DAS BUCH DER MEDIEN oder WEGWEISER FÜR MEDIEN UND ANRUFER

Allan Kardec

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Abhandlung eines Geistwesen über den moralischen Einfluss des Mediums


230. Die nachfolgende Belehrung hierüber ist uns von einem Geist gegeben, von dem wir bereits mehrere Offenbarungen erhalten haben:


„Wir haben schon gesagt, die Medien haben als Medien nur einen sekundären Einfluss bei den Kundgebungen der Geister. Ihre Aufgabe ist die einer elektrischen Maschine, welche die telegraphischen Depeschen zu einem entfernten Punkt der Erde überträgt. Wenn wir daher eine Mitteilung diktieren wollen, wirken wir auf das Medium wie ein Telegraphenbeamter auf seinen Apparat, d.h. wie der Stift des Telegraphen auf Tausende von Meilen, die die Depesche wiedergebenden Zeichen auf einen Papierstreifen zeichnet, so teilen wir durch die unermesslichen Räume, welche die sichtbare Welt von der unsichtbaren, die immaterielle von der inkarnierten Welt trennen, das, was wir euch sagen wollen, vermittels der medialen Maschine mit. Aber wie der atmosphärische Einfluss oft störend auf die Übertragungen des elektrischen Telegraphen einwirkt, so wirkt der moralische Einfluss des Mediums und trübt manches Mal die Übertragung unserer Depeschen von Jenseits des Grabes, weil wir genötigt sind, sie durch eine ihnen feindliche Umgebung passieren zu lassen. Jedoch wird dieser Einfluss meistens durch unsere Energie und durch unseren Willen beseitigt und es zeigt sich keine Störung. In der Tat, Mitteilungen von der größten philosophischen Tragweite und Kundgebungen von vollkommener Moral werden nicht selten durch Medien gegeben, welche für solchen höheren Unterricht wenig geeignet sind; während andererseits zuweilen wenig erbauliche Mitteilungen durch Medien kommen, die sich schämen, ihnen als Übermittler gedient zu haben.


Man kann im Allgemeinen behaupten, dass gleichartige Geister gleiche Geister anziehen, und dass die Geister der erhabenen Welten sich selten durch schlechtleitende Vorrichtungen mitteilen, wenn sie gute mediale Vorrichtungen, mit einem Worte - gute Medien zur Hand haben.


„Leichtsinnige und wenig ernste Medien ziehen Geister von derselben Natur an, deshalb tragen ihre Mitteilungen das Gepräge von Abgedroschenheit und Leichtfertigkeit, von unzusammenhängenden und oft sehr heterodoxen Ideen, - spiritistisch gesehen. Gewiss, sie können oft auch Gutes sagen, aber gerade in diesem Fall muss man eine strenge und gewissenhafte Prüfung vornehmen, denn mitten unter dieses Gute mengen gewisse heuchlerische Geister mit Geschicklichkeit und wohlberechneter Falschheit erdichtete Geschichten und lügenhafte Behauptung, um den guten Glauben ihrer Zuhörer zu täuschen. Man muss dann jedes zweideutige Wort, jeden falschen Satz ausscheiden und von dem gesagten nur das behalten, was die Logik annimmt oder die Lehre bereits gelehrt hat. Kommunikationen solcher Art sind nur für die einsamen Spiritisten oder neu gebildete, wenig unterrichteter Gruppen gefährlich; denn in den Vereinen, wo die Anhänger mehr fortgeschritten sind und mehr Erfahrung haben, schmückt sich die Krähe vergebens mit Pfauenfedern, sie werden ihr immer unbarmherzig herausgerissen.“


„Ich werde nicht von den Medien reden, welche sich darin gefallen, sich unflätige Mitteilungen zu erbitten und anzuhören; lassen wir sie in der Unterhaltung, in der Gesellschaft zynischer Geister. Übrigens suchen die Kommunikationen dieser Art von selbst die Einsamkeit und Abgeschiedenheit; sie könnten auf jeden Fall nur Verachtung und Missmut unter den Mitgliedern der philosophischen und ernsthaften Gruppen hervorbringen. Aber wo man den moralischen Einfluss des Mediums tatsächlich spürt, ist, wenn das Medium seine persönlichen Ideen jenen unterordnet, welche die Geister ihm einzugeben versuchen; es ist auch dann der Fall, wenn es aus seiner Einbildungskraft phantastische Theorien schöpft, von denen es selbst im guten Glauben meint, dass sie von einer intuitiven Kenntnis herrühren.


Dann kann man tausend gegen eins wetten, dass dies nur eine Spiegelung des eigenen Geistes des Mediums ist, und es ereignet sich sogar die sonderbare Erscheinung, dass sich die Hand des Mediums zuweilen fast mechanisch in Bewegung setzt, weil sie von einem niederen Spottgeist angetrieben wird. Das ist der Prüfstein, an welchem sich die lebhaften Phantasien brechen; denn hingerissen vom Schwung ihrer eigenen Ideen, durch das Flitterwerk ihrer literarischen Kenntnisse, verkennen die Medien die bescheidene Sprache eines weisen Geistes, geben die sichere Sache für die unsichere auf und ersetzen sie durch eine hochtrabende Umschreibung. An dieser gefährlichen Klippe scheitern auch gleichfalls die ehrgeizigen Personen, die aus Mangel an Mitteilungen, welche ihnen die guten Geister versagen, ihre eigenen Werke als Geisterwerke präsentieren. Deshalb müssen die Vorstände der Zirkel mit einem feinen Takt und mit einer außergewöhnlichen Umsicht versehen sein, um die authentischen Kommunikationen von jenen zu unterscheiden, welche es nicht sind, und um nicht die zu verletzen, die sich selbst täuschen.


„Im Zweifel verzichte“ sagt eins eurer Sprichwörter. Gebt also nur das zu, was für euch ganz klar ist. Sobald eine neue Meinung ans Licht kommt, unterwerft sie der Zergliederung der Vernunft und Logik, sobald sie euch auch nur ein wenig zweifelhaft erscheint. Das, was die Vernunft und der gesunde Menschenverstand missbilligen, verwirft kühn; es ist besser, zehn Wahrheiten zu verwerfen, als eine einzige Lüge, eine einzige falsche Theorie zuzulassen. In der Tat, auf dieser Lehre könntet ihr ein ganzes System aufbauen, welches beim ersten Anprall der Wahrheit zusammenfallen würde, wie ein auf Flugsand gebautes Monument; während, wenn ihr gewisse Wahrheiten heute verwerft, weil sie nicht logisch und klar genug nachgewiesen wurden, bald eine unerwartete Sache oder ein unwiderlegbarer Beweis kommen wird, euch deren Wirklichkeit zu bekräftigen.


Erinnert euch nichtsdestoweniger, dass es für Gott und die guten Geister nichts Unmögliches gibt außer Ungerechtigkeit und Unrecht.


Der Spiritismus ist bereits genug unter den Menschen verbreitet und hat die aufrichtigen Anhänger seiner heiligen Lehre hinlänglich moralisch gemacht, dass die Geister nicht mehr nötig haben, sich schlechter Werkzeuge unvollkommener Medien zu bedienen. Wenn daher gegenwärtig ein Medium durch sein Betragen oder seine Sitten, durch seinen Stolz, durch den Mangel an Liebe und Nächstenliebe begründeten Anlass zu Verdacht gibt, verwerft seine Mitteilungen; denn da liegt eine verborgene Schlange im Gras. Das ist mein Schluss zu dem moralischen Einfluss der Medien.” (Erastus)