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Allan Kardec

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ZWEITES KAPITEL
Das Wunderbare und das Übernatürliche



7. Wenn der Glaube an die Geister und ihre Kundgebungen ein isolierter Begriff, das Produkt eines Systems wäre, so könnte durchaus der Verdacht einer Illusion aufkommen; aber man sage uns doch, warum man ihn so lebhaft bei allen alten und neuen Völkern und in den heiligen Büchern aller bekannten Religionen antrifft. Einige Kritiker sagen: „Es ist darum, weil der Mensch zu allen Zeiten das Wunderbare geliebt hat.“ Was ist aber das Wunderbare? Das was übernatürlich ist. – Was versteht ihr unter dem Übernatürlichen?

- Was gegen die Gesetze der Natur ist. Ihr kennt also diese Gesetze so gut, dass es euch möglich ist, die Grenze der Allmacht Gottes zu bezeichnen? Nun gut, so beweist, dass die Existenz der Geister und ihre Kundgebungen gegen das Naturgesetz sind; dass sie nicht eines der Naturgesetze ist und sein kann! Folgt der spiritistischen Lehre und seht, ob diese Verkettung nicht alle Kennzeichen eines wunderbaren Gesetzes an sich trägt, welches alles aufklärt, was bisher alle Philosophien nicht aufzuklären im Stande waren. Das Denken ist eine der Eigenschaften des Geistes; die Möglichkeit, auf die Materie einzuwirken, auf unsere Sinneswerkzeuge einen Eindruck zu machen und infolge dessen uns Gedanken zu übertragen, ist das Ergebnis, wenn wir uns so ausdrücken können, seiner physiologischen Beschaffenheit. Dabei gibt es nichts Übernatürliches, nichts Wunderbares. Dass ein toter Mensch, und zwar ganz tot, körperlich wieder auflebt, dass seine zerstreuten Glieder sich vereinigen sollten, um seinen Körper wieder zu bilden, das wäre sonderbar, übernatürlich und eigenartig, das wäre eine Abweichung vom Naturgesetz, welche Gott nicht eintreten lassen könnte, außer durch ein Wunder; aber es gibt nicht solches in der spiritistischen Lehre.

8. Man wird aber sagen: „Ihr gebt ja zu, dass ein Geistwesen einen Tisch aufheben und ihn ohne Unterstützungspunkt in der Luft erhalten könne. Ist dies nicht eine Abweichung von dem Gesetze der Schwerkraft?“ Ja, eine Abweichung von einem bekannten Gesetz. Aber hat die Natur schon ihr letztes Wort gesagt? Bevor man die aufsteigende Kraft gewisser Gase erforscht hat, wer hätte geglaubt, dass eine schwere, viele Menschen tragende Maschine über die Anziehungskraft triumphieren werde? Erscheint das nicht in den Augen des gemeinen Volkes als wunderbar, als diabolisch? Wenn jemand vor einem Jahrhundert behauptet hätte, eine Depesche auf eine Entfernung von 500 Meilen schicken und die Antwort darauf in einigen Minuten erhalten zu können, so hätte man ihn für einen Narren gehalten, und wenn er es wirklich getan hätte, so hätte man geglaubt, dass ihm der Teufel zur Verfügung steht, denn damals war nur der Teufel im Stande, so schnell zu gehen. Warum sollte also ein unbekanntes Fluidum nicht auch die Eigenschaften besitzen, unter gewissen Umständen die Wirkung der Schwerkraft aufzuheben sowie der Wasserstoff die Schwere eines Ballons aufhebt? Dieses ist, am Rande bemerkt, ein Vergleich, nicht aber eine Gleichstellung, und nur um durch Analogie zu zeigen, dass die Sache, physisch genommen, nicht unmöglich ist. Denn dieses ist der Grund, warum die Gelehrten, welche bei Beobachtungen dieser Art Erscheinungen auf dem Weg der Gleichstellung vorgehen wollten, sich geirrt haben. Zuletzt, die Tatsache ist da, alles Leugnen kann sie nicht verschwinden lassen, denn Leugnen bedeutet nicht beweisen, für uns ist nichts übernatürlich. Das ist alles, was wir vorläufig sagen können.

9. Wenn die Sache erwiesen ist, wird man sagen, wir nehmen sie an, wir nehmen sogar die Ursache an, die ihr eben angeführt habt, nämlich die von einem unbekannten Fluidum. Wer aber beweist das Einwirken der Geister? Darin liegt das Wunderbare, das Übernatürliche. Hier benötigt man einen Beweis, der unangebracht wäre, und er würde uns eine doppelte Mühe kosten; denn er geht aus allen anderen Teilen dieser Lehre hervor. Aber um ihn mit einigen Worten zusammen zu fassen, so sagen wir, dass er sich in der Theorie auf diesen Grundsatz gründet: Jede intelligente Wirkung muss eine intelligente Ursache haben, und in der Praxis auch die Wahrnehmung, dass die sogenannten spiritistischen Erscheinungen, indem sie Beweise von Intelligenz gegeben haben, ihre Ursache außerhalb der Materie haben müssen; dass diese Intelligenz, da sie den dabei Anwesenden nicht angehört, - das ist eine Erfahrungssache, - außerhalb derselben zu suchen ist, und da man das handelnde Wesen nicht sehen konnte, so war es also ein unsichtbares Wesen.

So ist man von Beobachtung zu Beobachtung dahin gekommen, zu erkennen, dass dieses unsichtbare Wesen, dem man den Namen Geist gab, nichts anderes ist, als die Seele derer, die körperlich gelebt haben, und die der Tod von ihrer groben, sichtbaren Hülle befreit hat, indem er ihnen nur eine ätherische Hülle, die in ihrem normalen Zustande unsichtbar ist, gelassen hat. Da ist das Sonderbare und Übernatürliche auf seine einfache Bedeutung zurückgeführt.

Wenn einmal das Dasein der unsichtbaren Wesen dargelegt ist, so ist ihr Einfluss auf die Materie das Resultat der Eigenschaft ihrer fluidischen Hülle. Dieser Einfluss ist ein intelligenter, denn bei ihrem Ableben haben sie nur ihren Körper verloren, aber sie haben ihre Intelligenz, die ihr Wesen bildet, behalten. Da ist der Schlüssel zu allen Erscheinungen, welche man fälschlicherweise für übernatürlich gehalten hat. Das Dasein der Geister ist aber kein vorgefasstes System, eine Hypothese, um die Tatsachen zu erklären; es ist ein Resultat von Wahrnehmungen und die natürliche Folge des Daseins der Seele. Dies zu leugnen, hieße die Seele und ihre Eigenschaften zu verleugnen.

Diejenige, die denken für die intelligenten Wirkungen einer vernunftmäßigeren Lösung finden zu können, vor allem, alle Fakten erklären zu können, sollen es nur versuchen. Erst dann wird es möglich sein, über den Wahrheitsgehalt jeder einzelnen zu diskutieren.

10. Für diejenigen, welche die Materie als die einzige Kraft der Natur betrachten, ist alles sonderbar und übernatürlich, was durch die Gesetze der Materie nicht erklärt werden kann, und für sie ist das Sonderbare gleichbedeutend mit Aberglauben. Nach dieser Ansicht wäre die Religion, die sich auf das Dasein eines unkörperlichen Prinzips gründet, ein Gewebe von Aberglauben. Sie wagen dies nicht laut zu sagen, aber sie sagen es doch in der Stille, und sie glauben den Anstand gewahrt zu haben, indem sie zugeben, dass man für das Volk eine Religion brauche, und dazu, um die Kinder weise zu machen. Aber eines von beiden, entweder ist das religiöse Prinzip wahr, oder es ist falsch. Ist es wahr, so ist es für die ganze Welt wahr, ist es aber falsch, so ist es nicht besser für die unwissenden als für die aufgeklärten Leute.

11. Diejenigen, welche den Spiritismus im Namen des Wunderbaren angreifen, stützen sich hauptsächlich auf das materialistische Prinzip, indem sie durch Wegleugnung alles außerhalb der Materie befindlichen Wirkens das Dasein der Seele wegleugnen. Untersucht aber den Grund ihres Gedankens, prüft wohl den Sinn ihrer Worte, und ihr werdet immer dasselbe Prinzip finden, wenn auch nicht kategorisch formuliert, so doch unter dem Deckmantel einer anscheinenden Philosophie. Indem sie alles auf Rechnung des Wunderbaren schieben, was von dem Dasein der Seele abgeleitet wird, sie bleiben sich getreu; da sie die Ursache nicht anerkennen, so dürfen sie auch ihre Wirkungen nicht zugeben. Daher kommt bei ihnen die vorgefasste Meinung, die sie unfähig macht, den Spiritismus gründlich zu beurteilen; weil sie von dem Prinzip des Ableugnens all dessen ausgehen, was nicht materiell ist. Was uns betrifft, folgt wohl daraus, wenn wir die Wirkungen, die eine Folge des Daseins der Seele sind, zugeben, dass wir deshalb alle Erscheinungen, die sich als wunderbar darstellen, annehmen? Sind wir deshalb die Verfechter aller Träumereien, die Schüler aller Utopien und von allen Exzentrizitäten? Da müsste man den Spiritismus wenig kennen, um so zu denken. Aber unsere Gegner nehmen es nicht so genau. Die Notwendigkeit der Kenntnisse dessen, wovon sie reden, ist ihre geringste Sorge.

Nach ihrer Meinung ist das Wunderbare absurd. Der Spiritismus stützt sich auf wunderbare Fakten; demzufolge ist der Spiritismus absurd, das ist ihr Urteil ohne alle Widerrede. Sie glauben einen unwiderleglichen Beweis entgegen zu stellen, wenn sie, nachdem sie anspruchsvolle Untersuchungen über die Konvulsionären von St. Mèdard, über die Calvinisten in den Sevennen, über die Nonnen von Loudun angestellt haben, dahin gelangt sind, darin offenkundige Tatsachen vom Schwindel, den niemand leugnet, gefunden zu haben; aber sind denn diese Geschichten das Evangelium des Spiritismus? Haben seine Anhänger je geleugnet, dass diese Marktschreierei einige Tatsachen für sich ausgebeutet hat, dass damit die Einbildungskraft gesteigert wurde, und dass der Fanatismus vieles übertrieben hat? Der Spiritismus hat mit den Abschweifungen, die man in seinem Namen machen kann, eben so wenig zu tun, als die wahre Wissenschaft vor den Missbräuchen der Unwissenheit, und die wahre Religion vor den Ausschreitungen des Fanatismus. Viele Kritiker beurteilen den Spiritismus nur nach den Märchen von Feen und den Volkssagen, die über ihn gedichtet wurden; es ist eben so, als wenn man die Weltgeschichte auf Grundlage der historischen Romane und Tragödien beurteilen wollte.

12. Um über eine Sache sprechen zu können, muss man sie nach den Regeln der Logik kennen, denn die Meinung eines Kritikers hat nur insofern einen Wert, als er mit einwandfreie Sachkenntnis spricht, dann kann seine Meinung, wenn sie auch falsch wäre, in Betracht gezogen werden; aber von welchem Wert ist sie, wenn es um eine Sache handelt, den er gar nicht kennt? Der wahre Kritiker muss Beweise geben nicht nur von seiner Ausbildung, von einer gründlichen Sachkenntnis des Gegenstandes, den er behandelt, von einem gesunden Urteil und von einer erprobten Unparteilichkeit, denn sonst könnte der erste beste Musikant sich das Recht anmassen, den Rossini, und ein Stümper den Raphael zu zensieren.

13. Der Spiritismus nimmt daher nicht alle für wunderbar gehaltenen Tatsachen an; weit entfernt, er weist vielmehr die Unmöglichkeit einer großen Anzahl derselben, und das Lächerliche gewisser Meinungen nach, welche eigentlich den Aberglauben bilden. Es ist wohl wahr, dass in dem, was er anerkennt, es Dinge gebe, die für die Ungläubigen lauter pure Wunder sind, oder anders gesagt: Aberglauben; sei es, also besprecht nur diese Punkte, denn über die anderen gibt es nichts zu sagen, und ihr predigt den Bekehrten. Wenn ihr das angreift, was er selbst verwirft, so beweist ihr eure Unkenntnis und eure Argumente schlagen fehl.

»Aber wo bleibt der Glaube des Spiritismus stehen? « wird man sagen; »Seht, beobachtet, und ihr werdet es wissen.« Jede Wissenschaft erwirbt man sich nur mit der Zeit und durch das Studium. Nun denn, der Spiritismus, welcher die schwierigsten Fragen der Philosophie und alle Zweige der gesellschaftlichen Ordnung berührt, der den physischen und moralischen Menschen zugleich umfasst, ist für sich selbst eine ganze Wissenschaft, eine ganze Philosophie, die man ebenso wenig in ein paar Stunden erlernen kann, wie andere Wissenschaft. Es wäre ebenso lächerlich, den ganzen Spiritismus in einem drehenden Tische zu sehen, als es kindisch wäre, die ganze Physik in gewissen Spielwerkzeugen der Kinder zu erblicken. Wer sich mit dem Oberflächlichen nicht begnügen will, dem genügen nicht Stunden, sondern Monate und Jahre setzt er daran, um alle Geheimnisse desselben zu ergründen. Hiervon schließe man auf den Grad des Wissens und den Wert der Meinung derjenigen, die sich das Recht der Beurteilung anmaßen, weil sie ein oder zwei Experimente gesehen haben, die sehr oft nur als Unterhaltung und aus Zeitvertreib vorgenommen wurden. Sie werden ohne Zweifel sagen, dass sie nicht Muße haben, diesem Studium die nötige Zeit zu widmen. Sei es so, niemand zwingt sie dazu. Wenn man aber keine Zeit hat, eine Sache zu lernen, sollte man weder über sie reden noch sie urteilen, wenn man nicht der Leichtfertigkeit beschuldigt werden will. Nun denn, eine je höhere Stellung man in der Wissenschaft einnimmt, desto weniger ist es verzeihlich, einen Gegenstand leichtfertig zu behandeln, den man nicht kennt.

14. Wir fassen unsere Lehre in folgenden Sätzen zusammen: Alle spiritistischen Erscheinungen haben das Dasein der Seele, ihr Überleben des Körpers und ihre Kundgebungen zur Grundlage.

Da sich diese Erscheinungen auf ein Naturgesetz gründen, so haben sie nichts Sonderbares und nichts Übernatürliches im gewöhnlichen Sinne des Wortes an sich.

Viele Erscheinungen werden darum für übernatürlich gehalten, weil man ihre Ursache nicht kennt; da ihnen der Spiritismus eine Ursache zuweist, führt er sie wieder in den Bereich der natürlichen Erscheinungen zurück.

Unter den Tatsachen, welche für übernatürlich erklärt werden, sind viele, deren Unmöglichkeit der Spiritismus nachweist, und welche er in den Aberglauben zurückweist.

Obwohl der Spiritismus anerkennt, dass in manchem Volksglauben ein Körnchen Wahrheit zu finden ist, so übernimmt er keineswegs die Bürgschaft für alle phantastischen, durch die Einbildungskraft geschaffenen Erzählungen.

Den Spiritismus nach Tatsachen zu beurteilen, die er nicht zugibt, heißt seine Unkenntnis an den Tag legen und seiner Meinung alle Glaubwürdigkeit entziehen.

Die Erklärung der Tatsachen, die der Spiritismus zulässt, das Darlegen ihrer Ursachen und moralischen Folgen bildet für sich eine eigene Wissenschaft, eine ganze Philosophie, welche ein ernstes, anhaltendes und tiefes Studium erfordert.

Der Spiritismus kann nur den, als einen ernsten Kritiker betrachten, der mit Geduld und Beharrlichkeit eines ernsten Beobachters alles gesehen, alles studiert und alles erwogen hat; der von diesem Gegenstand so viel weiß, wie der aufgeklärte Anhänger, der daher seine Kenntnisse von wo anders her geschöpft hat, als aus den Romanen der Wissenschaft, dem man keine Tatsache vorlegen kann, ohne dass er davon Kenntnis hat, kein Argument, welches er nicht durchgedacht hätte, der zurückweist, aber nicht durch bloßes Ableugnen, sondern durch schlagende Gründe, und der endlich den anerkannten spiritistischen Tatsachen eine logische Ursache beizumessen im Stande ist. Ein solcher Kritiker ist noch zu finden.

15. Wir haben gerade das Wort Wunder ausgesprochen. Eine kurze Betrachtung dieses Gegenstandes wird in diesem Kapitel über das Wunderbare passend sein. In seiner Grundbedeutung und nach seiner Etymologie bedeutet das Wort Wunder, es sei eine außerordentliche Sache, wunderbar anzusehen; aber dieses Wort hat sich, wie viele andere, von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernt. Heutzutage bedeutet es nach der französischen Akademie einen Akt der göttlichen Macht gegen die Naturgesetze. So ist in der Tat seine angenommene Bedeutung, und nur durch einen Vergleich und als Metapher gebraucht man es bei gewöhnlichen Dingen, die uns überraschen und deren Ursache uns unbekannt ist.

Es fällt uns nicht ein, zu erforschen, ob es Gott für gut gehalten hat, unter gewissen Umständen die von ihm selbst gegebenen Naturgesetze aufzuheben, wir haben nur das Ziel, zu zeigen, dass die spiritistischen Erscheinungen, so außerordentlich sie auch sein mögen, niemals diese Gesetze aufheben, dass sie keinen wunderbaren Charakter haben, ebenso wenig wunderbar und übernatürlich sind. Ein Wunder lässt sich nicht erklären; die spiritistischen Erscheinungen dagegen lassen sich auf die vernünftigste Art erklären; sie sind also keine Wunder, sondern einfache Tatsachen, die ihre Begründung in den allgemeinen Gesetzen finden. Ein anderes Merkmal des Wunders ist, dass es ungewöhnlich ist und einzeln auftritt. Sobald eine Sache sozusagen nach Belieben und durch verschiedene Personen bewirkt wird, so kann sie kein Wunder sein.

Die Wissenschaft macht in den Augen der Unwissenden alle Tage Wunder. Das ist der Grund, warum in der Antike diejenigen, welche mehr wussten als das Volk, meistens für Hexer gehalten wurden; und da man glaubte, dass jede übermenschliche Wissenschaft vom Teufel komme, so verbrannte man sie. Heutzutage, wo man gebildeter ist, begnügt man sich damit, sie ins Irrenhaus zu schicken.

Wenn ein Mensch, der wirklich gestorben ist, wie wir es eingangs gesagt haben, durch göttliches Eingreifen wieder zum Leben gebracht wird, so ist dies ein wahres Wunder, weil es gegen die Naturgesetze ist; wenn aber dieser Mensch nur den Schein des Todes hat, wenn in ihm noch ein Rest der verborgenen Lebenskraft vorhanden ist, und wenn die Wissenschaft oder magnetische Behandlung es dahin bringen, ihn wieder zu beleben, so ist das für aufgeklärte Menschen eine natürliche Erscheinung, aber in den Augen des unwissenden Volkes wird diese Tat für ein Wunder gelten und der Urheber dessen wird entweder mit Steinwürfen verfolgt oder verehrt werden, je nach seinem individuellen Charakter. Wenn ein Physiker in der Mitte des Feldes einen elektrischen Drachen aufsteigen und den Blitz auf einen Baum fallen lässt, so wird man diesen neuen Prometheus gewiss wie mit einer diabolischen Macht ausgerüstet betrachten. Dieser sogenannte Prometheus scheint uns nur ein Vorgänger Franklins zu sein; aber wenn Josua die Bewegung der Sonne oder vielmehr der Erde aufhält, das ist ein wahres Wunder; denn wir kennen keinen Magnetiseur, der Macht genug hätte, ein solches Wunderwerk zu bewirken.

Eine der ausserordentlichsten unter allen spiritistischen Manifestationen ist ohne Widerrede die direkte Schrift; denn diese zeigt uns in auffallender Weise die Tätigkeit der verborgenen Intelligenzen; allein sobald diese Erscheinung durch verborgene Wesen bewirkt wird, ist sie ebenso wenig wunderbar, wie alle anderen Phänomene, die man den unsichtbaren Agenten verdankt, weil diese verborgenen Wesen, welche den Raum erfüllen, eine von den Naturkräften bilden, eine Kraft, deren Einfluss sowohl auf die materielle als auch auf die moralische Welt unausgesetzt wirkt.

Indem uns der Spiritismus diese Kraft erklärt, gibt er uns einen Schlüssel zu einer Menge unerklärter und auf eine andere Weise unerklärbarer Tatsachen, die in vergangenen Zeiten für ein Wunder gelten konnten, er enthüllt uns so wie der Magnetismus, ein, wenngleich nicht unbekanntes, so doch schlecht aufgefasstes Naturgesetz, oder um richtiger zu reden: man kannte seine Wirkungen, denn sie sind zu allen Zeiten hervorgebracht worden, aber man kannte das Gesetz nicht, und die Unkenntnis des Gesetzes hat den Aberglauben erzeugt. Sobald man das Naturgesetz erkannte, verschwand das Wunderbare, und die Erscheinungen traten in die Reihe der natürlichen Dinge. Deshalb tun die Spiritisten ebenso wenig Wunder, wenn sie bewirken, dass sich ein Tisch dreht, oder dass die Verstorbenen schreiben, als ein Arzt, der einen Scheintoten wieder belebt und ein Physiker, der den Blitz hervorbringt. Derjenige, welcher behaupten würde, mit Hilfe dieser Wissenschaft Wunder zu wirken, wäre mit der Sache entweder unbekannt oder ein Schwindler.

16. Die spiritistischen, sowie die magnetischen Manifestationen mussten für Wunder gelten, solange man deren Ursache nicht kannte. Nun denn, da die Skeptiker, die starken Geister, das heißt diejenigen, welche wohl ein ausschließliches Privilegium auf die Vernunft und den gesunde Menschenverstand haben, nicht glauben, dass etwas möglich sei, was sie nicht verstehen, so ist dies der Grund, warum alle für wunderbar gehaltenen Tatsachen den Gegenstand ihres Gelächters bilden; und da die Religion eine Menge solcher Tatsachen aufzuweisen hat, so glauben sie auch nicht an die Religion, und von da bis zum völligen Unglauben ist nur ein Schritt. Indem der Spiritismus den größten Teil dieser Tatsachen aufklärt, bildet er ihren wahren Grund.

Er kommt also der Religion zu Hilfe, indem er die Möglichkeit gewisser Tatsachen nachweist, die, wenn sie den Charakter des Wunderbaren nicht an sich tragen, dennoch nicht weniger außerordentlich sind. Aber deshalb ist Gott nicht weniger groß, nicht weniger mächtig, dass er seine Gesetze nicht aufgehoben hat. Zu welchem Gelächter hat nicht das die Levitation (Schweben) des heiligen Kupertin Anlass gegeben. Nun denn, das Schweben schwerer Körper in der Luft ist eine Tatsache, die der Spiritismus erklärt; wir selbst waren persönlich dabei Augenzeugen, und Herr Daniel Dunglas Home und auch andere Leute unserer Bekanntschaft haben zu verschiedenen Malen das vom heiligen Kupertin hervorgebrachte Phänomen wiederholt. Dieses Phänomen tritt daher in die Reihe der gewöhnlichen Erscheinungen.

17. Unter den Phänomene dieser Art muss man in erster Linie die Erscheinungen der Geister zählen, weil sie die häufigsten sind. Jene von Salette, welche auch die Geistlichkeit teilt, hat für uns nichts Seltenes. Gewiss, wir können zwar nicht behaupten, dass die Sache wirklich geschehen ist, denn wir haben davon nicht den materiellen Beweis, aber für uns ist sie möglich in Anbetracht dessen, dass uns Tausende von ähnlichen neueren Erscheinungen bekannt sind. Wir glauben daran, nicht nur, weil ihre Wirklichkeit für uns erwiesen ist, sondern weil wir exakt wissen, auf welche Art sie hervorgebracht werden können. Man wolle sich zu der Theorie hinwenden, die wir später von den Erscheinungen der Geister geben, und man wird sehen, dass diese Erscheinung so einfach und wahrscheinlich wird, dass eine Menge physischer Erscheinungen nur darum wunderbar erscheint, weil man davon den Schlüssel nicht hat. Ganz anders verhält sich die Sache mit der Person, die sich den Hirtenkindern in Salette vorgestellt hat, ihre Identität ist uns durchaus nicht erwiesen, wir behaupten bloß, dass diese Erscheinung stattfinden könne, das übrige gehört nicht in unser Bereich. In dieser Beziehung kann ein jeder seine Überzeugung wahren; der Spiritismus hat keinen Grund, sich damit zu beschäftigen; wir sagen nur, dass die vom Spiritismus hervorgebrachten Tatsachen uns neue Gesetze enthüllen und uns die Aufklärung zu einer Menge Sachen geben, die übernatürlich scheinen; wenn einige davon, die als wunderbar erscheinen, darin eine logische Erklärung finden, so ist es ein Grund mehr, sich nicht zu beeilen, das zu leugnen, was man nicht versteht. Gewisse Personen fechten die spiritistischen Phänomene an, gerade darum, weil sie nach einem gewöhnlichen Gesetz hervorkommen, was sie keine Erklärung für sie finden lässt. Gebt ihnen eine rationelle Grundlage, und der Zweifel verschwindet.

Die Erklärung ist doch ein mächtiger Hebel der Überzeugung in diesem Jahrhundert, wo man sich nicht mehr nur mit Worte begnügt.

Auch finden sich alle Tage Leute, die von keiner Tatsache Augenzeuge waren, die nie einen Tisch sich bewegen, noch ein Medium schreibend gesehen haben, und die dennoch so fest überzeugt sind, wie wir; nur darum, weil sie gelesen und verstanden haben. Wenn man nur das glauben sollte, was man mit eigenen Augen gesehen hat, so würden sich unsere Überzeugungen auf wenige Dinge beschränken.