DAS BUCH DER MEDIEN oder WEGWEISER FÜR MEDIEN UND ANRUFER

Allan Kardec

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SECHSTES KAPITEL
Sichtbare Manifestationen


• Fragen über Erscheinungen • Theoretische Abhandlung über Geister-Erscheinungen • Kügelchengeister • Theorie der Halluzinationen



Fragen über Erscheinungen


100. Von allen Manifestationen sind die interessantesten ohne Widerrede jene, durch welche sich Geister sichtbar machen können. Man wird bei der Erklärung dieses Phänomens sehen, dass es nicht mehr übernatürlich ist, als die anderen. Wir geben zuerst die Antworten wieder, die uns hierüber von den Geistern gegeben wurden.

1) Können die Geister sich sichtbar machen?
„Ja, besonders im Schlaf, aber manche Menschen sehen sie auch im Wachzustand, aber das ist seltener.“

Anmerkung: Während der Körper ruht, befreit sich der Geist von den materiellen Bindungen; er ist viel freier und kann die anderen Geister viel leichter sehen, mit denen er in Verkehr tritt. Der Traum ist nur die Erinnerung an diesen Zustand; wenn man sich an nichts erinnert, so sagt man, man habe nicht geträumt; aber die Seele hat dessen ungeachtet nicht weniger gesehen und von ihre Freiheit genossen. Wir befassen uns hier speziell mit den Erscheinungen im Wachzustand.

2) Gehören die Geister, welche sich durch ihr Sichtbarwerden manifestieren, mehr der einen als der anderen Klasse an?
„Nein, sie können allen Klassen angehören, den höheren wie den niederen.“

3) Ist es allen Geistwesen gegeben, sich sichtbar zu machen?
„Alle können es, aber sie haben dazu nicht immer die Erlaubnis noch den Willen.“

4) Was für ein Ziel verfolgen die Geister, welche sich sichtbar machen?
„Das kommt darauf an; entsprechend ihrer Natur kann das Ziel gut oder schlecht sein.“

5) Wie kann die Erlaubnis erteilt werden, wenn das Ziel schlecht ist?
„Dann ist es eine Prüfung für diejenigen, denen sie erscheinen. Die Absicht des Geistes kann böse sein; aber das Ergebnis kann gut sein.“

6) Was kann das Ziel der Geister sein, die sich in einer bösen Absicht sehen lassen?
„Zu erschrecken, und oft um sich zu rächen.“

6a) Und was ist das Ziel der Geister, die in einer guten Absicht kommen?
„Die Personen zu trösten, die um sie weinen; zu beweisen, dass sie existieren und in eurer Nähe sind; Ratschläge zu geben und manchmal, um für sich Hilfe zu erbitten.“

7) Was hätte es für Nachteile, wenn die Möglichkeit, Geister zu sehen, beständig und allgemein wäre. Wäre das nicht ein Mittel, die Zweifel selbst der Ungläubigsten zu beheben?
„Wäre der Mensch beständig von Geistern umgeben, so würde ihre ständige Sicht ihn verwirren, es würde ihn im Handeln hindern und ihm die Initiative in den meisten Fällen nehmen; während er freier handelt, wenn er sich allein glaubt. Was die Ungläubigen betrifft, so haben sie genug Mittel, sich zu überzeugen, wenn sie nur davon Gebrauch machen wollen und nicht vom Hochmut geblendet sind. Ihr wisst wohl, dass es Menschen gibt, die gesehen haben und dennoch nicht glauben, weil sie sagen, das seien Illusionen. Kümmert euch nicht um diese Leute, Gott sorgt für sie.“

Anmerkung: Es wäre ebenso unangenehm, sich ständig von Geistern umgeben zu sehen, als die Luft zu sehen, die uns umgibt, oder die Milliarden mikroskopischer Tierchen, die um uns und über uns schwirren. Daraus müssen wir schließen, dass alles, was Gott gemacht hat, gut gemacht ist, und dass er besser weiß, was angemessen für uns ist.

8) Wenn der Anblick der Geister negative Folgen hat, warum ist er in gewissen Fällen gestattet?
„Es ist so, um zu beweisen, dass mit dem Körper nicht alles stirbt, und dass die Seele nach dem Tod ihre Individualität behält. Dieser vorübergehende Anblick genügt, um diesen Beweis zu liefern und die Gegenwart eurer Freunde in eurer Nähe zu bestätigen, euch darzutun; aber er hat nicht das Unangenehme der Dauerhaftigkeit.“

9) Ist in den fortgeschritteneren Welten als in der unseren der Anblick der Geister häufiger?
„Je mehr sich der Mensch der spirituellen Natur annähert, desto leichter tritt er mit den Geistern in Verkehr; es ist nur die Grobheit eurer Hülle, welche den Empfang der ätherischen Wesen schwieriger und seltener macht.“

10) Ist es vernünftig, sich über das Erscheinen eines Geistes zu erschrecken?
„Derjenige, welcher nachdenkt, muss begreifen, dass ein Geist, wer es auch immer sei, weniger gefährlich ist, als ein Lebender. Die Geister gehen übrigens überall hin und man braucht sie nicht zu sehen, um zu wissen, dass man sie an seiner Seite haben kann. Wenn ein Geist schaden will, so kann er es, ohne sich sehen zu lassen, und dies um so sicherer; er ist deshalb nicht gefährlich, weil er ein Geist ist, aber wohl durch den Einfluss, welchen er ausüben kann, indem er den Gedanken vom Guten ablenken und zum Bösen treiben kann.“

Anmerkung: Die Menschen, welche in der Einsamkeit oder in der Finsternis Furcht haben, sind sich selten des Grundes ihrer Furchtsamkeit bewusst; sie könnten nicht angeben, wovor sie sich fürchten, aber gewiss hätten sie mehr zu fürchten, den Menschen zu begegnen als den Geistern; denn ein Übeltäter ist lebend gefährlicher als nach dem Tod. Eine Dame von unserer Bekanntschaft hatte eines Abends in ihrem Zimmer eine sehr charakteristische Erscheinung, so dass sie an die Anwesenheit eines Menschen glaubte, und ihre erste Empfindung war ein Schrecken. Als sie sich aber überzeugt hatte, dass dort niemand war, sagte sie sich: Es scheint, nur ein Geist zu sein; ich kann ruhig schlafen.

11) Kann derjenige, dem ein Geist erscheint, mit ihm ein Gespräch anfangen?
„Ganz gewiss, und das ist es, was man in einem solchen Fall immer tun soll; indem man den Geist fragt, wer er ist, was erwünscht, und was man für ihn tun kann, um ihm nützlich zu sein. Wenn der Geist unglücklich und leidend ist, erleichtert ihn das ihm bezeugte Mitleid; wenn er ein wohlwollender Geist ist, so kann er in der Absicht kommen, gute Ratschläge zu erteilen.“ 11a)Wie kann der Geist in einem solchen Falle antworten? “Er tut es manchmal durch artikulierte Laute, wie es eine lebende Person täte, am häufigsten geschieht es durch Übertragung von Gedanken.“

12) Haben die Geister, welche mit Flügeln erscheinen, wirkliche Flügel, oder sind diese nur eine symbolische Erscheinung?
„Die Geister haben keine Flügel, sie haben sie nicht nötig, weil sie sich als Geister überallhin bringen können. Sie erscheinen in jener Gestalt, in welcher sie auf die betreffende Person Eindruck machen wollen, der sie sich zeigen. Die einen erscheinen in gewöhnliche Kleidung, andere in Draperien gehüllt, andere erscheinen mit Flügeln als Zeichen der Kategorie der Geister, welche sie repräsentieren.“

13) Sind die Personen, die man im Traum sieht, immer diejenigen, deren Angesicht man sieht?
„Das sind fast immer dieselben, welche euer Geist besucht, oder die euch besuchen kommen.“

14) Könnten nicht die Spottgeister das Aussehen jener annehmen, die uns lieb und wert sind, um uns in einen Irrtum zu führen?
„Sie nehmen phantastische Gestalten nur an, um sich auf eure Kosten zu unterhalten; aber es gibt Dinge, mit denen zu spielen ihnen nicht gestattet ist.“

15) Da der Gedanke eine Art des Anrufens ist, ist es begreiflich, dass er die Gegenwart eines Geistes hervorruft; aber wie geschieht es, dass oft Personen, an welche man am meisten denkt, welche man sehnsuchtsvoll zu sehen wünscht, sich uns nie im Traum zeigen, während man unwichtige Leute sieht, an die man gar nicht denkt?
„Die Geister haben nicht immer die Möglichkeit, sich sehen zu lassen, auch nicht im Traum, und trotz unseres Verlangens, sie zu sehen, können von ihrem Willen unabhängige Ursachen sie daran behindern. Oft ist es auch eine Prüfung, von welcher sie auch der innigste Wunsch nicht befreien kann. Was die unwichtigen Personen betrifft, so ist es möglich, dass sie an euch denkt, obgleich ihr nicht an sie denket. Übrigens könnt ihr euch keinen Begriff von den Beziehungen der Geisterwelt machen. Ihr findet dort eine Menge vertrauter, alter oder neuer Bekannten, von denen ihr im Zustand des Wachens keine Vorstellung habt.“

Anmerkung: Da man kein Mittel hat, die Visionen und Geistererscheinungen zu kontrollieren, kann man sie ohne Zweifel zu den Halluzinationen zählen, da sie aber durch Ereignisse bewiesen sind, kann man sie nicht der Einbildungskraft zuordnen. Dahin gehört z.B. das Erscheinen der Geister Sterbender teils im Schlaf, teils auch im wachen Zustand von Personen, an welche man gar nicht denkt, die kommen, um durch verschiedene Zeichen ganz unerwartete Umstände ihres Todes zu enthüllen. Man hat oft gesehen, wie sich Pferde bäumten und das Weitergehen verweigerten aus Furcht vor Erscheinungen, welche die erschreckten, die die Zügel führten. Wenn die Einbildungskraft bei den Menschen einen Zweck hat, so ist sie bei den Tieren ganz zwecklos. Übrigens, wenn die Bilder, die man im Traum sieht, immer eine Auswirkung der Sorgen aus dem Wachzustand wären, würde nichts erklären, warum es oft geschieht, dass man nie von Dingen träumt, an die man am meisten denkt.

16) Warum sind gewisse Visionen im Zustand einer Krankheit häufiger?
„Sie finden auch statt im Zustand vollkommener Gesundheit; aber während der Krankheit sind die materiellen Bande gelockert; die Schwäche des Körpers gestattet dem Geist mehr Freiheit und er kann mit anderen Geistern viel leichter in Verkehr treten.“

17) Die spontanen Erscheinungen scheinen in bestimmten Gegenden häufiger zu sein. Sind gewisse Völker mehr als andere geeignet, solche Manifestationen zu erhalten?
„Habt ihr Protokolle über jede Erscheinung geführt? Die Geistermitteilungen, die Klopflaute und alle Manifestationen sind gleichmäßig auf der ganzen Erde verbreitet; aber sie zeigen den kennzeichnenden Charakter der Völker, bei denen sie auftreten. Bei denen z.B., wo die Schrift noch wenig verbreitet ist, gibt es kein schreibendes Medium; bei anderen Völkern gibt es deren viele; anderswo gibt es häufiger Geräusche und Apporte als intelligente Mitteilungen, weil diese dort weniger geschätzt und gesucht werden.“

18) Warum finden die Geistererscheinungen mehr zur Nachtzeit statt? Wäre es nicht eine Wirkung der Stille und der Dunkelheit auf die Einbildungskraft?
„Aus demselben Grund, welcher euch während der Nacht die Sterne sehen lässt, welche ihr am hellen Tage nicht seht. Eine große Helligkeit kann eine leichte Erscheinung verwischen, aber es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Nacht dazu etwas beitragen kann. Fragt alle diejenigen, die solche Erscheinungen gehabt haben, und ihr werdet sehen, dass die meisten sie bei Tage gehabt haben.“

Anmerkung: Die Geistererscheinungen sind viel häufiger und viel allgemeiner als man glaubt; aber viele Menschen gestehen sie nicht ein aus Furcht, sich lächerlich zu machen; andere schreiben sie der Illusion zu. Wenn sie bei einigen Völkern häufiger vorkommen, so liegt das daran, weil man dort die wahren oder falschen Traditionen sorgfältiger bewahrt, die fast immer durch die Beimischung des Wunderbaren vergrößert werden, wozu der Aspekt des Ortes mehr oder weniger beiträgt. Die Leichtgläubigkeit lässt sodann in den einfachsten Erscheinungen übernatürliche Dinge erblicken. Die Stille der Einsamkeit, die Schroffheit der Bergschluchten, das Rauschen des Waldes, das Brausen des Sturmes, das Echo der Gebirge, die phantastische Gestaltung der Wolken, der Schatten, die Luftspiegelungen, alles trägt schliesslich zur Illusion für Menschen von einfacher und naiver Einbildungskraft bei, die im guten Glauben erzählen, was sie gesehen haben oder zu sehen geglaubt haben. Aber an der Seite der Erdichtung findet sich die Wirklichkeit, man muss nur das lächerliche Zubehör des Aberglaubens beseitigen, und dazu führt uns das ernste Studium des Spiritismus.

19) Geschieht das Sehen der Geister im natürlichen oder nur in einem ekstatischen Zustand?
„Es kann unter ganz normalen Bedingungen stattfinden, aber die Personen, welche die Geister sehen, sind sehr häufig in einem besonderen, an die Ekstase grenzenden Zustand, der ihnen eine Art zweiten Gesichtes gibt.“ (Buch der Geister: Nr. 447)

20) Sehen diejenigen, welche die Geister erblicken, dieselben mit den Augen?
„Sie glauben es, aber in der Wirklichkeit ist es die Seele, welche sieht, und was das beweist, ist der Umstand, dass man sie mit geschlossenen Augen sehen kann.“

21) Wie kann sich der Geist sichtbar machen?
„Hier gilt derselbe Grundsatz, wie bei allen Manifestationen, es hängt von der Beschaffenheit des Perispirits ab, welche nach dem Willen des Geistes verschiedene Gestalten annehmen kann.”

22) Kann sich der eigentliche Geist sehen lassen oder vermag er es nur mit der Hilfe des Perispirits?
„In eurem materiellen Zustand können sich die Geister nur mit Hilfe ihrer halbmateriellen Hülle manifestieren; diese ist der Vermittler, wodurch sie auf eure Sinne wirken. In dieser Hülle erscheinen sie manchmal in menschlicher Gestalt oder in einer ganz anderen, sei es im Traum oder auch im wachen Zustand, bei Licht ebenso gut wie bei Dunkelheit.”

23) Könnte man sagen, es geschieht durch die Verdichtung des Perispirit-Fluidums, dass der Geist sichtbar wird?
„Verdichtung ist nicht das rechte Wort, es ist vielmehr ein Vergleich, der euch nützen kann, um das hänomen zu begreifen; denn es gibt nicht wirklich eine Verdichtung. Durch die Kombination der Fluida erzeugt sich in dem Perispirit eine besondere Disposition, die nichts Ähnliches für euch hat, und die ihn wahrnehmbar macht.”

24) Sind die Geister, die erscheinen, immer ungreifbar und der Berührung unzugänglich?
„Sie sind in ihrem normalen Zustand ungreifbar, wie in einem Traum, jedoch können sie auf die Empfindungswerkzeuge wirken und Spuren ihrer Anwesenheit zurücklassen, und selbst in bestimmten Fällen vorübergehend tastbar werden, was beweist, dass zwischen euch und ihnen eine Materie besteht.”

25) Ist jeder fähig, die Geister zu sehen?
„Im Schlaf ja, aber nicht im Wachzustand. Im Schlaf sieht die Seele ohne Vermittler, im wachen Zustand ist sie mehr oder weniger durch die Organe beeinflusst, deshalb sind die Bedingungen ganz und gar nicht dieselben.”

26) Wovon hängt die Fähigkeit ab, Geister im Wachzustand zu sehen?
„Diese Fähigkeit hängt von der Veranlagung ab, von der größeren oder geringeren Leichtigkeit, welche das Fluidum des Lebenden besitzt, sich mit jenem des Geistes zu verbinden. Es genügt also nicht, dass der Geist sich zeigen will, er muss auch noch in der Person, welcher er sich zeigen will, die nötige Fähigkeit finden.“

26a) Kann sich diese Fähigkeit durch Übung entwickeln?
„Ja, wie jede andere Gabe, aber es ist eine jener Gaben, wo es besser ist, die natürliche Entwicklung abzuwarten als sie hervorzurufen, um nicht die Einbildungskraft hineinspielen zu lassen. Das allgemeine und permanente Sehen der Geister ist eine Ausnahme und gehört nicht zu den normalen Umständen des Menschen.“

27) Kann man das Erscheinen der Geister hervorrufen?
„Das kann man wohl, aber sehr selten, es ist fast immer spontan. Man muss dazu mit einer besonderen Gabe ausgerüstet sein.“

28) Können sich die Geister in einer anderen Gestalt als der menschlichen zeigen?
„Die menschliche Gestalt ist die normale. Der Geist kann den Schein ändern, aber die Grundform bleibt immer die menschliche.“

28a) Können sie sich nicht in der Gestalt von Flammendarstellen?
„Sie können Flammen, Lichter und alle anderen Effekte hervorbringen, um ihr Dasein zu bezeugen, aber sie nehmen diese Gestalten nicht an. Die Flamme ist oft nichts anderes als eine Luftspiegelung oder ein Ausfluss des Perispirits, aber in allen Fällen ist es nur ein Teil davon; ganz erscheint der Perispirit nur bei den Visionen.“„Diese Fähigkeit hängt von der Veranlagung ab, von der größeren oder geringeren Leichtigkeit, welche das Fluidum des Lebenden besitzt, sich mit jenem des Geistes zu verbinden. Es genügt also nicht, dass der Geist sich zeigen will, er muss auch noch in der Person, welcher er sich zeigen will, die nötige Fähigkeit finden.“

29) Was soll man von dem Glauben halten, welcher die Irrlichter der Anwesenheit von Seelen oder Geistern zuschreibt?
„Das ist durch Unwissenheit hervorgerufener Aberglaube; die physische Ursache der Irrlichter ist wohl bekannt.“

29a) Die blaue Flamme, die, wie man sagt, auf dem Kopf von Servius Tullius erschien, als er Kind war, ist sie eine Fabel oder Wirklichkeit?
“Das war real; sie war vom Familiengeist erzeugt, der die Mutter verständigen wollte. Diese Mutter, selbst sehendes Medium, hatte ein Strahlen des Schutzgeistes ihres Kindes bemerkt. Sehende Medien sehen nicht alle im gleichen Maße, genau wie eure Schreibmedien nicht alle das Gleiche schreiben. Während diese Mutter nur eine Flamme sah, hatte ein anderes Medium sogar den Körper des Geistwesens sehen können.”

30) Könnten sich die Geister in Tiergestalt zeigen?
„Das kann geschehen; aber das sind dann immer nur sehr untergeordnete Geister. Das wäre auf jeden Fall nur eine momentane Erscheinung, denn es wäre absurd zu glauben, dass ein wahres Tier (welcher Art auch immer) die Inkarnation eines Geistes sein könnte. Tiere sind und bleiben immer Tiere und nichts anderes.“

Anmerkung: Nur der Aberglaube kann glauben machen, dass gewisse Tiere durch Geister belebt sind. Man muss eine ziemlich selbstgefällige oder belastete Einbildungskraft haben, um in den etwas bizarren Umständen unter denen sie sich manchmal vorstellen eine übernatürliche Sache zu sehen. Die Furcht lässt uns manchmal Dinge sehen, die es nicht gibt, sie ist aber nicht immer die einzige Quelle dieser Idee. Wir haben eine Dame gekannt, die sonst sehr vernünftig war und eine fette, schwarze Katze über alle Massen liebte, weil sie glaubte, dass dieselbe übertieresiche Fähigkeiten besass. Sie hat jedoch nie von Spiritismus sprechen gehört; wenn sie ihn gekannt hätte, so hätte er sie das Lächerliche ihrer Vorliebe verstehen lassen, indem er ihr die Unmöglichkeit einer solchen Metamorphose bewiesen hätte.

Theoretischer Abhandlung über Geister-Erscheinungen

101. Die gewöhnlichsten Geistererscheinungen finden im Schlaf durch die Träume statt: das sind die Visionen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, alle Besonderheiten zu erforschen, welche die Träume vorstellen zeigen können; wir fassen uns kurz, indem wir sagen, sie können sein: eine aktuelle Vision von gegenwärtigen oder abwesenden Dingen, eine Vision mit Rückblick auf das Vergangene und in einigen besonderen Fällen ein Vorgefühl der Zukunft. Es sind oft auch allegorische Bilder, welche die Geister vor unseren Augen vorüberziehen lassen, um uns nützliche Mitteilungen und heilsame Ratschläge zu erteilen, wenn es gute Geister sind; oder um uns in Irrtum zu führen, und unseren Leidenschaften zu schmeicheln, wenn es unvollkommene Geister sind. Die folgende Theorie beschäftigt sich mit den Träumen, sowie mit allen anderen Fällen von Geistererscheinungen. (Siehe: Das Buch der Geister: Frage 400 u. folgende)

Wir würden unsere Leser in Bezug auf ihren gesunden Menschenverstand zu beleidigen glauben, wenn wir widerlegen wollten, was es Absurdes und Lächerliches gibt, in dem, was man gewöhnlich Traumdeutung nennt.

102. Die eigentlichen Geistererscheinungen finden nur im Wachzustand statt, und dann, wenn man die Fülle und die ganze Freiheit seiner Fähigkeiten genießt. Sie erscheinen im Allgemeinen in einer dunstigen und durchsichtigen, manchmal vagen und undeutlichen Gestalt; es ist oft ein weißliches Licht, dessen Umrisse sich nach und nach abzeichnen. Ein anderes Mal sind die Formen klar hervorgehoben und man unterscheidet die feinsten Züge des Gesichtes, so dass man davon eine sehr genaue Beschreibung geben könnte. Der Gang, der Anblick sind ganz demjenigen ähnlich, den der Geist im Leben hatte.

Da der Geist alle Gestalten annehmen kann, so stellt er sich unter der vor, die ihn am meisten erkennbar macht, wenn dies seine Absicht ist. Obgleich er als Geist kein körperliches Gebrechen hat, so wird er sich dennoch als Krüppel, buckelig, verwundet, mit Narben zeigen wenn es nötig ist, um seine Identität zu beweisen. Esop (ein Fabeldichter im alten Griechenland), ist zum Beispiel als Geist nicht missgestaltet, aber wenn man ihn anruft als Esop, hätte er seither schon mehrere Existenzen gehabt und wird hässlich und bucklig mit der traditionellen Kleidung erscheinen.

Eine bemerkenswerte Sache ist, dass bei weniger besonderen Umständen die unteren Teile am wenigsten abgezeichnet sind, während der Kopf, der Rumpf, die Arme und die Hände klar hervorgehoben werden; auch sieht man sie nie gehen, sondern schweben wie die Schatten. Die Kleidung besteht gewöhnlich aus einem Faltenwurf, welcher in langen fließenden Falten endet; die Geister, die von irdischen Dingen nichts beibehalten haben, erscheinen mit wogenden Haaren graziös; aber gewöhnliche Geister, welche man gekannt hat, haben gewöhnlich jene Kleidung, welche sie in der letzten Zeit ihres Lebens trugen. Oft haben sie charakteristische Attribute ihrer Erhabenheit wie eine Strahlenkrone oder Flügel bei jenen, die man für Engel halten soll, während andere solche Zeichen tragen, die an ihre irdischen Beschäftigungen erinnern. So kann ein Soldat mit seiner Rüstung, ein Gelehrter mit Büchern, ein Mörder mit einem Dolch usw. erscheinen. Die höheren Geister haben eine schöne, edle und ruhige Figur; die niederen Geister haben aber etwas Wildes, Tierisches an sich und tragen manchmal noch Spuren des Verbrechens, die sie begangen haben oder Folterungen die sie ertragen haben. Die Sache der Kleidung und all der dazugehörigen Gegenstände erstaunt vielleicht am meisten. Wir werden darauf in einem gesonderten Kapitel zurückkommen weil es mit anderen wichtigen Tatsachen in Verbindung steht.

103. Wir haben gesagt, dass die Geistererscheinungen etwas Dunstartiges an sich haben; in vielen Fällen könnte man sie mit einem im Spiegel reflektierten Bild ohne Spiegelbelag vergleichen, welches trotz seiner Reinheit nicht verwundert, dass man die Gegenstände, die dahinter sind hindurchsieht. Es kommt häufig genug vor, dass die sehenden Medien sie unterscheiden; sie sehen Geister gehen, in eine Wohnung eintreten oder hinausgehen, in einer Menge Menschen herumgehen, indem sie den Anschein haben, wenigstens die gewöhnlichen Geister, als nehmen sie einen tätigen Anteil an allem, was um sie herum geschieht, sich daran interessieren und hören, was man spricht. Oft sieht man sie, sich einer Person nähern, ihr Gedanken einflössen, sie beeinflussen, trösten wenn sie gut sind, sie verspotten, wenn sie schlecht sind, sich traurig oder zufrieden zeigen, je nach den Erfolgen die sie haben; es ist mit einem Wort die Fortsetzung der körperlichen Welt. So ist die verborgene Welt beschaffen, die uns umgibt, in deren Mitte wir leben, ohne sie zu ahnen. So wie wir, ohne es mehr zu ahnen, inmitten von Myriaden der mikroskopischen Welt leben. Das Mikroskop hat uns eine Welt von unendlich kleinen Wesen entdeckt, die wir nicht ahnten; der Spiritismus, von sehenden Medien unterstützt, hat uns die Geisterwelt entdeckt, welche auch eine der aktiven Naturkräfte ist. Mit Hilfe der sehenden Medien konnten wir die unsichtbare Welt studieren, uns mit deren Gebräuchen bekannt machen, so wie ein Volk von Blinden die sichtbare Welt studieren könnte mit Hilfe einiger Menschen, die sich des Sehens erfreuen. (Sehe im Kapitel der Medien, den Artikel über sehende Medien)

104. Der Geist, welcher erscheinen will und kann, nimmt manchmal eine noch deutlichere Gestalt an, die den vollen Anschein eines festen Körpers hat, so dass er eine vollständige Illusion erzeugt und glauben lässt, man habe ein körperliches Wesen vor sich. In einigen Fällen jedoch und unter dem Einfluss gewisser Umstände kann die Fühlbarkeit reell werden, d.h. man kann berühren, betasten, denselben Widerstand, dieselbe Wärme fühlen, wie an einem lebenden Körper, was sie nicht daran hindert, sich mit der Geschwindigkeit eines Blitzes aufzulösen. Man stellt die Gegenwart des Geistes also nicht mehr durch die Augen fest, sondern durch den Tastsinn. Wenn man die einfach sichtbare Geistererscheinung einer Täuschung oder einer Art Zauber zuschreiben könnte, so ist ein Zweifel nicht mehr gestattet, wenn man den Körper gewordenen Geist ergreifen und betasten kann, und wenn der Geist euch selbst anfasst und umarmt. Die tastbaren Geistererscheinungen sind die seltensten, die aber in der letzten Zeit durch den Einfluss einiger starker Medien vorgefallen sind, und die die Echtheit einwandfreier Zeugnisse haben, beweisen und erklären alle, welche die Geschichte in Bezug auf Personen erzählt, welche sich nach ihrem Tod mit allen Anzeichen der Wirklichkeit gezeigt haben. Außerdem, wie wir gesagt haben, so außerordentlich solche Phänomene auch sind, so verschwindet das Wunderbare, wenn man die Art und Weise kennt, wie sie entstehen, und man begreift dann, dass sie keine Abweichung von den Naturgesetzen sind, sondern nur eine neue Anwendung derselben.

105. Seiner Natur nach und in seinem normalen Zustand ist der Perispirit unsichtbar, und diese Eigenschaft hat er mit einer Menge Fluida gemeinsam, von deren Dasein wir Kenntnis haben, ohne dass wir sie je gesehen hätten; aber es kann auch, wie gewisse Fluida, Abarten zeigen, die es für das Sehen, sei es durch eine Art Verdichtung, sei es durch eine Veränderung in dem molekularen Zustand wahrnehmbar machen. Daher kommt es, dass er uns in einer Dunstgestalt erscheint. Die Verdichtung sagen wir, kann eine solche sein, dass der Perispirit die Eigenschaften eines festen und tastbaren Körpers erhält, aber es kann augenblicklich wieder seinen ätherischen und unsichtbaren Zustand annehmen. Wir können uns von dieser Wirkung ein Bild machen, davon den Dampf, der aus dem Zustand der Unsichtbarkeit in jenen des Nebels, dann in den flüssigen und festen und umgekehrt übergehen kann. Diese verschiedenen Zustände des Perispirits sind das Resultat des Willens des Geistes und nicht einer äußeren physischen Ursache, wie bei unseren Gasen. Wenn der Geist uns erscheint, so bringt er seinen Perispirit in den erforderlichen Zustand, um ihn sichtbar zu machen; aber dazu genügt sein Wille nicht, denn die Anpassungen des Perispirits geschehen durch seine Verbindung mit dem dem Medium eigentümlichen Fluidum. Da nun diese Verbindung nicht immer möglich ist, so ist es erklärlich, warum das Sichtbarwerden der Geister nicht allgemein ist. Daher ist es nicht genug, dass sich der Geist zeigen will; ebenso wenig genügt es, dass eine Person ihn sehen will; es müssen sich die beiderseitigen Fluida verbinden können; dass zwischen ihnen eine Übereinstimmung besteht, vielleicht muss auch die Ausströmung des Fluidums der Person ausgiebig genug sein, um die Verwandlung des Perispirits zu bewirken, und wahrscheinlich gibt es noch andere Bedingungen, die uns unbekannt sind. Schlussendlich muss der Geist die Erlaubnis haben, sich dieser Person zu zeigen, was ihm nicht immer gestattet ist, oder nur unter gewissen Bedingungen, aus Gründen, die wir nicht zu ermessen können.

106. Eine andere Eigenschaft des Perispirits, welche von seiner ätherischen Natur abhängt, ist die Durchdringlichkeit. Keine Materie macht ihm Hindernisse, er durchdringt alle, wie das Licht durchsichtige Körper durchdringt. Deshalb gibt es keinen Verschluss, der den Zutritt der Geister verhindern könnte. Sie besuchen die Verhafteten im Gefängnis ebenso leicht, wie einen Menschen, der sich auf freiem Feld befindet.

107. Die Geistererscheinungen im wachen Zustand sind weder selten noch neu, es gab solche zu allen Zeiten. Die Geschichte zählt derer eine große Menge, aber ohne so weit zu gehen, auch in unseren Tagen sind sie so häufig, und viele Personen haben solche gehabt, was sie anfänglich für das hielten, was man übereingekommen ist, Halluzinationen zu nennen. Sie sind besonders eindeutig bei Todesfällen von abwesenden Personen, die kommen, um ihre Verwandten oder Freunde zu besuchen. Oft haben sie kein festgelegtes Ziel, aber man kann im Allgemeinen sagen, dass die Geister, welche auf diese Art erscheinen, durch Sympathie angezogen werden. Möge nur ein jeder sein Gedächtnis zu Rate ziehen, und man wird sehen, dass es wenige Personen gibt, die nicht Kenntnis von gewissen Tatsachen dieser Art hätten, deren Glaubwürdigkeit nicht in Zweifel gezogen worden wäre.

Kügelchengeister

108. Wir fügen zu den vorhergehenden Betrachtungen noch die Prüfung einiger optischer Effekte hinzu, die Anlass zu der sonderbaren Form Kügelchengeistern gegeben hat.

Die Luft ist nicht immer von absoluter Klarheit, und es gibt solche Umstände, wo die Strömung der luftförmigen Moleküle und ihre durch die Wärme hervorgebrachte Wirbelung vollkommen sichtbar ist. Einige Personen haben dies für eine Anhäufung von in der Luft herumtreibenden Geister gehalten; es genügt, auf diese Meinung aufmerksam zu machen, um sie zu widerlegen. Aber da gibt es noch eine andere nicht weniger merkwürdige Art von Illusion, gegen die man genauso gerüstet sein sollte.

Der wässrige Dunst des Auges bietet kaum wahrnehmbare Punkte, welche ihre Durchsichtigkeit verloren haben. Diese Punkte sind wie undurchsichtige Körper, die in der Flüssigkeit schwimmen der Bewegungen sie folgen. Sie bringen in der umgebenden Luft auf Entfernung durch die Wirkung von Vergrößerung und Strahlenbrechung den Anschein von kleinen Scheiben hervor, schwankend von einem bis zehn Millimeter im Durchmesser, und die in der Atmosphäre zu schwimmen scheinen. Wir haben Personen gesehen, die diese Scheiben für Geister gehalten haben, die ihnen folgten und sie überall hinbegleiteten, und in ihrem Enthusiasmus hielten sie die Nuancen der Irisation für Gestalten, was ungefähr ebenso vernünftig ist, wie eine Gestalt im Mond zu sehen. Eine einfache von diesen Personen selbst angestellte Beobachtung wird sie wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückbringen.

Diese Scheiben oder Medaillons, sagen sie, begleiten sie nicht nur, sondern folgen allen ihren Bewegungen, sie gehen nach rechts, links, oben, unten oder bleiben stehen, je nach der Bewegung des Kopfes. Das erregt kein Staunen; da der Sitz dieser Erscheinung im Augapfel ist, muss sie den Bewegungen desselben folgen. Wenn das Geister wären, so müsste man gestehen, dass sie zu einer für intelligente und freie Wesen sehr mechanischen Rolle gezwungen wären, - eine selbst für niedere Geister eintönige Rolle, daher umso mehr unverträglich mit der Vorstellung, die wir uns von den höheren Geistern machen. Es ist wahr, einige halten die schwarzen Punkte oder dunklen Flecke für böse Geister. Diese Scheiben wie auch die schwarzen Flecke haben eine wellenförmige Bewegung, die sich nie aus dem Bereich eines Winkels entfernt, und was zur Täuschung beiträgt, ist der Umstand, dass sie den Bewegungen der Sehlinie nicht mit Ungestüm folgen. Der Grund dafür ist ganz einfach. Wir haben gesagt, die dunklen Punkte der wässrigen Feuchtigkeit, die erste Ursache dieses Phänomens sind wie in der Höhe hängend und haben immer das Bestreben herabzusteigen; wenn sie steigen, so geschieht es, weil sie durch die Bewegung des Auges von unten nach oben dazu gebracht werden, aber in einer gewissen Höhe angekommen, sieht man, wenn man das Auge fixiert, die Scheiben von selbst herabsteigen und dann stehen bleiben. Ihre Beweglichkeit ist extrem, denn es genügt eine unwahrnehmbare Bewegung des Auges, um sie zu zwingen, ihren Standort zu verändern, und schnell die ganze Strecke des Luftkreises durchzulaufen, wo sich das Bild bildet. So lange es nicht bewiesen ist, dass ein Bild eine eigene, willkürliche und intelligente Bewegung hat, so kann man darin nur ein einfaches optisches oder physiologisches Phänomen sehen.

Auf gleiche Art verhält es sich mit den Funken, die sich manchmal an den mehr oder weniger festen Garben- oder Nervenbündeln durch das Zusammenziehen der Augenmuskeln bilden, und die wahrscheinlich von der phosphoreszierenden Elektrizität des Augapfels herrühren, weil sie gewöhnlich auf den Bereich der Scheibe dieses Organs beschränkt sind.

Solche Illusionen können nur das Resultat einer unvollständigen Beobachtung sein. Wer immer die Natur der Geister ernsthaft studiert, der wird mit allen Mitteln, welche die praktische Wissenschaft angibt, alles das begreifen, was sie Kindliches an sich haben. So wie wir die kühnen Theorien bekämpfen, durch welche man die Manifestationen angreift, wenn die Theorien sich auf die Unkenntnis der Tatsachen gründen, ebenso müssen wir bestrebt sein, die falschen Ideen zu zerstreuen, welche mehr Eifer als Überzeugung beweisen und die eben deshalb mehr Böses als Gutes bei den Ungläubigen hervorbringen, die ohnehin geneigt sind, nur die lächerliche Seite zu suchen.

109. Der Perispirit ist, wie man sieht, das Prinzip aller Manifestationen; die Kenntnis desselben gab uns den Schlüssel zu einer Menge Erscheinungen, sie ließ die spiritistische Wissenschaft einen ungemeinen Fortschritt machen, sie brachte dieselbe auf eine neue Bahn, indem sie ihm jeglichen Wundercharakter nahmen. Wir haben durch die Geister selbst, denn bedenkt wohl, dass sie es sind, die uns auf den Weg gebracht haben, die Erklärung des Einflusses der Geister auf die Materie, der Bewegung der trägen Körper, der Lautkundgebungen und der Erscheinungen gefunden. Wir werden darin noch jene Erklärung von vielen anderen Phänomenen finden, die uns zu prüfen übrig bleiben bevor wir zur Erforschung der eigentlichen Mitteilungen übergehen. Man wird sie umso besser verstehen, je mehr man die primären Ursachen begreift. Wenn man dieses Prinzip gut verstanden hat, wird man die Anwendung auf die verschiedenen Tatsachen von selbst mit Leichtigkeit machen, welche sich dem Beobachter darstellen können.

110. Wir sind weit davon entfernt, die von uns aufgestellte Theorie als absolut und als letztes Wort zu betrachten; sie wird ohne Zweifel später vervollständigt oder durch neue Studien berichtigt werden; aber so unvollständig und unvollkommen sie heutzutage noch ist, kann sie uns immer helfen, uns die Möglichkeit der Tatsachen bewusst zu machen, durch Ursachen, welche nichts Übernatürliches haben. Wenn es eine Hypothese ist, so kann man ihr durchaus nicht den Verdienst der Vernunft und der Wahrscheinlichkeit absprechen und sie ist wohl ebenso viel wert als alle Gegengründe, welche unsere Widersacher angeben, um zu beweisen, dass alles in den spiritistischen Erscheinungen nur eine Täuschung, phantastische Vision und Trick sei.

Theorie der Halluzinationen

111. Diejenigen, welche die unkörperliche und unsichtbare Welt nicht anerkennen, glauben mit dem Wort Halluzinationen alles erklären zu können. Die Definition dieses Wortes ist bekannt; es ist ein Irrtum, eine Täuschung einer Person, welche glaubt, Wahrnehmungen zu haben, die sie tatsächlich nicht hat (von dem lateinischen allucinari: irren gemacht durch Licht); allein die Weisen haben unseres Wissens bisher noch nicht den physiologischen Grund davon angegeben.

Die Optik und die Physiologie scheinen für sie keine Geheimnisse mehr zu haben; wie kommt es also, dass sie die Quelle und Natur der Bilder noch nicht erklärt haben, welche sich in gewissen Umständen dem Geist zeigen? Sie wollen alles durch die Gesetze der Materie erklären, bitte; dann sollten doch nach diesen Gesetzen eine Theorie der Halluzination aufstellen, gut oder schlecht, es wird immer eine Erklärung sein.

112. Die Ursache der Träume ist noch nie durch die Wissenschaft erklärt worden. Sie schreibt sie einer Wirkung der Einbildungskraft zu; aber sie sagt uns nicht, was die Einbildungskraft ist, noch wie sie diese so klaren, so deutlichen Bilder, die uns manchmal erscheinen, hervorbringt. Das heißt eine Sache, welche unbekannt ist, durch eine andere erklären, die es nicht weniger ist. Die Frage bleibt also voll und ganz bestehen. Man sagt, das ist die Erinnerung an die Sorgen des Vortages, aber selbst wenn dies zuträfe, genügt es nicht, es bliebe herauszufinden, welcher der Zauberspiegel ist, der so treu den Eindruck der Sachen behält? Wie sollte man insbesondere die Vision reeller Dinge erklären, die man nie im wachen Zustand gesehen und an die man nicht einmal gedacht hat? Der Spiritismus allein konnte uns zu diesem sonderbaren Phänomen den Schlüssel geben, welches unbeachtet vorübergeht, gerade wegen seiner Allgemeinheit so wie alle Wunder der Natur, die wir mit Füßen treten.

Die Gelehrten haben es verschmäht, sich mit den Halluzinationen zu beschäftigen; ob sie wirklich bestehen oder nicht, sie sind nichtsdestoweniger ein Phänomen, welches die Physiologie imstande sein muss aufzuklären, weil sie sonst ihr Unvermögen gestehen würde. Wenn es eines Tages ein Gelehrter unternimmt, nicht etwa eine Definition, verstehen wir uns richtig, sondern eine physiologische Erklärung davon zu geben, so werden wir sehen, ob diese Theorie alle Fälle aufklärt, ob sie nicht insbesondere die so allgemeinen Tatsachen der Erscheinungen von Personen im Moment ihres Dahinsterbens weglässt. Sie soll sagen, woher das Zusammentreffen der Erscheinung mit dem Tod der Person kommt. Wenn das ein vereinzelter Fall wäre, so könnte man ihn dem Zufall zuschreiben, aber da es sehr häufig geschieht, so hat der Zufall keine solche Wiederkehr. Wenn noch derjenige, der die Erscheinung sieht, von dem Gedanken befallen wäre, dass die Person sterben müsse, so ginge es noch an; aber die erscheinende Person ist am häufigsten eine, an welche man am wenigsten denkt; da ist also die Einbildungskraft zunichte. Man kann noch weniger durch die Einbildungskraft die Umstände des Todes erklären, von dem man keine Idee hat.

Werden die Halluzinationisten sagen, dass die Seele (wenn sie an eine Seele glauben) Momente der Überreizung habe, wo ihre Fähigkeiten erhöht sind? Wir sind damit einverstanden; wenn aber das, was sie sieht, wirklich besteht, so ist es keine Illusion. Wenn die Seele in ihrer Exaltation etwas sieht, was nicht gegenwärtig ist, so ist es darum, weil sie sich überträgt; wenn aber unsere Seele sich zu einer abwesenden Person übertragen kann, warum sollte sich die Seele dieser Person nicht auch zu uns übertragen? Mögen sie in der Theorie der Halluzination dieser Tatsache Rechnung tragen und nicht vergessen, dass eine Theorie, welcher man konträre Fälle entgegensetzen kann, notwendigerweise falsch oder unvollständig sein muss. In der Erwartung einer Erklärung werden wir indessen versuchen einige Erläuterungen über diesen Gegenstand zu geben.

113. Tatsachen beweisen, dass es wirkliche Geistererscheinungen gibt, worüber die spiritistische Theorie vollkommen Aufschluss gibt, und die nur diejenigen leugnen können, welche außerhalb des Organismus nichts zugeben; aber nebst reeller Visionen gibt es da Halluzinationen im wahren Sinne des Wortes? Zweifelsohne. Was ist die Quelle derselben? Es sind die Geister, welche uns auf den wahren Weg bringen; denn die Erklärung erscheint uns vollständig in den folgenden, auf gestellte Fragen gegebenen Antworten:

1) Sind Visionen immer reell, und sind sie nicht manchmal eine Wirkung der Halluzination? Wenn man im Traum oder sonst z.B. den Teufel oder andere phantastische Sachen sieht, welche nicht bestehen, ist das nicht ein Produkt der Phantasie?
„Ja, manchmal, wenn man durch bestimmte Lektüren erschüttert ist, oder durch Teufelsgeschichten, welche beeindrucken, dann erinnert man sich daran und glaubt zu sehen was es gar nicht gibt. Aber wir haben auch gesagt, dass der Geist in seiner halbmateriellen Hülle alle möglichen Formen annehmen kann, um sich zu manifestieren. Ein Spottgeist kann also mit Hörnern und Krallen erscheinen, wenn er will, um mit Leichtgläubigen sein Spiel zu treiben, so wie ein guter Geist sich mit Flügeln und in einer strahlenden Gestalt zeigen kann.”

2) Kann man die Figuren oder andere Bilder als Geistererscheinungen, ansehen, die sich uns im Halbschlaf zeigen oder wenn man bloß die Augen schließt, zeigen?
„Sobald die Sinne benommen werden, befreit sich der Geist und kann in der Ferne oder in der Nähe Dinge sehen, die er mit den Augen nicht sehen könnte. Diese Bilder sind sehr oft Visionen; aber sie können auch eine Wirkung von Eindrücken sein, die beim Anblick gewisser Objekte entstehen, dessen Spuren das Gehirn bewahrt, wie es jene von Tönen behält. Der befreite Geist sieht diese Eindrücke in seinem eigenen Gehirn, die sich dort wie ein soeben aufgenommenes Bild auf die photographische Platte festsetzen. Ihre Verschiedenheit und ihre Vermischung bilden ein bizarres und flüchtiges Ganzes, das sich nahezu gleich verliert, ungeachtet aller Anstrengungen, die man macht, es zu behalten. Einer solchen Ursache muss man gewisse Phantasie-Erscheinungen zuschreiben, die nichts bedeuten und oft im Krankheitsstand vorkommt.

Es ist erwiesen, dass das Gedächtnis das Resultat der Eindrücke ist, welche das Gehirn zurückbehalten hat. Aber durch welches eigenartige Phänomen vermischen sich diese verschiedenen, vielfältigen Eindrücke nicht? Das ist ein unerklärliches Geheimnis, welches aber nicht mehr befremdet, als jenes der Tonwellen, die sich in der Luft kreuzen und nichtsdestoweniger voneinander unterscheidbar sind. In einem gesunden, wohlorganisierten Gehirn sind diese Eindrücke deutlich und bestimmt, in einem weniger günstigen Zustand vermischen und verwirren sie sich; daher stammt das Schwinden des Gedächtnisses oder die Verwirrung der Ideen. Dies erscheint noch weniger außerordentlich, wenn man, wie in der Phrenologie (früher Schädellehre), für einen jeden Teil, ja sogar für eine jede Faser des Gehirnes eine besondere Bestimmung annimmt.

Die durch die Augen zum Gehirn gelangten Bilder lassen dort einen Eindruck zurück, der bewirkt, dass man sich an ein Bild erinnert, als wenn man es vor sich hätte; aber es ist immer nur eine ausschließliche Sache des Gedächtnisses, denn man sieht es nicht. Also in einem gewissen Zustand der Freiheit sieht die Seele ins Gehirn und findet darin wieder diese Bilder, besonders jene, die am meisten beeindruckt haben; je nach der Art der Sorge oder dem Zustand des Geistes. So geschieht es, dass sie darin den Eindruck religiöser, diabolischer, dramatischer, weltlicher Szenen und Figuren findet, welche sie zu einer anderen Zeit entweder in einem Gemälde oder auch in einer Erzählung gesehen hat; denn auch Erzählungen lassen Eindrücke zurück. Die Seele sieht also in der Tat, aber sie sieht nur ein daguerreotypisches Bild im Gehirn. (Nach dem Erfinder der Fotografie: Daguerre). Im normalen Zustand sind diese Bilder flüchtig und von kurzer Dauer, weil alle Teile des Gehirnes frei wirken, aber im Krankheitszustand ist das Gehirn immer mehr oder weniger geschwächt, das Gleichgewicht besteht nicht unter allen Organen, nur einige behalten ihre Tätigkeit, während andere gewissermassen gelähmt sind, und daher kommt die Stetigkeit gewisser Bilder, die nicht so leicht wie im normalen Zustand durch die Vorbeschäftigung des äußeren Lebens verwischt werden. Das ist die wahre Halluzination und die erste Ursache zu fixen Ideen.

Wie man sieht, haben wir über diese Anomalie durch ein ganz physiologisches, wohlbekanntes Gesetz Aufschluss gegeben, nämlich jenes der Gehirneindrücke; aber wir mussten immer die Seele mitwirken lassen. Nun denn, wenn die Materialisten bisher keine genügende Erklärung dieses Phänomens geben konnten, so ist es eben darum, weil sie eine Seele nicht zugeben wollen. Auch werden sie sagen, unsere Erklärung sei schlecht, weil wir die Seele als Grund gelten lassen, was bestritten wird. Bestritten durch wen? Durch sie; aber zugelassen durch eine immense Mehrheit, solange es nur Menschen auf der Erde gibt, und die Negation einiger kann kein Gesetz machen.

Ist unsere Erklärung auch gut? Wir erteilen sie, weil sie in Ermangelung einer anderen gelten kann, und wenn man es so haben will, in der Erwartung eines besseren, als bloße Hypothese.

Gibt sie so, wie sie ist, genügend Erklärung für alle Visionen?

Gewiss nicht, und wir fordern alle Physiologen auf, sie sollen eine Erklärung aufstellen, welche alle Visionen umfasst, denn als sie ihre Schlagworte: Überreizung und Aufregung gesprochen haben, haben sie damit nichts gesagt. Wenn also alle Theorien der Halluzination ungenügend sind, um alle Tatsachen zu erklären, so kommt es daher, dass darin etwas anderes steckt als die sogenannte Halluzination.

Unsere Theorie wäre falsch, wenn wir sie auf alle Fälle der Visionen anwenden wollten, weil es solche gibt, die ihr widersprechen, sie kann aber richtig sein, wenn sie nur auf gewisse Wirkungen bezogen wird.