht und sie glaubten Gott gegenüber quitt zu sein, weil sie sich an diese Praktiken anpassten, und sie blieben dabei wie sie waren; denn man hatte sie gelehrt, dass Gott nicht mehr verlangt. Deswegen sagte der Prophet: – Es ist umsonst, dass dieses Volk mich mit den Lippen ehrt, indem es menschliche Grundsätze und Anordnungen lehrt.

Dasselbe war mit der moralischen Lehre Christus, die letztendlich an die zweite Stelle gesetzt worden ist, was viele Christen nach dem Beispiel der früheren Juden dazu führte zu glauben, dass ihre Rettung mehr durch die äußerlichen Praktiken gesichert sei als durch diejenige der Moral. Es sind diese Zusätze, die der Mensch zum Gesetz Gottes hinzugefügt hat, auf die Jesus anspielte, als Er sagte: Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.

Das Ziel der Religion ist es, den Menschen zu Gott zu führen. Der Mensch kommt aber nur bei Gott an, wenn er vollkommen ist. Folglich erreicht jegliche Religion, die den Menschen nicht besser macht, nicht ihr Ziel. Diejenige, auf die man glaubt sich stützen zu können, um das Böse zu machen, ist entweder falsch oder in ihrem Grundsatz verfälscht worden. Dementsprechend ist das Resultat von denjenigen, bei denen sich die Form über den Hintergrund durchsetzt. Der Glauben an die Wirksamkeit der äußerlichen Zeichen ist gleich null, wenn er nicht verhindern kann, dass man Totschläge, Ehebrüche, Raub, Verleumdungen begeht und dem Nächsten Unrecht tut, in welcher Form auch immer. Eine solche Religion macht abergläubische, heuchlerische und fanatische Menschen, keineswegs aber gute Menschen.

Es genügt daher nicht, den Anschein der Reinheit zu haben, es ist vor allem nötig, die Reinheit des Herzens zu haben.

Skandale: Wenn eure Hand ein Grund für einen Skandal ist, hackt sie ab.

11. Wehe der Welt wegen der Skandale, denn es ist notwendig, dass Skandale kommen; doch wehe dem Menschen, durch den der Skandal kommt.

Wenn irgendjemand bei einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Empörung hervorruft, für den wäre es besser, dass man ihm um den Hals einen Mühlstein hängt, den ein Esel herumführt, und ihn in die Tiefe des Meeres wirft.

Seht zu, dass ihr keinen dieser Kleinen verachtet, denn ich sage euch, dass ihre Engel im Himmel das Gesicht meines Vaters, der im Himmel ist, unaufhörlich sehen; denn der Sohn des Menschen ist gekommen, um zu retten, was verloren war.

Wenn eure Hand oder euer Fuß Grund für einen Skandal ist, so hackt diese ab und werft sie weit fort von euch. Es ist besser für euch, in das Leben mit nur einem Fuß oder nur einer Hand einzugehen, als zwei zu haben und in das ewige Feuer geworfen zu werden. Und wenn euch euer Auge Grund für einen Skandal ist, so reißt es aus und werft es weit fort von euch. Es ist besser für euch, einäugig in das Leben einzugehen, als zwei Augen zu haben, um in das Feuer der Hölle gestürzt zu werden. (Matthäus, Kap. XVIII, 6-10 und Kap. 5; 27-30)

12. Im vulgären Sinn nennt man Skandal jede Handlung, die die Moral oder den Anstand in einer offensichtlichen Art und Weise schockiert. Der Skandal liegt nicht in der Handlung selbst, sondern in der Nachwirkung, die sie haben kann. Das Wort Skandal impliziert immer die Idee eines gewissen Ärgernisses. Viele Menschen geben sich damit zufrieden, den Skandal zu vermeiden, weil ihr Stolz darunter leiden würde, wenn ihre Überlegenheit unter den Menschen vermindert wäre; vorausgesetzt, dass ihre Schande nicht bekannt wird, genügt es ihnen und ihr Gewissen ist in Ruhe. Sie sind gemäß der Worte Jesu: „Äußerlich weiß getünchte Gräber, die aber im Innern voll von Fäulnis sind; Gefäße äußerlich gereinigt, im Innern schmutzig“.

Nach der Lehre des Evangeliums ist die Bedeutung des Wortes Skandal, das häufig benutzt wird, umfassender und daher versteht man die Bedeutung des Wortes in bestimmten Fällen nicht. Es ist nicht nur das, was das Gewissen anderer empört, sondern alles, was aus den Lastern und der Unvollkommenheit der Menschen resultiert; jede böse Reaktion von Individuum zu Individuum, mit oder ohne Konsequenzen. Der Skandal ist, in diesem Fall, das wirkliche Resultat des moralisch Bösen.

13. „Es ist notwendig, dass es Skandale auf der Erde gibt“, sagte Jesus, weil die Menschen, die auf der Erde unvollkommen sind, geneigt sind, das Böse zu tun und weil schlechte Bäume schlechte Früchte hervorbringen. Aus diesen Worten soll man verstehen, dass das Böse die Folge der Unvollkommenheit der Menschen ist, und nicht, dass es für sie eine Pflicht ist, das zu tun.

14. Es ist notwendig, dass der Skandal kommt, weil die Menschen, indem sie auf der Erde zum Büßen sind, sich selbst durch die Berührung mit ihren Lastern bestrafen, von denen sie die ersten Opfer sind. Sie kommen schließlich dazu, ihre Nachteile zu verstehen. Wenn sie vom erlittenen Bösen müde sind, werden sie das Heilmittel im Guten suchen. Die Rückwirkung dieser Laster dient somit gleichzeitig als Strafe für einige und als Prüfung für andere. So ist es, dass Gott immer das Gute aus dem Bösen zieht, und die Menschen selbst aus schlechten Dingen oder aus dem Abschaum lernen.

15. Wenn das so ist, wird man sagen, ist das Böse notwendig und wird unaufhörlich Bestand haben; denn falls es verschwindet, würde Gott ein mächtiges Mittel entzogen, um die Schuldigen zu bestrafen. Daher ist es zwecklos zu versuchen, die Menschen zu verbessern. Gäbe es aber keine Schuldigen mehr, dann entfiele auch die Notwendigkeit zu einer Bestrafung. Stellen wir uns vor, die Menschheit hätte sich in gute Menschen verwandelt. Niemand würde mehr daran denken, seinem Nächsten Böses zuzufügen und alle wären glücklich, weil sie gute Menschen sind. So ist der Zustand der fortgeschrittenen Welten, in der das Böse ausgeschlossen wurde. Genauso wird der Zustand der Erde sein, wenn sie weit genug fortgeschritten ist. Während aber bestimmte Welten fortschreiten, entstehen andere, bewohnt von primitiven Geistern, die außerdem als Wohnung, Verbannungsort und Ort zur Sühne für die unvollkommenen Geister dienen; und für rebellische Geister, die am Bösen hartnäckig festhalten und die von den glücklich gewordenen Welten abgelehnt werden.

16. Wehe aber dem Menschen, der den Skandal auslöst. Das heißt, dass das Böse immer das Böse bleibt. Derjenige, der – ohne es zu wissen – als Instrument der göttlichen Gerechtigkeit gedient hat, indem seine bösen Neigungen benutzt wurden, hat trotzdem das Böse begangen und muss bestraft werden. So ist es zum Beispiel, dass ein undankbarer Sohn eine Strafe oder eine Prüfung für den Vater ist, der das ertragen muss; weil der Vater vielleicht ein schlechter Sohn war, der seinem Vater Leid zugefügt hat und der jetzt die Strafe der Wiedervergeltung erleidet. Der Sohn ist aber nicht entschuldbarer dafür und er wird ebenfalls bestraft werden, durch seine eigenen Kinder oder auf eine andere Art.

17. Wenn eure Hand Grund für einen Skandal ist, hackt sie ab. Energischer bildlicher Ausdruck, der absurd wäre, wenn man ihn wortwörtlich nehmen würde und der einfach bedeutet, dass man in sich jeglichen Grund für Skandale vernichten muss, d.h. das Böse. Es ist notwendig, aus seinem Herzen alle unreinen Gefühle und alle lasterhaften Neigungen zu entfernen. Das heißt auch, dass es für den Menschen besser wäre, die Hand abgehackt zu haben, als dass sie für ihn ein Instrument einer bösen Tat sein würde; und besser blind zu sein, als dass seine Augen ihn zu bösen Gedanken verleiteten. Was Jesus sagte, ist für denjenigen nicht absurd, der den allegorischen und tiefen Sinn Seiner Worte verstehen kann. Aber viele Dinge können nicht verstanden werden, ohne die von dem Spiritismus gegebenen Erklärungen.

Unterweisungen der geistigen Welt
Lasst die Kinder zu mir kommen

18. Christus sagte: „Lasst die Kinder zu mir kommen“. Diese Wörter, tiefgründig in ihrer Einfachheit, beinhalten einen einfachen Aufruf nicht nur an die Kinder, sondern auch an die Seelen, die in niedrigen Sphären kreisen, wo das Unglück keine Hoffnung kennt.

Jesus ruft die intellektuelle Kindheit der erwachsenen Menschen zu sich: Die Schwachen, die Sklaven, die Lasterhaften. Er konnte der physischen Kindheit nichts lehren, die der Materie verhaftet, dem Joch des Instinkts unterworfen ist, und die noch nicht der höheren Kategorie der Vernunft und des Willens angehören, die um sie herum und für sie ausgeübt wird.

Jesus wollte, dass die Menschen zu Ihm kommen mit dem Vertrauen dieser kleinen Wesen mit ihren noch schwankenden Schritten, deren Rufen für Ihn das Herz der Frauen erobern würde, die alle Mütter sind. Auf diese Weise unterwarf Er die Seelen seiner zärtlichen und mysteriösen Autorität. Er war die Fackel, die die Finsternis erleuchtet, das morgendliche Horn, das zum Aufwachen bläst. Er war der Initiator des Spiritismus, der seinerseits nicht nur die kleinen Kinder, sondern alle Menschen guten Willens rufen muss. Das entschlossene Handeln hat begonnen; es geht nicht mehr darum, blind zu glauben oder auf mechanische Art zu gehorchen. Es ist notwendig, dass der Mensch dem intelligenten Gesetz folgt, das ihm seine Universalität enthüllt.

Meine Lieben, die Zeit ist gekommen, wo die erklärten Fehler zur Wahrheit werden. Wir werden euch den wahren Sinn der Gleichnisse lehren, und wir werden euch den starken Zusammenhang aufzeigen zwischen dem, was war und dem was ist. Wahrlich, ich sage euch: Die spiritistische Offenbarung vergrößert sich am Horizont; und hier ist sein Gesandter, der wie die Sonne über den Gipfeln der Berge strahlen wird. (Johannes, der Evangelist, Paris, 1863)

19. Lasst die kleinen Kinder zu mir kommen, weil ich die Nahrung zur Stärkung der Schwachen besitze. Lasst die Ängstlichen und Schwächlichen zu mir kommen, die Stütze und Trost brauchen. Lasst die Unwissenden zu mir kommen, damit ich sie aufkläre. Lasst alle Leidenden zu mir kommen, die Vielzahl der Bekümmerten und Unglücklichen. Ich werde sie das große Heilmittel lehren, um die Übel ihres Lebens zu erleichtern, und ich werde ihnen das Geheimnis der Heilung ihrer Wunden preisgeben.

Welch starker Balsam ist dieser, meine Freunde, der solch große Wirksamkeit besitzt; dieser Balsam, der bei allen Wunden des Herzens angewandt wird und sie heilt? Es ist die Liebe, die Nächstenliebe! Wenn ihr dieses göttliche Feuer habt, was fürchtet ihr denn? Ihr werdet in jedem Augenblick eures Lebens sagen: Mein Vater, DEIN Wille geschehe und nicht der meinige. Wenn es DIR gefällt, mich durch den Schmerz und die Nöte zu prüfen, sei es DIR gedankt, denn ich weiß, es ist gut für mich, wenn DEINE Hand auf mir lastet. Wenn es DIR gefällt, oh Herr, Erbarmen mit DEINEM schwachen Geschöpf zu haben; wenn DU meinem Herzen reine Freude gibst, sei es DIR ebenfalls gedankt. Mache aber, dass die göttliche Liebe in meiner Seele nicht einschläft, und dass ich unermüdlich die Stimme der Dankbarkeit zu DIR emporsteigen lasse!

Wenn ihr die Liebe besitzt, habt ihr alles, was man sich auf Erden wünschen kann. Ihr besitzt die wertvolle Perle, die euch weder von den verschiedenen Vorkommnissen noch den Bosheiten von denjenigen, die euch hassen und verfolgen, geraubt werden kann. Wenn ihr die Liebe habt, habt ihr eure Schätze dort gelagert, wo weder die Würmer noch der Rost sie angreifen können und ihr werdet sehen, wie aus eurer Seele alles verschwindet, was ihre Reinheit befleckt. Ihr werdet merken wie das Gewicht der Materie Tag für Tag leichter wird; und wie ein Vogel, der in der Luft fliegt und sich an die Erde nicht mehr erinnert, werdet ihr unaufhörlich immer weiter steigen, bis eure Seele, berauscht, sich an dem Element ihres Lebens, im Schoß des Herrn, sättigen wird. (Ein Schutzgeist, Bordeaux, 1861)

Selig sind diejenigen, die die Augen geschlossen haben.*

20. Meine guten Freunde, warum habt ihr mich gerufen? Ist es, damit ich meine Hände auf diese arme Leidende, die hier ist, auflege und sie heile? Ah, was für ein Leiden, gütiger Gott! Sie hat das Augenlicht verloren und Finsternis umhüllt sie. Arme Tochter! Sie soll beten und warten. Ich kann keine Wunder vollbringen, ich allein, ohne Gottes Willen. Alle Heilungen, die ich erwirken konnte, und die ihr kennt, schreibt sie alle nur DEMJENIGEN zu, der unser Vater ist. Bei eurem Kummer richtet eure Blicke immer zum Himmel und sagt aus der Tiefe eures Herzens: „Mein Vater, heile mich, mach aber, dass meine kranke Seele vor den Gebrechen meines Körpers geheilt wird; dass mein Fleisch bestraft wird, wenn es nötig ist, damit meine Seele sich bis zu DIR emporheben kann mit der Reinheit, die sie besaß, als du sie erschaffen hast. Nach diesem Gebet, meine Freunde, das der gütige Gott immer hören wird, wird euch die Kraft und der Mut und vielleicht auch die Heilung gegeben, um die ihr schüchtern gebeten habt, als Belohnung für eure Selbstaufopferung.

Da ich aber hier in einer Versammlung bin, wo es vor allem um das Lernen geht, sage ich euch, dass diejenigen, denen das Augenlicht entzogen wurde, sich als die Glückseligen der Sühne ansehen sollen. Erinnert euch daran was Christus gesagt hat, dass es besser wäre, dass ihr euer Auge ausreißt, falls es böse ist, und dass es besser wäre, es ins Feuer zu werfen anstatt zuzulassen, dass es der Grund für eure Verdammnis würde. Ah, wie viele gibt es auf dieser Welt, die eines Tages in die Finsternis verdammt werden, weil sie das Licht gesehen haben. Oh ja, wie glücklich sind diejenigen, die als Sühne durch das Augenlicht bestraft wurden. Ihr Auge wird für sie kein Grund des Skandals oder des Sturzes sein. Sie können gänzlich das Leben der Seelen leben; sie können mehr sehen als ihr, die ihr klar seht. Wenn Gott mir erlaubt, das Augenlid eines dieser armen Leidenden zu öffnen und ihnen das Licht zurückzugeben, sage ich zu mir: Geliebte Seele, warum kennst du nicht alle Freuden des Geistes, der von der Kontemplation und der Liebe lebt? Du würdest dann nicht darum bitten, dass dir gewährt wird, Bilder zu sehen, die weniger rein und weniger sanft sind, als die, die dir in deiner Blindheit zu ahnen ermöglicht werden!

Oh, selig sei der Blinde, der mit Gott leben möchte. Glücklicher als ihr, die ihr hier seid, spürt er das Glück, berührt es, sieht die Seelen und kann mit ihnen die geistigen Sphären erreichen, die nicht einmal die Auserwählten der Erde erblicken können. Das geöffnete Auge ist immer bereit, das Verderben der Seele zu verursachen. Das geschlossene Auge ist im Gegenteil immer bereit, die Seele zu Gott emporsteigen zu lassen. Glaubt mir, gute und geliebte Freunde, die Blindheit der Augen ist meistens das wahre Licht des Herzens, während das Augenlicht sehr oft der finstere Engel ist, der zum Tod führt.

Jetzt einige Worte an dich gerichtet, meine arme Leidende: Warte und habe Mut! Wenn ich dir sagen würde: Meine Tochter, deine Augen werden sich öffnen. Wie glücklich wärst du? Wer weiß aber, ob diese Freude nicht dein Verderben wäre? Habe Vertrauen in den guten Gott, der das Glück gemacht hat und die Traurigkeit erlaubt. Ich werde alles machen, was mir für dich erlaubt wird; aber deinerseits bete und denke vor allem an all das, was ich dir gerade gesagt habe.

Bevor ich nun gehe, empfangt alle, die ihr hier versammelt seid, meinen Segen. (Vianney, Pfarrer von Ars, Paris, 1863)

21. Bemerkung: Wenn ein Kummer nicht die Folge von Handlungen des gegenwärtigen Leben ist, muss man die Ursache in einem vorherigen Leben suchen. Alles, was man Ironie des Schicksals nennt, ist nichts anderes als die Folgen der Gerechtigkeit Gottes. Gott erlegt keine ungerechte Bestrafung auf, denn ER möchte, dass die Strafe immer im Verhältnis zu den Fehlern steht. Wenn ER, in Seiner Güte, einen Schleier über unsere vergangenen Handlungen geworfen hat, zeigt ER uns andererseits den Weg, durch die Worte Jesus: „Wer mit dem Schwert getötet hat, wird durch das Schwert getötet werden“. Worte, die wir so ausdrücken können: „Der Mensch wird immer durch das bestraft, durch das er gesündigt hat“. Wenn also jemand unter dem Verlust des Augenlichts leidet, bedeutet das, dass es ein Grund seines Absturzes war. Es kann auch sein, dass er der Grund für den Verlust des Sehens eines anderen war; dass jemand das Augenlicht verloren hat durch das Übermaß an Arbeit, die er ihm auferlegt hatte oder infolge von schlechten Behandlungen, Vernachlässigungen usw. In diesem Fall erleidet er die Strafe der Wiedervergeltung. Es ist möglich, dass er selbst bei seiner Reue diese Sühne gewählt hat, indem er die Worte Jesus an sich selbst anwendet: „Wenn dein Auge der Grund für einen Skandal ist, so reiß es aus“.

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* Diese Mitteilung wurde für eine blinde Person durchgegeben, für die man den Geist von J.B. Vianney, Pfarrer von Ars, gerufen hatte.